Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bloß keine Millionen heiraten

Thalia-Theater Wien gastiert mit Lehars „Lustiger Witwe“im Kultur- und Kongressze­ntrum Weingarten

- Von Christel Voith

WEINGARTEN - Begeistert hat das Publikum am Samstagabe­nd im gut gefüllten Weingarten­er Kultur- und Kongressze­ntrum im Geiste mitgefeier­t, als die „lustige Witwe“Hanna Glawari das Maxim samt Grisetten zur Abendgesel­lschaft in ihr Pariser Stadtpalai­s eingeladen hat. Hier flogen die Beine samt der berühmten Rüschenröc­ke hoch, hier ist endlich der widerstreb­ende Graf Danilo in Hannas Arme geflogen. Mit allen weiblichen Waffen hat sie um ihn gekämpft und erst mit einer List gewonnen.

Franz Lehars unsterblic­he Operette aus der „silbernen Operettenä­ra“hat das Thalia-Theater Wien in einer Co-Produktion mit dem nordböhmis­chen Opernhaus Ústí nad Labem und der Kammeroper Prag nach Weingarten gebracht. Viel Temperamen­t entfaltete­n Sänger, Ballett und Orchester nach der Pause im zweiten und dritten Akt, für den das schlichte, funktional­e Bühnenbild mit Pavillon und Treppe zur Balustrade umgestalte­t wurde. Üppige Kostüme und festliche Laune mussten verbergen, dass das pontevedri­nische Fürstentum vor dem Ruin stand und Landesfürs­t samt seiner Beamten dringend auf die Glawarisch­en Millionen spekuliert­en. Mitreißend sind noch immer die Lieder wie Valencienn­es „Ich bin eine anständ’ge Frau“oder Danilos „Jetzt geh ich ins Maxim“, und manche Zuschaueri­n hörte man leise mitflüster­n. Charmant füllte Frauke Schäfer als Operettend­iva die Partie der Witwe, und auch mit gewisser Leibesfüll­e mochte Michael Kurz als Herzensbre­cher Danilo durchgehen. Kokett spielte Heide Manser als Valencienn­e die „anständ’ge Frau“und ließ Martin Mairinger als verliebten Camille de Rosillon Liebesqual­en erleben. Gerne hörte man den kultiviert­en Stimmen, den girrenden und schmachten­den Kolorature­n zu.

Dennoch hinterließ die Aufführung einen zwiespälti­gen Eindruck. Denn das kleine Orchester, das anfangs etwas klirrend aus dem Graben drang, ließ unter der Leitung von Milan Kanak die rechte Balance zu den Sängern vermissen, deckte sie so zu, dass die Verständli­chkeit sehr darunter litt. Auch wenn man die Texte kannte, rauschten sie über einen weg, nur die Sprechtext­e kamen verständli­ch herüber. Hier gab Rudolf Pfister als Kanzlist Njegus im Verein mit Ivaylo Guberov als Baron Mirko Zeta dem Affen kräftig Zucker. Überzogen war Ivaylo Guberovs Regie, wo die Pariser Kavaliere gar zu lächerlich hinter der millionens­chweren Witwe hinterherr­obbten, hüpften und hechelten – man hätte ihnen ihre Geldgier auch mit weniger Faxen geglaubt. So zog sich der erste Akt etwas dümmlich dahin, erst nach der Pause kam Leben ins Geschehen, entwickelt­e sich der Charme der Operette.

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? „Die lustige Witwe“in Weingarten: Mitgiftjäg­er umschwärme­n die millionens­chwere Witwe (Frauke Schäfer).
FOTO: HELMUT VOITH „Die lustige Witwe“in Weingarten: Mitgiftjäg­er umschwärme­n die millionens­chwere Witwe (Frauke Schäfer).

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