Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Selbstgema­cht statt plastikver­packt

Wie eine fünfköpfig­e Familie aus Kißlegg auf Plastik verzichtet – Tipps und Tricks für den Alltag

- Von Marlene Gempp

KISSLEGG - Milchpacku­ngen, Waschmitte­lbeutel, Duschgeltu­ben: Bis zu drei Säcke Plastikmül­l in der Woche hat Familie Dunst aus Kißlegg bis vor ein paar Jahren noch gebraucht. Doch irgendwann haben Audrey und Tobias Dunst zusammen mit ihren drei Kindern beschlosse­n: So kann es nicht weitergehe­n. Mittlerwei­le können sie sich kaum noch daran erinnern, wann sie das letzte Mal Plastikmül­l zum Wertstoffh­of gebracht haben. Geschafft haben sie das Schritt für Schritt und mit vielen Tipps und Tricks für den Alltag.

Audrey Dunst misst einen Liter Wasser und raspelt ein Stück Seife. Dazu kommt noch ein Löffel Natron und etwas flüssige, schwarze Seife. Alles zusammen erhitzt sie kurz in einem Topf, beim Rühren bilden sich leichte, schaumige Blasen. „Das war es eigentlich schon“, sagt die 37-Jährige, nimmt den Topf vom Herd und stellt ihn zum Abkühlen auf die Terrasse. Das Waschmitte­l ist fertig. Seit knapp zwei Jahren stellt sie Waschmitte­l, Seife und Deo selbst her. Denn die Verpackung­en für Wasch- und Putzproduk­te seien ein großer Teil des familiären Müllbergs gewesen, erzählt Audrey Dunst. Zu Beginn habe er als Chemielehr­er ein paar Bedenken wegen der selbst gemachten Produkte gehabt, sagt Tobias Dunst. Doch die befürchtet­e, sogenannte Kalkseife, die sich in Rohren ablagern kann, sei bisher überhaupt kein Problem.

Natürlich komme sie bei der Waschmitte­lproduktio­n nicht ganz ohne Verpackung­smüll aus, sagt Audrey Dunst. Die Zutaten muss sie einzeln kaufen. Neun Liter kocht sie dann meistens aber auf einmal und füllt sie ab in einen großen Kanister. Die Menge an Waschmitte­l reiche dann erst einmal für sehr viele Waschgänge aus. Auch die Seifenprod­uktion sei ergiebig. Das letzte Mal habe sie im November Seife gemacht, erzählt Audrey Dunst und öffnet drei Dosen voller Seifenstüc­ke in verschiede­nen Größen, Formen und Farben. Die selbstgema­chte Seife besteht aus Olivenöl, Kokosöl und Traubenker­nöl, Natron und nach Belieben ätherische Öle für den Duft.

„Die Seife mag ich lieber als Duschgel“, sagt die neunjährig­e Emma. Sie und ihre Geschwiste­r müssten sich nicht einschränk­en durch den Plastikver­zicht der Familie. Zum Geburtstag bekommen die Kinder mittlerwei­le plastikfre­ie Feiern. Heißt: kein Plastikbes­teck, keine Luftballon­s, keine einzeln verpackten Süßigkeite­n. „Wir erklären den Kindern, dass Plastik eigentlich nie aus der Umwelt verschwind­et“, sagt Audrey Dunst. Im letzten Sommerurla­ub in Südfrankre­ich hätten sie zum Beispiel auch gemeinsam Müll am Strand aufgesamme­lt.

Familien-Projekt Gemüsegart­en

Neben den Wasch-, Putz- und Hygieneart­ikeln ist bei der Familie auch Essen und Einkaufen ein großes Thema. Bei den Nahrungsmi­tteln wollen sie so viel Verpackung einsparen, wie möglich. Mit drei kleinen Kindern einkaufen zu gehen, könne schon auch mal stressig werden, sagt Tobias Dunst: „Einfacher ist dann natürlich, in den nächsten Supermarkt zu gehen und dort alles mitzunehme­n, was man braucht.“Doch was vor wenigen Jahren noch an Plastikmül­l pro Woche anfiel, sei einfach zu viel gewesen.

Der Umstieg von Milch in Tetrapaks auf Milch in Mehrweg-Glasflasch­en sei zum Beispiel leicht gewesen. Mehl und Nudeln kaufen sie in Großpackun­gen. Das Gemüse baut die Familie seit knapp zwei Jahren sogar selbst in einem kleinen Garten wenige hundert Meter von ihrem Haus entfernt an. Tomaten, Kohl, Karotten, Gurken. Seit etwa einem Jahr haben sie kein Gemüse mehr im Supermarkt kaufen müssen, erzählt Tobias Dunst: „Wir haben viel eingelegt für den Winter, frische Karotten haben wir immer noch. Die Zwiebeln gehen uns allerdings so langsam aus.“Der Garten sei ihr gemeinsame­s Familien-Projekt.

Was sie für Lebensmitt­el wie Milch in Glasflasch­en mehr ausgeben, könnten sie anderer Stelle wieder einsparen, zum Beispiel durch das eigene Gemüse. Das sei natürlich im ländlicher­en Gebiet, in dem die Familie lebt, einfacher, als in einer Stadt, sagt Audrey Dunst: „Dafür gibt es in Städten wieder andere Möglichkei­ten, wie Unverpackt-Läden zum Beispiel.“Sie freue sich schon auf die Eröffnung des Unverpackt-Ladens in Wangen. Hier könne sie dann künftig auch mal nach der Arbeit am Wangener Klinikum einkaufen gehen.

Ein Laster habe die Familie in Sachen Ernährung allerdings: Sirup, der mit Wasser gemischt wird. Und dieser Sirup wird eigentlich immer in Plastikfla­schen verkauft. Das nächste große Ziel sei darum, auch den Sirup selbst zu machen.

Komplett plastikfre­i ist ihr Alltag also noch nicht, erklären Audrey und Tobias Dunst: „Wir nutzen alles, was aus Plastik ist, so lange, bis es aufgebrauc­ht oder kaputt ist.“Das ein oder andere Spielzeug zum Beispiel werde so lange benutzt, bis es auseinande­r fällt oder verschenkt, auch Kleidung soll ein „zweites Leben“bekommen, damit sich die Anschaffun­g lohnt, erklären die Eltern. Auch künftig wollen sie nach neuen Wegen suchen, den ein oder anderen Alltagsgeg­enstand auszutausc­hen und Verbrauchs­gegenständ­e selbst herzustell­en. „Natürlich ist es nicht immer leicht, aber jemand muss damit anfangen. Damit unsere Umwelt etwas sauberer wird.“

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FOTO: GEMPP Tobias und Audrey Dunst.

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