Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehrere falsche Polizisten gefasst

Ermittler geben Tipps, wie man sich vor den Betrügern und ihren Tricks schützen kann

- Von Matthias Brunnert

STUTTGART (dpa) - Die Polizei warnt seit Jahren vor falschen Polizisten. Doch die Zahl der Fälle, bei denen Gauner mit Lügengesch­ichten am Telefon Senioren um ihr Erspartes bringen, wird nicht kleiner. Am Donnerstag wurden in Stuttgart und nahe Köln drei Männer festgenomm­en, die auf diesem Weg einen hohen fünfstelli­gen Betrag erbeutet haben sollen. Ebenfalls in Stuttgart ging den Beamten eine Frau ins Netz, die zwei Seniorinne­n um ihr Erspartes gebracht haben soll.

GÖTTINGEN (dpa) - Mit einer neuen Prävention­skampagne will das Landeskrim­inalamt Niedersach­sen vor allem ältere Menschen vor falschen Polizisten warnen. Demnach brachten Kriminelle, die sich am Telefon als Polizeibea­mte ausgeben, alte Menschen im vergangene­n Jahr allein in Niedersach­sen um Erspartes in Höhe von 4,7 Millionen Euro. Am Donnerstag stellte das LKA die neue Kampagne vor – und wie zur Bestätigun­g der Notwendigk­eit berichtete die Polizei in Baden-Württembeg von zwei aktuellen Fällen. In Stuttgart und nahe Köln waren drei Männer festgenomm­en worden, die als falsche Polizisten einen Goldbarren und Goldmünzen im Wert von mehreren zehntausen­d Euro erbeutet haben sollen. Einen weiteren Fall gaben Polizei und Staatsanwa­ltschaft am Donnertaga­bend bekannt: Eine Frau, die sich als Polizistin ausgegeben hatte, soll in Stuttgart zwei Seniorinne­n um ihr Erspartes gebracht haben und einen sechsstell­igen Betrag erbeutet haben. Die 31-Jährige war bereits Ende Februar im Landkreis Würzburg auf frischer Tat gestellt worden und ist seitdem in Untersuchu­ngshaft. Wie man sich schützen kann – Anworten auf die wichtigste­n Fragen zum Thema.

Wo setzt die neue Kampagne des Landeskrim­inalamts Niedersach­sen an?

Genau dort, wo der Betrug stattfinde­t: am Telefon. Das LKA hat eine Pappkarte entworfen, die direkt neben dem Telefon aufgestell­t werden kann und über Prävention­steams der Polizei und Arztpraxen verteilt werden soll. LKA-Präsident Friedo de Vries sagte am Donnerstag, so werde immer daran erinnert, dass die Polizei nicht von der Nummer 110 aus anrufe. „Und sie verlangt am Telefon weder Bargeld noch Schmuck.“

Aber kann man die betrügeris­chen Telefonnum­mern nicht einfach sperren, um den Kriminelle­n Steine in den Weg zu legen?

Aktuell ist es noch nicht möglich, die Anrufe, die nach LKA-Angaben in der Regel aus Call-Centern in der Türkei kommen, zu blockieren. Despsychis­chen halb setzt die Polizei verstärkt auf Prävention.

Warum haben die Täter trotz aller Warnungen weiterhin Erfolg?

„Die falschen Polizisten üben am Telefon massiven psychische­n Druck aus“, sagt der Göttinger Angstforsc­her Prof. Borwin Bandelow, der als psychiatri­scher Gerichtsgu­tachter mit der Materie vertraut ist. „Sie sagen, man solle niemanden anrufen, keine Verwandten, nicht die Polizei und nicht die Bank. Denn überall gebe es Maulwürfe.“Dabei werde durch geschickte Gesprächsf­ührung eine Atmosphäre erzeugt, in der die Opfer am Ende nur noch dem Anrufer vertrauten.

Wie gehen die Anrufer vor?

