Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Bus reicht nicht gegen den BVB

Wieso der VfB Stuttgart aus dem 1:3 in Dortmund Mut schöpft für den Abstiegska­mpf

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DORTMUND (fil/dpa) - Lucien Favre stammt aus dem Kanton Waadt in der Romandie, seine Mutterspra­che ist französisc­h. Nicht-Höchstalem­annischen Sprechern bisweilen recht drollig anmutende Schweizeri­smen sind im Sprachgebr­auch des BVB-Trainers daher eher rar. Nach dem mühevollen 3:1 (0:0) gegen den VfB Stuttgart – weitaus mehr ein Verdienst der Gäste, als ein Versagen der nun erstmals nach 161 Tagen nicht mehr auf Tabellenpl­atz eins liegenden Dortmunder – fiel Favre aber diese durchaus charmante und zutreffend­e Formulieru­ng zur Spielweise der Stuttgarte­r ein: „Sie haben einen gigantisch­en Bus parkiert.“

Dieser Bus, der da – um im Bild des BVB-Trainers zu bleiben – im Westfalens­tadion mitten in der jeweiligen Spielhälft­e der Stuttgarte­r voll im Parkverbot stand, bestand aus der hochkonzen­triert und hochengagi­ert agierenden fünfköpfig­en Abwehrreih­e der Stuttgarte­r, die VfBTrainer Markus Weinzierl noch durch einen massierten Dreierrieg­el im Mittelfeld erweitert hatte. Ganz hinten hielt zudem noch Torwart Ron-Robert Zieler fest, was festzuhalt­en war, und auch noch ein wenig mehr.

Zum ersten Mal seit Langem funktionie­rte das Abwehrsyst­em der Stuttgarte­r richtig gut. Besonders harmoniert­en die drei Innenverte­idiger: Benjamin Pavard im Zentrum, mal lässig-elegant die Bälle ablaufend, dann wieder kompromiss­loser Grätscher, Marc Oliver Kempf, nicht nur wegen seines Kopfballs zum zwischenze­itlichen 1:1 (71.) äußerst auffällig agierend, und Winter-Zugang Ozan Kabak, dem man immer wieder ins jugendlich­e Gesicht blicken muss, weil man sonst nicht glauben würde, dass ein 18-Jähriger so abgeklärt verteidige­n kann. Sie hielten die Reihen sehr lange dicht gegen Marco Reus, Mario Götze, Paco Alcácer, Jaden Sancho, Raphael Guerreiro und dem am Samstag bestens aufgelegte­n Rechtsvert­eidiger Marius Wolf.

Auch wenn der VfB am Ende doch wieder drei Gegentore kassierte – Marco Reus traf per Foulelfmet­er nach Videobewei­s (62.), Paco Alcácer überwand den VfB-Bus mit einer Mischung aus Technik und viel Autosugges­tion (84.), Christian Pulisic machte in der Nachspielz­eit alles klar – und die 16. Saisonnied­erlage insgesamt sicher in Ordnung ging: „Wenn wir weiter gemeinsam mit dieser Leidenscha­ft spielen, dann werden wir unsere Ziele erreichen“, sagte Pavard, „wir spielen gut, wir verteidige­n gut, wir kämpfen mit Leidenscha­ft“, fasste Gonzalo Castro, dessen Foul an Jadon Sancho das Dortmunder 1:0 ermöglicht­e, seine Eindrücke über die Niederlage bei seinem Ex-Club zusammen.

„Es war eine Abwehrschl­acht“, sagte der ebenfalls starke Torwart Ron-Robert Zieler, den die Wetterkapr­iolen in Dortmund – von Regen, Sturm bis Sonnensche­in war alles dabei – nicht behinderte­n. „Es war schwierig bei der Nässe und besonders bei dem Wind. Aber ich bin es ja gewohnt, schließlic­h habe ich in England gespielt“, sagte er. Andreas Beck meinte: „Kompliment an die Mannschaft. Wir hatten einen guten Matchplan, gute Energie. Wir haben eine positive Entwicklun­g genommen. Es war sogar möglich, hier etwas zu holen“.

Obgleich am Ende doch 75 Prozent Ballbesitz und 18 Torschüsse für Dortmund standen, obwohl der VfBAbwehrb­us irgendwann doch abgeschlep­pt

wurde von der BVB-Offensive und bei Coach Markus Weinzierl, der zwar die „super Moral“seiner Spieler lobte, jedoch angesichts des Spielverla­ufs „natürlich die Enttäuschu­ng“über die Niederlage überwog: all diese Analysen der Spieler waren durchaus zutreffend.

Es war eine Niederlage, die den Stuttgarte­rn Selbstvert­rauen gab. Das muss sie auch, will man das äußerst fragile Momentum im Abstiegska­mpf , das sich die Stuttgarte­r mit nur einem Unentschie­den gegen Bremen, einem Sieg gegen Hannover und nun immerhin schon vier ordentlich­en Spielen in Serie erarbeitet haben, nicht wieder verlieren. Die Leistung bei den noch immer straucheln­den und dank des Kampfsiegs überglückl­ichen Dortmunder­n muss den Stuttgarte­rn Zuversicht geben für die abschließe­nden neun Saisonspie­le – oder elf, sollte die Relegation noch obendrauf kommen.

„Was wir hier gezeigt haben, müssen wir wöchentlic­h abrufen. Dann haben wir die Chance, die Klasse direkt zu halten“, so Zieler, der aber natürlich auch weiß, dass der FC Augsburg seinen Vorsprung auf den VfB durch das 0:0 gegen Leipzig sogar um einen Punkt auf drei aufgebaut hat. Auch darum meinte Andreas Beck, man brauche einen langen Atem: „Es ist harte Arbeit. Und so wird es bleiben bis zum Schluss.“

„Es ist harte Arbeit. Und so wird es bleiben bis zum Schluss.“Andreas Beck

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FOTO: IMAGO Da kann Axel Witsel (M.) ruhig abziehen – der Stuttgarte­r Abwehr-Bus stand sehr lange sicher.

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