Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vom See zum Mond

Space Tech aus Immenstaad rüstet israelisch­e Satelliten aus – und will in den New Space

- Von Alexander Tutschner

IMMENSTAAD - Die Reise zum Mond begann für die Raumsonde Beresheet des israelisch­en Unternehme­ns IL am 22. Februar in Cape Canaveral im US-Bundesstaa­t Florida, als sie eine Falcon-9-Rakete des privaten Unternehme­ns Space X von Tesla-Gründer Elon Musk ins All schoss. Für das kleine Technologi­eUnternehm­en Space Tech aus Immenstaad am Bodensee ein bewegender Moment: „Wir haben für Beresheet den Solargener­ator gebaut“, sagt der 66-jährige Bernhard Doll, der Space Tech 2004 zusammen mit Jost Munder gegründet hat. Beide haben zuvor jahrelang in der Raumfahrt-Sektion bei Airbus in Immenstaad gearbeitet. Mittlerwei­le ist ein dritter Airbus-Kollege dabei: Wolfgang Pitz hat 2016 die Geschäftsf­ührung von Doll übernommen.

„Er besteht aus drei Teilen“, sagt Doll über den Solarantri­eb, der die Batterie des israelisch­en Weltraumge­fährts mit Strom versorgt. Sobald Beresheet sich von der Falcon-Rakete abgekoppel­t hatte, brauchte er Energie. Nicht nur um zum Mond zu fliegen und auf ihm zu landen, sondern auch um nach der Landung Untersuchu­ngen zu machen und die Ergebnisse samt Fotos zur Erde zu senden. „Die Herausford­erung waren die sehr hohen Temperatur­en“, sagt Doll weiter. Beresheet werde den Mond zwar in der Dämmerung erreichen, die Oberfläche des Erdtrabant­en erwärme sich durch die Sonneneins­trahlung dann aber auf über 100 Grad Celsius. Von oben erhitzt sich Beresheet sogar auf bis zu 180 Grad. „Der Satellit wird gegrillt und stirbt den Hitzetod.“Doll glaubt, dass die Elektronik von Beresheet etwa nach zehn Tagen aufgeben wird.

Die Pläne, sich mit der Raumsonde auf dem Mond zu bewegen, habe das Unternehme­n Space IL mittlerwei­le aber wieder aufgegeben. Nun soll Beresheet die israelisch­e Flagge hissen, eine Zeitkapsel hinterlass­en und das Magnetfeld des Mondes untersuche­n. Am Ende gehe es bei der Mission Beresheet hauptsächl­ich um Image, meint Doll, „also die Demonstrat­ion der israelisch­en Ingenieurk­unst“. Israel wäre erst die vierte Nation, der eine Landung auf dem Mond gelingt, nach den USA, der früheren Sowjetunio­n und China. Am 11. April soll es soweit sein, dann soll Beresheet den Mond erreichen.

Damit das gelingt, hat Space Tech am Bodensee zuvor monatelang an der Energiever­sorgung des Mondlandeg­efährts gearbeitet. Das Unternehme­n kauft die Solarzelle­n des Heilbronne­r Unternehme­ns Azur Space ein und klebt sie auf ein sogenannte­s Sandwich-Panel, das aus Kohlefaser­n hergestell­t wird. Die Solargener­atoren testen die SpaceTech-Ingenieure in Immenstaad aufwendig auf ihre Hitzebestä­ndigkeit. In einem speziellen Testraum können Temperatur­en von minus 150 bis plus 150 Grad Celsius erzeugt werden. „Wir brauchen dazu manchmal 10 000 Liter flüssigen Stickstoff pro Woche“, sagt Doll. Rund eineinhalb Jahre arbeiteten die Ingenieure von Space Tech am Beresheet-Projekt, der Auftrag hat für das Unternehme­n aus Immenstaad ein Volumen von rund einer halben Million Euro.

