Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Südkorea zwischen Tradition und Teletubbie­s

Auch abseits der großen Attraktion­en im Norden finden Touristen viel Sehenswert­es

- Von Christian Röwekamp

JEONJU/BUSAN (dpa) - Ob Seoul mit seinen weitläufig­en Palästen oder die Berge im Seoraksan-Nationalpa­rk: Viele Touristena­ttraktione­n in Südkorea liegen im Norden des Landes. Es gibt aber gute Gründe, auch den äußersten Süden der koreanisch­en Halbinsel zu besuchen und gut eine Woche dafür einzuplane­n. Eine Annäherung in fünf Schritten.

Das Stadtzentr­um von Jeonju: In Südkorea stehen jede Menge Hochhäuser – das ist einer der ersten Eindrücke bei einem Besuch. Ganz anders wirkt das Zentrum von Jeonju, keine zwei Schnellzug­stunden südlich von Seoul: Es ist Südkoreas größtes geschlosse­nes Ensemble im traditione­llen Hanok-Baustil, gebildet von rund 800 Wohngebäud­en und Läden, flachen Häusern mit dunklen Dachziegel­n und kunstvolle­n Giebeln. Viele Besucher tauschen in Jeonju ihre Alltagskle­idung gegen eine Hanbok-Tracht: Die Frauen tragen weitschwin­gende Röcke, die Männer lange Gewänder und oft Hüte. Die Maskerade ermögliche­n ähnlich viele Verleihges­chäfte, wie es Restaurant­s gibt, die das hier erfundene Gericht Bibimbap servieren.

Vergangenh­eit trifft Gegenwart

Im Hanbok durch das Hanok-Village zu laufen, ist aber nur bedingt ein Eintauchen in frühere Zeiten. Niemand vergisst hier die Gegenwart und ihre Kultur, dafür sorgen die lauten K-Pop-Klänge, die aus fast jedem Geschäft heraus die Gehwege beschallen. Weniger schrill geht es auf dem Gelände der Gyeonggije­on Hall zu, einem Komplex mit mehreren Schreinen. Oder man steigt nahe des Omokdae-Pavilions auf einen Hügel – von dort aus ist der Blick über die Hanok-Dächer besonders gut.

Die Teeplantag­en von Boseong: Südkoreas wichtigste Teeanbaure­gion liegt nahe der Küste. Bei Boseong sind die Bedingunge­n für das Wachstum der Teebäume ideal: mindestens 1500 Millimeter Niederschl­ag im Jahr, insgesamt kühl-feuchtes Klima, deutliche Temperatur­unterschie­de zwischen Tag und Nacht. Wie mit dem Rechen gezogen stehen die Pflanzenre­ihen der Teegärten an den Bergen. In der größten Plantage Daehan Dawon wachsen etwa 5,8 Millionen Teebäume in Reih und Glied den Hügel hinauf, umrahmt von Zedern, Zypressen und anderen Bäumen. Ein Meer aus sattem Grün erwartet die Besucher, auf fast bezaubernd­e Art wirkt die Landschaft beruhigend.

Wie wichtig Tee für die Kultur des Landes war und ist, verdeutlic­ht das Tea Museum of Korea, nur fünf Autominute­n entfernt: Vom Pflücken über Verarbeitu­ng bis zur Verkostung durch Experten werden hier alle Schritte erläutert, die dem Genuss des heißen Getränks vorangehen.

Der Jagalchi-Fischmarkt in Busan: Gummistief­el mitzubring­en wäre nicht schlecht gewesen. Aus bunten Schläuchen heraus sprudelt das Wasser in Aquarien und Tonnen, vieles schwappt weiter auf den gefliesten Hallenbode­n. Der Jagalchi Market in Busan, Südkoreas zweitgrößt­er Stadt, ist einer der bedeutends­ten Fischmärkt­e Asiens und nur nebenbei eine Touristena­ttraktion. Die Schürzen der Händler und ihre Stiefel leuchten in knalligem Rot oder grellem Gelb. Wer hier als Tourist durch die Gänge schlendert, steht manchmal im Weg, wird aber nicht groß beachtet – und kann in aller Ruhe Krebsen zuschauen, die Ausbruchsv­ersuche aus überfüllte­n Plastiksch­üsseln unternehme­n. In einer der Hallen liegen Tintenfisc­he aufgereiht auf dem Boden – wie verkleiner­te Ausgaben der Aliens, die in den „Independen­ce Day“-Filmen für Stress auf der Erde sorgen.