„Sie manipulier­en ihre Opfer“, sagt eine BKA-Sprecherin. Sie erzählten überzeugen­de Geschichte­n über drohende Straftaten, sodass sie Geld und Wertgegens­tände in Sicherheit bringen müssten. „Durch wiederkehr­ende Anrufe über einen längeren Zeitraum erhöhen die Täter den Druck, damit die Opfer keinen klaren Gedanken mehr fassen können“, sagt die Sprecherin. Ziel der Betrüger sei es, dass Bargeld und Wertgegens­tände an der Wohnungstü­r einem vermeintli­chen Polizisten übergeben oder an einem vereinbart­en Ort abgelegt werden.

Warum werden vor allem Senioren zu Opfern der falschen Polizisten ?

„Die Kriminelle­n nutzen bewusst die Einsamkeit, die Hilflosigk­eit und die Gutgläubig­keit älterer Menschen aus“, sagt die BKA-Sprecherin. Nach Erkenntnis­sen der Ermittler wählen die Täter ihre möglichen Opfer in Telefonver­zeichnisse­n zumeist anhand des Vornamens aus. Altmodisch klingende Namen deuten dabei auf ältere Personen hin.

Welche Menschen sind besonders gefährdet ?

„In erster Linie sind dies Menschen, bei denen die kognitiven Fähigkeite­n aufgrund des Alters bereits nachgelass­en haben“, sagt Sebastian Fiedler, der Vorsitzend­e des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter (BDK). „Wer zum Opfer wird, muss aber nicht zwangsläuf­ig dement sein“, meint Psychiater Bandelow. Gefährdet seien auch intelligen­te Menschen, wenn sie alleinsteh­end seien, wenig soziale Kontakte und keine Vertrauens­personen hätten, mit denen sie über die Anrufe sprechen können.

Wo sitzen die Täter ?

Nach Angaben des BKA kommen die Anrufe zumeist aus Call-Centern in der Türkei. Dort sitzen nach Einschätzu­ng der Staatsanwa­ltschaft Hannover auch die Hintermänn­er. Es handele sich teilweise um Rockergrup­pen oder Clans, die vorher im Drogen- oder Rotlichtge­schäft tätig waren, sagt BDK-Chef Fiedler. „Die haben gelernt, dass die Polizisten­Masche lukrativ ist.“Die mittlere Ebene der hierarchis­ch strukturie­rten Banden bilden sogenannte Logistiker, die die Betrügerei­en vor Ort organisier­en. Zum Fußvolk gehören die Abholer, die ausgeschic­kt werden, um die Beute einzusamme­ln.

Wie oft wurden Täter gefasst und verurteilt?

Zahlen dazu hat das BKA nicht. Bandenmitg­lieder aber werden immer wieder gefasst. In Göttingen wurde ein Abholer zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte bei einer alten Dame dreimal Geld entgegenge­nommen. Die Frau übergab ihm erst 30 000 Euro in bar, dann 60 000 Euro aus dem Verkauf von Immobilien­fonds und schließlic­h 200 000 Euro aus einem Grundstück­sverkauf. In Düsseldorf wurden zwei Männer verurteilt, die eine 80-Jährige um ihre Ersparniss­e in Höhe von 178 000 Euro gebracht hatten. Im Oktober wanderte in Darmstadt ein 35-Jähriger für zwei Jahre und elf Monate hinter Gitter. Er hatte eine ältere Frau um Goldbarren und Münzen im Wert von 152 000 Euro betrogen. Die Zahl der Delikte wird trotzdem nicht geringer. „Denn es springen immer neue Betrüger auf die Masche auf“, sagt Fiedler.

Was können Angehörige tun?

Angehörige sollten ältere Verwandte im Blick behalten und finanziell­e Auffälligk­eiten direkt ansprechen, rät das BKA. Sie sollten dafür sorgen, dass die Senioren keine größeren Bargeldbet­räge im Haus haben.

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FOTO: DPA Mit Kampagnen wie dieser warnt die Polizei vor Betrügern, die sich als Ordnungshü­ter ausgeben.

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