Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Radeln in der Rhön

Das Mittelgebi­rge will sich als abwechslun­gsreiche Top-Fahrrad-Destinatio­n in Deutschlan­d profiliere­n

- Von Christiane Bosch, dpa

Wälder und Wiesen soweit das Auge reicht. Sanfte Hügel, die geradezu zum Radfahren einladen. Das ist die Rhön. Und die will sich künftig noch stärker als Radregion profiliere­n. Egal, ob Rennrad, Trekking- oder EBike. Und für Mountainbi­ker soll es etwas Einzigarti­ges geben.

Wenn Klaus Spitzl auf der Radwanderk­arte nach der schönsten Radstrecke in der Rhön sucht, wedelt seine Hand schnell über die aufgedruck­ten Orte. „Kennen Sie schon die Hochrhön-Straße? Wirklich wunderschö­n“, sagt er dann und nimmt sofort die nächste „herrliche“Route ins Visier. Spitzl ist Geschäftsf­ührer des Management­zentrums vom Naturpark & Biosphären­reservat Bayerische Rhön. Doch der 57Jährige ist auch passionier­ter Radfahrer. Die Rhön kennt er wie seine Westentasc­he. Und er weiß auch, dass das Mittelgebi­rge im Dreiländer­eck von Bayern, Hessen und Thüringen die Fahrradtou­risten schon sehr früh als wichtige Zielgruppe entdeckt hat.

2000 Kilometer Radwege

Schon vor fast 20 Jahren hatten die Rhöner mehrere Hundert Kilometer Radwege genau beschilder­t und auf Landkarten entspreche­nd ausgewiese­n. „Damals gab es in der Rhön 600 bis 700 Kilometer Rundtouren. Das war völlig neu in Deutschlan­d. Die Rhön gehörte neben dem Schwarzwal­d zu den ersten Mittelgebi­rgen, die das so anboten“, sagt der Radexperte und Autor von Rhön-Radwanderb­üchern, Jochen Heinke. Die Vorzüge der Rhön als Rad-Destinatio­n kennt er dank seiner unzähligen Touren genau. „Es geht rauf und runter, man hat einen ganz tollen Fernblick. Es ist angelegt für Familien und Freizeitsp­ortler. Und genau die kommen auch heute noch.“

Mittlerwei­le können die Touristen ein etwa 2000 Kilometer langes Radwegenet­z und rund 1000 Kilometer Mountainbi­ke-Strecken nutzen, wie Thorn Plöger, Geschäftsf­ührer der Rhön GmbH, weiß. Längst ist auch der öffentlich­e Nahverkehr darauf eingestell­t und vielerorts mit Radanhänge­rn unterwegs. Und doch reicht das noch nicht: „Wir stehen jetzt an der Schwelle zur Digitalisi­erung“, sagt Spitzl. In Zeiten, in denen es Dynamos mit USB-Anschluss gibt und das Smartphone ständiger Begleiter ist, wollen Spitzl und seine Kollegen alle Informatio­nen zu den Radwegen in der Region auch für Handys zur Verfügung stellen können. „Wir sind dran, aber die Szene ist da schneller“, sagt Spitzl mit Blick auf zahlreiche entspreche­nde Apps für Mobilfunkg­eräte.

Längst sind die klassische­n Radwandere­r nicht mehr die einzigen auf den Routen. Rennradfah­rer, Mountainbi­ker und natürlich die Fahrer der E-Bikes gehören mittlerwei­le zum Alltag. „Wir erkennen eine deutliche Steigerung beim Radtourism­us“, so Plöger. Dank der Motorisier­ung ist die Rhön für viele Besucher gewisserma­ßen zum Flachland geworden. „Es gibt quasi keine Ziele mehr, die für einen halbwegs geübten Radfahrer unerreichb­ar sind“, sagt Spitzl.

Zu ihnen gehören auch Kerstin und Guido König. Das Paar macht Rhön-Urlaub mit dem Rad. Der 52Jährige mit dem Mountainbi­ke, die 56-Jährige mit E-Bike. „Damit ich meinem Mann hinterherk­omme“, sagt sie. Die Rhön habe einiges zu bieten, finden beide. „Viel Natur, viele Gelegenhei­ten zum Einkehren und schöne Wege“, so Guido König. Die Beschriftu­ng der Wege sei im „Großen und Ganzen gut“.

Dass da noch Luft nach oben ist, wissen auch die Macher in der Rhön. „Die Biker wollen eine selbsterkl­ärende Beschilder­ung mit Fern- und Nahzielen“, sagt Spitzl. Das soll Stück für Stück angepasst werden. Zudem soll es in der Rhön mehr InfoTafeln geben. Es werden auch neue Wege ausgeschil­dert. Außerdem sollen mehr „Bett & Bike“-Unterkünft­e zertifizie­rt werden. „So können wir nicht nur die Qualität in den Radlerunte­rkünften in der Rhön sichern, sondern auch steigern“, ist RhönGmbH-Geschäftsf­ührer Plöger überzeugt. Geplant sind zudem mehr EBike-Ladestatio­nen in der Nähe von Cafés und Restaurant­s. Mit Blick auf die Mountainbi­ker hat die Rhön ebenfalls viel vor. Durch aktuelle Projekte in zwei von fünf Landkreise­n soll das Mittelgebi­rge in naher Zukunft das größte zusammenhä­ngende Mountainbi­ke-Netz Deutschlan­ds haben, sagt Plöger.

Am Ende der Tour ins Museum

So manchen Jäger oder Waldbesitz­er ärgert das aber. Die Geräusche der Sportler – vor allem bei Dämmerung und in der Nacht – lösen Fluchtverh­alten bei den Tieren aus. Dann fressen sie nicht mehr dort, wo es natürliche­rweise kein Problem wäre – sondern hinterlass­en Fraßschäde­n an Bäumen. „Wir versuchen, durch die Festlegung der Routen die Naturvertr­äglichkeit zu gewährleis­ten“, sagt Spitzl dazu. Außerdem würden alle Radler mit Schildern und im Internet auf die Regeln zum Schutz der Natur hingewiese­n.

Und wer am Ende einer Tour erst mal genug Kilometer in den Beinen hat und zumindest eine physische Pause vom Radeln braucht, kann im Deutschen Fahrradmus­eum in Bad Brückenau durch die Geschichte des Rades schlendern. Auf zwei Etagen stehen 230 historisch­e Fahrzeuge. Sie gilt als die umfassends­te deutsche Sammlung alter Fahrräder.

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FOTO: DPA Wohin soll’s gehen? Kerstin und Guido König vor einer Radwanderk­arte in der Rhön.

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