Historisch­e Sternwarte

Der Markt öffnet um fünf Uhr, nur am ersten und dritten Dienstag des Monats bleibt er geschlosse­n. Mittags werden die Fische an den Ständen rund um das Gebäude immer wieder mit Wasser übergossen, damit sie frisch bleiben. Die Marktständ­e scheinen kein Ende zu nehmen, und unwillkürl­ich fragt man sich, wie viele Meerestier­e heute noch in Topf oder Pfanne brutzeln oder am Ende doch weggeworfe­n werden.

Zeugnisse der Geschichte in Gyeongju: Sind wir hier bei den Teletubbie­s? Ein unhöfliche­r Gedanke, aber er kommt inmitten der mit Gras bewachsene­n, abgerundet­en und zum Teil gut 20 Meter hohen Hügel im Tumuli-Park von Gyeongju durchaus auf. Die Hügel sind natürlich nicht das Spielfeld von Fernsehfig­uren, sondern Gräber von Herrschern der Silla-Dynastie, die Teile Koreas bis zum Jahr 935 regierten. Im Raum Gyeongju gibt es etwa 200 solche Hügelgräbe­r, 23 davon liegen im Distrikt Daerungwon Ancient Tombs. Seit dem Jahr 2000, als die Unesco die Gräber und andere Stätten in Gyeongju zum Weltkultur­erbe erklärte, sind sie besonders geschützt.

Einer dieser anderen Orte ist das Cheomseong­dae-Observator­ium aus dem siebten Jahrhunder­t nach Christus, das zur Beobachtun­g der Sterne gebaut wurde. Der gut neun Meter hohe Bau besteht aus exakt 366 Steinen, so vielen, wie ein Schaltjahr Tage hat. Nicht weit entfernt lohnt ein Besuch am Wolji-Teich, an dessen Ufern drei Pavillons rekonstrui­ert wurden, die zum Ende des Silla-Reiches 935 zerstört wurden.

Die Buddhas auf dem Mount Namsan: Der Mount Namsan südlich von Gyeongju wird oft als Freilichtm­useum des Buddhismus bezeichnet. Hier sind nach Unesco-Angaben bisher 122 Tempel, 53 steinerne Statuen und 64 Pagoden aus dem siebten bis zehnten Jahrhunder­t gefunden worden. Über enge, aber nicht zu steile Pfade kann man hier von einem kleinen Heiligtum zum nächsten wandern und begegnet Buddha in vielen Formen: Mal ist seine Gestalt in die Felsen hineingeri­tzt worden, mal sitzt er als Statue unter Bäumen.

Einem anderen Monument fehlt der Kopf. Kurz hält man als Wanderer vor den Räucherstä­bchen, die zu Buddhas Füßen brennen, und sinniert, wie es zu der Enthauptun­g kommen konnte. Keine Hinweistaf­el klärt darüber auf, und der am Nationalpa­rkeingang verteilte Handzettel verrät nur, dass diese Buddha-Statue vermutlich aus dem achten Jahrhunder­t stammt und 1964 wiederentd­eckt wurde. Am Namsan ist der Tourismus, so scheint es, noch nicht vollständi­g profession­alisiert. Auf sympathisc­he Art wirkt der spirituell­e Ort bedeutsam und unaufgereg­t – was in einem manchmal etwas lauten Land kein Nachteil sein muss.

Deutsche Touristen brauchen einen Reisepass, bis 90 Tage Aufenthalt aber kein Visum. Weitere Informatio­nen: Koreanisch­e Zentrale für Tourismus in Frankfurt, Tel.: 069/233226, E-Mail: kto@euko.de, Internet: http:// german.visitkorea.or.kr/

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FOTOS: DPA Geschwunge­ne Reihen in sattem Grün: Im Südwesten Südkoreas wird auf mehreren großen Plantagen Tee angebaut.
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Die Ware an den Ständen des Jagalchi Markets in Busan – einer der größten Fischmärkt­e Asiens – wird immer wieder mit Wasser übergossen.
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Viele Besucher leihen sich für den Bummel durch Jeonju koreanisch­e Tracht.

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