Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Juwelierraub-Prozess: Zeugen können Angeklagten nicht zweifelsfrei identifizieren
DNA-Spuren und andere kriminaltechnische Ermittlungsmethoden deuten aber auf den Mann als Täter hin
RAVENSBURG - Eine Bande aus Litauen hat jahrelang Juweliergeschäfte in Deutschland, Frankreich und der Schweiz ausgeraubt. Immer nach dem gleichen Muster. Während ein Täter die Verkäufer mit einer Schusswaffe in Schach hielt, schlugen seine Komplizen blitzschnell Vitrinen ein und erbeuteten gezielt wertvolle Uhren, hauptsächlich von Rolex. Einer der mutmaßlichen Haupttäter muss sich derzeit vor dem Landgericht in Ravensburg verantworten. Der 38Jährige soll beim Raubüberfall in Ravensburg im April 2015 die Waffe auf zwei Goldschmiedinnen gerichtet und eine mit Pfefferspray verletzt haben.
Auch am zweiten Verhandlungstag versucht der Verteidiger, Gérald Eswein-Bilauskas, Zweifel daran zu säen, dass sein Mandant zu der Bande gehört und an dem Verbrechen beteiligt war. Dabei setzt er darauf, dass die Fähigkeit der Zeugen, den mutmaßlichen Täter wiederzuerkennen, nach beinahe vier Jahren nicht mehr besonders gut ist. Ein buschiger Vollbart lässt die Gesichtszüge des Angeklagten ohnehin nur schwer erkennen. Zudem reitet der Rechtsanwalt immer wieder darauf herum, dass alle Zeugen seinerzeit „stechend blaue“oder „knallblaue“Augen beschrieben hätten. Zwar wirkt der Blick des Angeklagten tatsächlich sehr durchdringend, strahlend blau sind die Augen jedoch nicht. Das meint auch eine Ärztin, die kurz nach der Tat zufällig am Juweliergeschäft vorbeiradelte und die Täter gesehen und sprechen gehört hat. Zweifelsfrei wiedererkennen kann sie ihn heute nicht mehr.
Ein anderer Zeuge, der kurz vor dem Überfall eine Zigarette vor seinem Geschäft rauchte und zwei der Täter gesehen hat, wie sie auffällig zum gegenüberliegenden Juwelier hinübergeschaut haben, meint hingegen, die Augen des Angeklagten würden schon auf seine damalige Beschreibung passen. „Für mich sind das auffällig blaue Augen.“Hundertprozentig sicher, dass es sich beim Angeklagten um den Täter von damals handelt, ist er aber ebenfalls nicht.
Was dem Verteidiger gar nicht zu behagen scheint, ist die Aussage einer Beamtin des Landeskriminalamtes, die anhand der Videoaufnahmen aus dem Juweliergeschäft mit einem speziellen Computerprogramm die
Größe des Täters bestimmt hat. Zwischen 1,747 und 1,767 Meter sei er groß (inklusive Schuhen und dem Baseballkäppi, das er bei der Tat anhatte). Da die Größe ganz offensichtlich exakt auf seinen Mandanten passt, versucht der Rechtsanwalt, die Wissenschaftlichkeit der Methode anzuzweifeln und meint, wegen der Schuhsohlen und der Kopfbedeckung müsste der Spielraum eher vier Zentimeter nach oben und unten betragen – und damit wäre diese Bestimmung seiner Meinung nach wertlos.
(Bart-)haare kann man wachsen lassen, die Augenfarbe durch Kontaktlinsen verändern: Was aber in der Beweisführung mit am schwersten wiegen dürfte, sind die DNASpuren, die an der zurückgelassenen Softairwaffe gefunden wurden und mit einer Wahrscheinlichkeit von neun Millionen zu eins auf den Angeklagten als Täter hindeuten. Auch weitere DNA-Spuren am Tatort stammen von dem 38-Jährigen, sodass wahrscheinlich ausgeschlossen werden kann, dass er die Waffe in Litauen nur einmal zufällig in der Hand hatte, aber nicht am Raub in Ravensburg beteiligt war.
Kein bisschen erhellend ist die Zeugenaussage eines mutmaßlichen Komplizen, der vom Landgericht Stuttgart wegen eines Raubüberfalles aus der gleichen Serie in Esslingen bereits zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Der Computerfachmann sagt aus, den Angeklagten nicht zu kennen. Im Übrigen sei er selbst völlig unschuldig in Haft. Während er aussagt, schaut ihn der Angeklagte konzentriert an – mit starren Augen.
Die letzten Zeugen im Prozess am Landgericht werden am Donnerstag, 14. März, vernommen. Beginn ist um 9 Uhr.