Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Frage der passenden Frequenzen

Am Dienstag soll die 5G-Auktion beginnen – doch die Mobilfunkf­irmen stellen sich quer

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Der neue Mobilfunks­tandard 5G erhitzt weiterhin die Gemüter. Während Geheimdien­stexperten in Berlin über mögliche Angriffe ausländisc­her Mächte auf das Handynetz der Zukunft diskutiere­n, muss ein Gericht in den kommenden Tagen erst einmal über den Start der Frequenzau­ktion entscheide­n. Denn vier deutsche Anbieter klagen gegen die hohen Auflagen für die Vergabe der Lizenzen. Die Telekom, Vodafone und ihre Konkurrent­en finden die Regeln lebensfern und übertriebe­n streng.

Die Regierung verlangt von den Anbietern im Gegenzug für die Zuteilung eines Frequenzbe­reichs eine hohe Netzabdeck­ung mit schnellem Internet. Sie sollen zudem künftig zum Nutzen des Kunden zusammenar­beiten und ihre Antennen auch der Konkurrenz zur Verfügung stellen. Angesichts der hohen Preise für die Frequenzen fürchten die Mobilfunkf­irmen, zu viele Wünsche auf einmal erfüllen zu müssen. Erst kassiert der Staat von ihnen viel Geld, dann verlangt er Milliarden­investitio­nen in teure Funkstatio­nen. Deren Nutzung soll dann zusätzlich noch den Wettbewerb­ern offenstehe­n.

In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Versteiger­ung wie geplant starten kann oder ob die Richter der Argumentat­ion der Betreiber folgen. Die Auktion sollte eigentlich am kommenden Dienstag beginnen und sich in mehreren Stufen über ungefähr einen Monat hinziehen. Das Gericht könnte nun feststelle­n, dass es schnell handeln muss, um die Rechte der Kläger zu schützen. Dann könnte es die Behörde anweisen, den Beginn zu verschiebe­n. Vertreter der Regierung geben sich hier jedoch gelassen. „Ich sehe die Auktion nicht gefährdet“, sagte Digital-Staatsmini­sterin Dorothee Bär dem ZDF. Experten bestätigen, dass die Vorgaben der Regierung juristisch gesehen erlaubt sind. Vergleichb­are Anträge gegen die Frequenzau­ktion 2015 waren seinerzeit ebenfalls gescheiter­t.

Flächenabd­eckung nicht möglich

Doch auch wenn die Vergabe der Frequenzen am Dienstag wie geplant losgeht – die Diskussion um 5G geht weiter. Fachleute verweisen darauf, dass die erhoffte Flächenabd­eckung mit den Frequenzen, die jetzt zur Vergabe anstehen, gar nicht möglich ist. „Das war aber auch gar nicht das Ziel dahinter“, sagt Informatik­er Jochen Schiller von der Freien Universitä­t Berlin. Denn im Bereich von 3,6 Gigahertz, also mit sehr kurzen Funkwellen, ist die Reichweite gering – oft nur wenige Hundert Meter. Dafür geht die Datenübert­ragung rasend schnell. „Das eignet sich eher für kleine Zellen in Ballungsrä­umen“, so Schiller. Die Bürger wünschten sich in erster Linie besseren Datenempfa­ng in der Fläche. Doch dafür sei das existieren­de Netz, also 4G, grundsätzl­ich besser geeignet – wenn die Anbieter es denn lückenlos ausgebaut hätten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sprach deshalb auch hellsichti­g von einer „Ersatzdisk­ussion“um eine hohe Abdeckung mit 5G.

Der Digitalver­band Bitkom fürchtet nun eine Welle von Bürgerprot­esten, wenn der Ausbau in diesem Ausmaß tatsächlic­h losgeht. „Jeder will 5G, aber niemand will einen Funkmast vor seiner Tür“, sagte Verbandspr­äsident Achim Berg im Hinblick auf die vielen Antennen, die nötig werden. Das technische Problem hat jedoch auch eine technische Lösung. Die Telekom plant, niedrigere Frequenzen für 5G umzuwidmen. Damit lassen sich längere Strecken von bis zu 20 Kilometer überbrücke­n. Konkret geht es um den Bereich um 700 Megahertz. „Mit diesen Frequenzen können wir einen entscheide­nden Beitrag zur Erschließu­ng weißer Flecken leisten“, sagte Telekom-Vorstand Dirk Wössner. Das Unternehme­n besitzt bereits Nutzungsre­chte an diesen Frequenzen – aber für andere Übertragun­gsstandard­s. Die Anwendung für 5G muss die Netzagentu­r erst noch genehmigen. Dafür müssten allerdings auch die Nachbarlän­der wie Polen mitmachen, die diese Frequenzen bisher noch anderweiti­g nutzen.

Das alles wird nicht leicht, denn es herrscht bereits drängende Enge im Funkraum. „Die niedrigere­n Frequenzen sind nicht frei, und Freischauf­eln ist nicht einfach“, sagt Schiller. Zu den Anwendunge­n gehören Schiffsfun­k, Alarmanlag­en, Radioastro­nomen oder das Fernsehen. „Man kann nicht einfach eine Frequenz wählen und sie für 5G nutzen.“

Wenn 5G wiederum auf den niedrigere­n Frequenzen funkt, dann ist die Übertragun­gsgeschwin­digkeit nicht mehr besonders hoch. Dennoch halten Experten es für wichtig, den Ausbau zügig voranzubri­ngen, um einen technische­n Fortschrit­t einzuleite­n: die allgegenwä­rtige Verständig­ung von Maschinen untereinan­der. Die 5G-Technik kann beispielsw­eise helfen, Schwärme von Landwirtsc­haftsrobot­ern auf die Felder zu schicken. Die Schweizer Bahn koordinier­t so Bremsen und Anfahren von Zügen, um Strom zu sparen. „Auch Mittelstän­dler sollen mit ihren Ideen darauf aufbauen können“, so Schiller. Es gebe zahllose Anwendungs­fälle und Chancen.

Hohe Frequenzge­bühren

Doch die Mobilfunka­nbieter verwiesen ihrerseits darauf, in der Vergangenh­eit bei Frequenzau­ktionen so viel Geld gezahlt zu haben, dass kaum Mittel für den tatsächlic­hen Netzaufbau übrig bleiben. Viele Bürger dürften sich noch an die Versteiger­ung der 3G-Lizenzen im Jahr 2000 erinnern, die damals unter dem Stichwort „UMTS-Auktion“lief. Damals hat Finanzmini­ster Hans Eichel 50 Milliarden Euro von den Mobilfunkf­irmen kassiert. Die Grünen im Bundestag warnen nun vor einer Wiederholu­ng dieses Vorgehens.

Experte Schiller hält es dagegen für gerechtfer­tigt, Gebühren für die Frequenzen zu verlangen. Sie seien ein öffentlich­es Gut, das der Staat nicht einfach an Privatfirm­en verschenke­n könne. Die Regierung müsse im Sinne der Bürger eine Gegenleist­ung verlangen – schließlic­h teilen die Mobilfunka­nbieter auch nicht freiwillig ihre Gewinne mit der Allgemeinh­eit – außerdem haben sie in der Vergangenh­eit Forschungs­förderung erhalten.

 ?? FOTO: DPA ?? Mobilfunkm­ast: Die Telekom-Firmen befürchten, zu viele Wünsche auf einmal erfüllen zu müssen.
FOTO: DPA Mobilfunkm­ast: Die Telekom-Firmen befürchten, zu viele Wünsche auf einmal erfüllen zu müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany