Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kovac gegen Klopp
Das Duell zweier völlig unterschiedlicher Typen
MÜNCHEN - Es wird Tore geben diesmal, wenn Bayern und Liverpool erneut aufeinandertreffen – so viel ist sicher. Spätestens in einem möglichen Elfmeterschießen. Und für dieses hat Niko Kovac sich schon einen Ansporn bereitgelegt: „Elfmeterschießen kann man im Training nicht simulieren. Vielleicht müsste man (die Fehlschützen) fünfstellig zur Kasse bitten“, sagte der Trainer des FC Bayern München. Doch prophezeite er gestern Nachmittag: „Ein 0:0 wird es nicht.“Hatte der BayernTrainer allerdings auch vor dem Achtelfinal-Hinspiel bereits gesagt.
Wie beim torschussarmen 0:0 an der Anfield Road dürfte die Risikobereitschaft auch beim Rückspiel auf beiden Seiten minimal sein. Umschaltsituationen, in denen die Teams ihre Schnelligkeit ausspielen können, will man tunlichst verhindern. Die Fans erwartet wohl die zweite Ausgabe der Operation Rasenschach.
Die Frage lautet: Wer hat mehr zu verlieren? Der FC Liverpool als Finalteilnehmer 2018 oder der FC Bayern, der seit der Saison 2011/12 immer das Viertelfinale erreichte, seit dem Triumph 2013 aber trotz vier
HalbfinalTeilnahmen stets das Endspiel verpasste? Die Antwort: Beide. Ein Achtelfinal-Aus ist im Selbstverständnis der Clubs nicht vorgesehen.
Und die Trainer? Kovac hat etwas zu gewinnen, im eigenen Hause wie international: Respekt und Anerkennung – plus einen ruhigen Start in sein zweites Vertragsjahr, der angekündigten
Umbruch-Saison. Das zigfache Schulterklopfen nach einem Weiterkommen gegen Liverpool würde den nur 1,76 Meter großen Kovac wachsen lassen, der hoch aufgeschossene Klopp (1,91 Meter) hingegen würde durch die unzähligen Trostklapser wieder auf Nicht-Messias-Maß schrumpfen.
Der 51-Jährige muss liefern, frische Silberware in den Vitrinenschrank des FC Liverpool bringen. Auch am Ende seiner vierten Saison könnte er ohne Titel dastehen. Nach dem Aus im FA- und Liga-Cup bleibt die englische Meisterschaft, in der Rivale Manchester City gerade einen FünfPunkte-Rückstand in einen Zähler Vorsprung umdrehen konnte – und der Henkelpott.
Als Klopp 2015 vorgestellt wurde, versprach er kühn: „Wenn ich hier in vier Jahren sitze, dann, so denke ich, haben wir einen Titel gewonnen. Da bin ich mir ziemlich sicher.“Das hört der Fan gerne, erinnert sich jedoch daran, wenn nichts draus wird. Die Stimmung könne sich „schnell drehen“, sagt TV-Experte Didi Hamann, einst bei beiden Vereinen aktiv, „das Ding steht auf der Kippe“.
Der Ausflug nach München ist für Klopp wie ein Finale. Seine letzten sechs Endspiele hat er verloren. Drei mit dem BVB, das bitterste war das Champions-League-Finale 2013 – gegen Bayern, 1:2. Drei mit Liverpool, hier bildete das Endspiel der Königsklasse 2018, als Liverpool, besser gesagt Torhüter Loris Karius, mit 1:3 gegen Real Madrid verlor, den negativen Höhepunkt. Pech? Unvermögen? Ein Fluch? „Ich kenne meine FinalBilanz“, sagt Klopp. Sie habe ihn zwar „nicht zu einem unglücklicheren Menschen gemacht“, doch die Titel-Gier sei stetig gewachsen. Der Druck ebenfalls.
Kovac gewann zwei seiner drei bisherigen Finals. Mit Eintracht Frankfurt das PokalEndspiel als Underdog gegen die scheinbar übermächtigen Heynckes-Bayern und die Bundesliga-Relegation 2016 gegen Zweitligist 1. FC Nürnberg. „Ich verspüre keinen Druck. Angst und Druck kenne ich nicht. Anspannung ist immer da, das gehört zum Fußball dazu“, betont Kovac.
Klopp, der aus seiner Emotionalität Kraft zieht, sagte einst dem „Spiegel“: „Ich spüre nur den Druck, den man sich eben macht, wenn man ein Fußballspiel gewinnen will. Seit meinem fünften Lebensjahr ist das so.
„Seit meinem fünften Lebensjahr ist das so. Wenn ich mit dem Fahrrad zum Spiel gefahren bin, wollte ich unbedingt gewinnen.“Jürgen Klopp
„Ich verspüre keinen Druck. Angst und Druck kenne ich nicht. Anspannung ist immer da, das gehört zum Fußball dazu.“Niko Kovac
Wenn ich mit dem Fahrrad zum Spiel gefahren bin, wollte ich unbedingt gewinnen.“Er spüre stattdessen stets „die Chance“.
So auch jetzt. Man brauche am Mittwoch „eine außergewöhnliche Leistung“, so Klopp. Die Bayern seien „offenkundig in einer anderen Phase als vor dem Hinspiel, es ist ein deutlich besserer Zeitpunkt für sie“, sagte Klopp. Aber: „Wir sind stark genug, ihnen einen guten Kampf zu liefern.“Na dann: Auf geht’s!