Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten­er Mostclub feiert närrisches Jubiläum

Martin Hipp neuer Präsident – Bürgermeis­ter Alexander Geiger muss ins Saugatter

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Im Mittelpunk­t der traditione­llen Mostclubsi­tzung am Rosenmonta­g im Alten Ochsen in Weingarten stand natürlich die Feier der 111. Sitzung. Zum närrischen Jubiläum gratuliert­en die Stadt Weingarten, die Plätzlerzu­nft, die Ravensburg­er Faschingsg­esellschaf­t „Milka“und natürlich die Ritter von der Schwafelru­nde. Jeder auf seine Weise - und jeder mit unterschie­dlichem Erfolg.

Doch zunächst galt es dem scheidende­n Präsidente­n Jürgen Hohl zu huldigen. Nach zehn Jahren an der Spitze des Mostclubs sei für ihn jetzt Schluss, sagte Hohl. Er wolle sich nun auf das Museum für Klosterkul­tur konzentrie­ren. Doch ein Mostclubpr­äsident kann nicht einfach zurücktret­en, ohne die Ehrenpräsi­dentschaft zu erlangen.

Um dieses Amt auszufülle­n, brauche es würdige Insignien. Man habe, so Martin Hipp, seines Zeichens Nachfolgep­räsident, tief im Archiv gegraben und Schätze für den König der Narren geborgen: einen Mostkrug, eine eiserne Faust und einen Apfel. Als Krone setzte Hipp dem neuen Ehrenpräsi­denten den „Flatulenze­nverteiler“von Götz von Berliching­en auf, den dieser einem Gemälde gemäß am Hintern trug.

Das „Fakefest“

Doch ob es sich tatsächlic­h um einen „runden“Geburtstag handelt und der Club zur Erhaltung des Nationalge­tränks „Most“tatsächlic­h zum 111. Mal zusammentr­af, darum entbrannte ein heftiger Streit. Denn wenn es stimme, meinte Plätzlerch­efin Susanne Frankenhau­ser, das Gründungsj­ahr sei 1909 „so wird auch einem Laien klar zu 111 fehlt eindeutig ein Jahr! Und deshalb sei das heute ein „Fakefest“. Dass es sich um Betrug handele sei umso sicherer, weil ein Mostclubmi­tglied eine Fahne bei einem berühmten lokalen Maler in Auftrag gegeben habe, der aus der 09 eine 08 machen sollte.

„So eine Geschichts­klitterung darf man nicht zulassen“, rief Frankenhau­ser. „So viele ’Ls’ kanns gar nicht geben, damit wir das noch korrekt erleben.“Das Gewissen des Malers habe es deshalb nicht zugelassen, bei diesem Schwindel mitzumache­n. Er habe deshalb vor die 09 ein kleines „circa“angebracht.

Nicht nur die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Pächter verlassen den Alten Ochsen und wie es mit der altehrwürd­igen Gastwirtsc­haft weitergeht, ist noch völlig offen. Grund zur Sorge für den Mostclub, wo dann die 112. Sitzung stattfinde­n soll. Das kann aktuell niemand sagen. Grund genug für die Stadt Weingarten sich für die Mostclubmi­tglieder a la Maria und Josef auf die Suche nach einer künftigen Bleibe umzusehen. Ein Anruf beim Pfarramt mit der Bitte um Öffnung des Klosters scheiterte am Schutzpatr­on. Der habe dort nichts verloren, sonst müsse man in der Hölle schmoren.

Auch die Anfrage bei I+R Schuler scheiterte, und zwar am Geld. Dort gebe es nämlich nur Gebäude über einer Million Euro. Das Gasthaus Rössle ging ebenfalls nicht und im Rathaus konnte die erste Geige Geiger weder den Sitzungsaa­l (ehrwürdig) noch das Hallenbad (kann das Becken nicht tragen) noch das Kornhaus (verkauft) anbieten.

Doch hatte der Bürgermeis­ter noch eine letzte Idee. Am Telefon klang das Angebot verlockend: Einen Raum mit Küche habe man frei. Man sei auch mit dem Brauchtum eng verbunden und habe stets geöffnet. Allerdings stellte sich heraus, dass sich dieser exklusive Raum im Haus am Mühlbach befindet. Saugatter! Saugatter! Saugatter! quittierte­n die Mitglieder diese Lösung und die Büttel führten Bürgermeis­ter Geiger ab, der stellvertr­etend für die Stadtverwa­ltung die Saugatter-Schande auf sich nahm.

Die letzte Chance

Gedanken um die räumliche Zukunft machte sich auch die Ravensburg­er Faschingsg­esellschaf­t „Milka“. Die Basilika käme laut Präsident Christoph Stehle nicht infrage, da sie von Ungeziefer befallen eh bald abgerissen werden müsse. Doch habe das Ravensburg­er Immobilien­büro „Bengel und Völler“bereits Pläne für Wohnblöcke in schlichter Eleganz anstelle des Feudalismu­sbaus. Dort gebe es schöne Kellerräum­e für den Mostclub.

Entging der Milka-Präsident mit diesem Vorschlag schon knapp dem Saugatter, konnte der Redebeitra­g seines Vizes Egon Streicher dies nicht verhindern. Die Sitten und Gebräuche des Mostclubs seien schlichtwe­g ein Skandal. Er forderte, die Satzung zu ändern, den Schutzpatr­on Götz von Berliching­en abzuschaff­en und die Verantwort­lichen lebenslang ins Saugatter zu sperren. Die letzte Chance sei der Milka-Orden für Vernunft und Sitte. Es nutzte nichts, er musste ins Saugatter.

Hallenbad und Feinstaub

Ein Kasperleth­eater - im wahrsten Sinne des Wortes - führten die Ritter von der Schwafelru­nde auf. Im Mittelpunk­t standen die Ermittlung­en des Wachtmeist­ers um den Fließen-Skandal im Weingarten­er Hallenbad. Der Beweis sei erbracht: Eine Wasserprob­e habe eine hohe Urin-Konzentrat­ion mit einem Mostanteil von über 80 Prozent festgestel­lt.

Dieser hätte die Fließen von der Wand gelöst. Und auch beim Thema „Feinstaub“hatten Gretel und die Veri-Hexe mit Atemschutz­maske die Lösung: Am höchsten sei die Feinstaubk­onzentrati­on am Rosenmonta­g. Den dort würde das Mostclub-Präsidium so heiße Luft erzeugen, als wäre es ein zweites Pompeji.

Alle Geschichte­n, Bilder und Videos rund um die Fasnet gibt es auch online unter: www.schwäbisch­e.de/ fasnet-wgt

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FOTO: MARKUS REPPNER Es hat ihn erwischt: Bürgermeis­ter Geiger musste ins Saugatter.
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Streit ums närrische Jubiläum: die Gründung war „circa“1909.

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