Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Impuls zur Fastenzeit
Am Aschermittwoch ist alles vorbei …“, so heißt es in einem Karnevalsschlager. Vorbei sind die Tage der Fasnet und die am Aschermittwoch beginnende Fastenzeit bereitet manchen Menschen ein schlechtes Gewissen. Sie sehen sich konfrontiert mit ihren unmäßigen und schlechten Gewohnheiten oder werden an die über den Winter zugelegten Pfunde erinnert. Begriffe wie Verzicht, Einschränkung oder Abnehmen gehen ihnen durch den Kopf. Und so wird nicht selten die Selbstkontrolle zum auferlegten Lernziel für die nächsten Wochen. Es geht darum, sich die eigene Unabhängigkeit von lieben Gewohnheiten – wie zum Beispiel dem Konsum von Fernsehen, Zigaretten, Alkohol oder Ähnlichem – zu beweisen. Dadurch läuft die Fastenzeit Gefahr, eine Art „Selbstbeherrschungsmarathon“zu werden. Und Ostern wird zum erlösenden Zieleinlauf, bei dessen Passieren wir endlich, befreit von den Anstrengungen, die alten Gewohnheiten wieder aufnehmen können. Aber „das ist kein Fasten, das dem Herrn gefällt“(vgl. Jes 58, 5). Denn wer so an die Fastenzeit herangeht, lässt sich von den Vorgaben „Ich muss, ich will, ich habe mir vorgenommen“leiten. Ein solches Fasten hat wenig zu tun mit dem Freiwerden von inneren und äußeren Zwängen, die unser Ich uns auferlegt. In den Augen Jesu geht es beim Fasten um das Erfahren, dass eben nicht alles von mir abhängt, um das Loslassen vom machtvollen Ich, das sich immer bestätigen und beweisen will.
„Kehrt um und glaubt an das Evangelium“(Mk 1,15), diese ersten Worte der Predigt Jesu im Markusevangelium hören katholische Christinnen und Christen, wenn sie am Aschermittwoch das Aschenkreuz empfangen. Mit diesen Worten ruft Jesus die Menschen auf, ihr Leben zu ändern. Hinter dieser Einladung steht in erster Linie nicht der Verzicht, nicht das Zurückstecken, sondern der Ruf zu einem intensiveren Leben. Fasten im Sinne Jesu heißt umkehren: den alten, eingefahrenen Weg aus Angst und Misstrauen verlassen und dem Ruf zu erfüllterem Leben folgen. Umkehr ist Liebe den Dingen und Lebewesen gegenüber, auch gegenüber mir selbst. Deshalb hat Umkehr nichts mit Selbstabtötung zu tun und ist viel mehr, als irgendwelchen moralischen Appellen zu folgen. Es geht darum, ein neuer Mensch zu werden, der Lebensverneinendes und Todbringendes loslassen kann, weil er das Leben in Fülle, zumindest aber eine Spur davon, gefunden hat. Das macht auch das diesjährige Motto der Fastenaktion der evangelischen Kirche „7 Wochen ohne“deutlich: „Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen“.
Es ist kein Zufall, dass am Ende der Fastenzeit ein Fest steht und nicht eine Siegerehrung: Es wird nicht der gekrönt, der seine Vorsätze am besten eingehalten oder die meisten Pfunde verloren hat. Es wird vielmehr gefeiert: das Leben in Freiheit, das Leben in Vertrauen, das Leben in Liebe. Der Aschermittwoch ist sozusagen die Einladung zum Fest, zum Fest der Auferstehung, eine Einladung, die so viel heißt wie Aufstehen und Losgehen, in meinem Alltag den Ruf Jesu zu größerem Leben entdecken und ihm Raum geben.