Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Entsorgung in Flüssen ist mancherorts noch Alltag“
Willi Stadler vom Unternehmen Stadler in Altshausen spricht über die Möglichkeiten des Müllsortierens
ALTSHAUSEN - Die Firma Stadler gehört zu den Marktführern bei Müllsortieranlagen. Geschäftsführer Willi Stadler sprach mit SZ-Redakteurin Julia Freyda über die technischen Möglichkeiten beim Sortieren und die Bedeutung eines funktionierenden Kreislaufs bei der Abfallwirtschaft.
Altpapier, Glas, Gelber Sack und Biotonne – Im deutschen Müllsystem trennen wir schon viel, wofür braucht man dann noch Sortieranlagen?
Nehmen wir das Beispiel Papier: In der Tonne sind Papier, Kartons und manchmal auch noch andere Stoffe wie Folie und Kunststoff. Für gute Ergebnisse beim Recycling müssen vom Papieranteil aber alle anderen Materialien beseitigt werden. Das gleiche Prinzip gilt beim Gelben Sack. In einem Beutel sind Kunststoffe, Metalle, Aluminium, Tetrapack und oft eben auch Fremdstoffe, die dort gar nicht hineingehören. Beim Vorsortieren im Haushalt ist der ländliche Raum übrigens disziplinierter als Großstädte. Nichtsdestotrotz muss auch der Inhalt von korrekt befüllten Gelben Säcken sortiert werden, damit Material überhaupt wiederverwertet werden kann. Und das sind im Gelben Sack enorme Mengen. Eine Tonne Material aus dem Gelben Sack entspricht 30 Kubikmeter Material. Eine Sortieranlage trennt pro Stunde bis zu 30 Tonnen Material.
Was ist denn technisch möglich, wenn ich Ihnen nun eine Fuhre Restmüll bringe?
In solch einer Fuhre kann tatsächlich so ziemlich alles drin sein. Die Anlage sortiert zunächst sperrige Teile aus und siebt organisches Material ab. Das geht dann in die Kompostierung oder Vergärung. Die Masse des Restmülls ist zwischen 80 und 400 Millimeter groß, darin steckt aber eben auch der Großteil der Wertstoffe. Im nächsten Sortierschritt trennt die Anlage Zweidimensionales wie Papier und Folien von Dreidimensionalem wie Flaschen und Dosen. Eisen wird zum Beispiel mit Magneten rausgefiltert, Aluminium mit einem Wirbelstrom. Auch Nahinfrarotgeräte und Röntgentechnik sind zum Beispiel in den Anlagen eingebaut, um jegliche Stoffe zu detektieren und nach Material und bei Plastikflaschen auch noch nach Farbe zu sortieren.
Kommt die Technik da auch an ihre Grenzen?
Technisch gesehen ist es möglich, alles voneinander mit einer sehr hohen Sortenreinheit zu trennen. In Oslo haben wir die weltweit erste vollautomatische Hausmüll-Sortieranlage gebaut. Sie kommt komplett ohne Personal zur manuellen Steuerung aus. Das war vom Kunden so gewünscht, weil er keine Mitarbeiter mehr gefunden hat. Ein anderer Kunde in Spanien wollte gezielt Arbeitsplätze schaffen und manuelle Bestandteile beim Sortieren behalten. Grundsätzlich können aber Roboter eingesetzt werden, die das Material im Strom erkennen und Störstoffe herauspicken.
Vorsortieren oder alles in eine Tonne werfen – was ist denn Ihrer Ansicht nach sinnvoller?
Das kommt auch sehr auf die jeweiligen Rahmenbedingungen an. Wenn viel getrennt wird, aber fünf Müllabfuhren alle Haushalte abfahren, dann ist das energetisch nicht so sinnvoll. Wichtiger ist die Frage, ob das Material als Abfall oder Wertstoff gesehen wird. Deponien und Verbrennungsanlagen produzieren gefährliche Treibhausgase, Recycling verringert den CO 2-Ausstoß. Ein Beispiel aus Spanien, wo eine unserer Anlagen 500 000 Tonnen Hausmüll pro Jahr sortiert. Vorher landete diese Masse auf einer Deponie. Durch das Recycling der Wertstoffe werden nun jährlich rund 650 000 Tonnen CO2 eingespart. Das ist eine Größenordnung, die rund eine Million Autos pro Jahr erzeugen.
Aus welcher Motivation machen die Länder das?
Unter anderem führen strenge Vorgaben der Europäischen Union und Deponieverbote zu starken Investitionen im Recyclingmarkt. Bis 2030 sollen vom gesamten in der EU erzeugten Müll nur noch zehn Prozent auf Deponien gebracht werden. Derzeit liegen wir bei rund 25 Prozent. Außerdem steigt das prozentuale Ziel, Siedlungsabfall zu recyceln, kontinuierlich an. Ein großes Potenzial sehen wir in Osteuropa, weil dort derzeit noch ein Großteil des Mülls auf die Deponie geht.
Europa war bislang der größte Absatzmarkt für Stadler. Wie sieht das Interesse in anderen Ländern aus?
Weltweit ist noch viel zu tun. Je geringer ein Land entwickelt ist, desto schlechter ist auch die Mülltrennung beziehungsweise das Recycling. Die Entsorgung auf wilden Kippen oder in Flüssen ist mancherorts noch Alltag. So kommen zum Beispiel die Unmengen an Kunststoffen im Meer zusammen. Aus dem Rhein fließen pro Tag 100 Kilogramm ins Meer, aus der Donau ist es schon eine Tonne am Tag und aus dem Jangtsekiang sogar 10 000 Tonnen pro Tag. Hier muss also eine funktionierende Abfallwirtschaft geschaffen werden, um das Problem zu lösen.
Die Sortieranlagen kosten mehrere Millionen Euro. Lässt sich durch Recycling denn so viel Geld verdienen?
Auch Wertstoffe unterliegen schwankenden Preisen. Mit einer hohen Reinheit der sortierten Stoffe lassen sich gute Erlöse erzielen. Unsere Kunden sind einerseits Privatfirmen wie Alba oder Remondis, aber auch kommunale Betriebe. In der Abfallwirtschaft ist es zudem üblich, Gebühren zu erheben, aber auch Zuschüsse zu gewähren. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass der Kreislauf funktioniert. Denn die Verbraucher sind sensibler geworden. Wo dies noch nicht der Fall ist, muss dringend das Bewusstsein geschaffen werden.