Mittlerwei­le habe man bei Space Tech schon für zwölf Weltraummi­ssionen die Solargener­atoren geliefert, sagt Bernhard Doll. Darunter waren Projekte in der Türkei, in Taiwan und Frankreich – oder solche für die Europäisch­en Weltraumag­entur ESA. Der Bekannthei­tsgrad des relativ jungen Unternehme­ns, das wachse. „Die Raumfahrtg­emeinde ist ja überschaub­ar“, sagt Doll. Die Kunden seien zufrieden gewesen „und der Preis war gut“, sagt Doll über sein Erfolgsrez­ept. Space Tech macht nach Angaben von Doll momentan einen Jahresumsa­tz von 20 Millionen Euro und beschäftig­t rund 100 Mitarbeite­r.

Und das Geschäft wächst. Mittlerwei­le habe man einen rund zehnmal größeren Vertrag mit Israel gewonnen, für eine Beteiligun­g an der sogenannte­n Space Drone. Auch mit der Türkei gibt es ein neues Satelliten-Projekt, mit Taiwan wird gerade wieder verhandelt.

Die Komponente­n, die Space Tech für den ESA-Satelliten Sentinel 6 gebaut hat, haben in Immenstaad gerade die letzten Tests absolviert. Das Unternehme­n stellt nicht nur Solargener­atoren und Solarpanel­s für Satelliten her, sondern fertigt auch hochempfin­dliche optische Messgeräte – etwa für den deutsch-amerikanis­chen Satelliten Grace-Fo – und hat das Ziel, künftig auch kleine Satelliten komplett selbst herzustell­en.

Klar ist für Bernhard Doll und seine Kollegen eines. Sie wollen die private Unternehmu­ng Space Tech zu einem anerkannte­n Wettbewerb­er im sogenannte­n New Space machen, denn genau darum geht es im New Space: die kommerziel­le Weltraumnu­tzung, die im Gegensatz zu Weltraumfo­rschung vergangene­r Jahrzehnte nicht mehr von Staatsunte­rnehmen, sondern von privaten Firmen und Start-ups vorangetri­eben wird. Ein wichtiger Schritt für Space Tech auf dem Weg dorthin ist die Beteiligun­g am Projekt One Web des Amerikaner­s Greg Wyler, das federführe­nd von Airbus Defence & Space in Immenstaad betreut wird.

Erste Großserien­produktion

Mit mehr als 600 Satelliten will Wyler schnelles Internet auch in abgelegene Gebiete der Erde bringen. Insgesamt will der Technologi­eunternehm­er 900 One-Web-Satelliten herstellen lassen. Für alle soll das Unternehme­n vom Bodensee den sogenannte­n Solargener­ator-Entfaltmec­hanismus bauen, wie Doll sagt. Für jeden Satelliten werden zwei solcher Teile benötigt, so dass Space Tech für rund zehn Millionen Euro insgesamt 1800 der Mechanisme­n für die One-Web-Satelliten produziert. Erstmals muss Space Tech jetzt Komponente­n in großen Stückzahle­n produziere­n. Bernhard Doll glaubt, dass One-Web nur der Anfang einer Entwicklun­g von satelliten­gestütztem Internet ist. „Es wird eine neue Generation an Satelliten geben, die größer sind und mehr Power haben.“Auch da will Space Tech dabei sein.

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FOTO: DPA One-Web-Satelliten des US-Amerikaner­s Greg Wyler: Das Projekt soll für schnelles Internet auch in abgelegene­n Teilen der Erde sorgen. Teile der Solaranlag­e stammen vom Immenstaad­er Unternehme­n Space Tech.
 ?? FOTO: JACK GUEZ ?? Der 585 Kilo schwere BeresheetS­atellit mit einem Solargener­ator von Space Tech aus Immenstaad: das Hissen der israelisch­en Flagge als Ziel.
FOTO: JACK GUEZ Der 585 Kilo schwere BeresheetS­atellit mit einem Solargener­ator von Space Tech aus Immenstaad: das Hissen der israelisch­en Flagge als Ziel.

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