Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Insel der Seligen
Es ist schon eine Weile her, seit wir uns so sehr für die Beatles, Stones, The Who, The Kinks, Mary Quandts Miniröcke, Portobello Road und Merry Old England begeistert haben, dass manche von uns einst in den Ferien auf die Insel trampten und nicht nur von den Konzerten von Pink Floyd, den Stones oder The Nice benebelt waren. England erschien in den späten 60erund frühen 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als die Insel der Seligen, Kreativen, Unangepassten, Extrovertierten, als Paradies aller unkonventionell denkenden jungen Menschen!
Aus der Ravensburger Provinz gelangte ich als Schüler in den Sommerferien zum Zweck des Spracherwerbs zu Mrs. Hardy, einer alleinstehenden, 60-jährigen Frau, die im feinen Seebad Eastbourne an der Südküste Schüler aus ganz Europa bei sich aufnahm. Mrs. Hardy überraschte mich vom ersten Tag an: Sie rauchte schon vor dem Breakfast und ließ auch mich qualmen, trank jede Menge Sherry, besuchte regelmäßig Spielhöllen und bediente dort routiniert einarmige Banditen, bestand darauf, dass ich sie am Samstagnachmittag ins große Zelt der Berufscatcher begleitete und am Sonntagnachmittag zum Tee auf dem Anwesen eines ehemaligen englischen Kriegshelden.
Der hochdekorierte Offizier konnte nicht verstehen, dass der junge Gast aus Deutschland nichts wusste von einem gewissen „Wüstenfuchs“namens Rommel aus Ulm und dessen Feldzugsstrategie. Und auch nichts wissen wollte. Etwas spröde kamen mir die englischen Mädchen vor, doch war ansonsten damals alles viel lockerer als in Ravensburg. Mir kommt’s heute vor, als habe der Brexit schon mit dem letzten Konzert der Beatles auf dem Dach in London begonnen, damals am 30. Januar 1969…