Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Konsum und Besitz werden Jugendlich­en immer wichtiger

Jugendarbe­iter berichten über die Situation junger Menschen in Ravensburg

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RAVENSBURG (bua) - Konsum von illegalen und legalen Drogen, Fixierung auf Geld, Übersexual­isierung, Unzufriede­nheit: Diese Verhaltens­weisen junger Menschen registrier­en die, die ganz nah dran sind: die Verantwort­lichen der Ravensburg­er Jugendhäus­er.

Drei Einrichtun­gen der sogenannte­n offenen Jugendarbe­it gibt es in Ravensburg: die Jugendtref­fs in der Möttelinst­raße, am Schussenda­mm und in der Weststadt. Sie kooperiere­n eng mit Schulsozia­larbeitern und dem Ravensburg­er Streetwork­er. Ihre Aussage im jüngsten Bericht über die Jugendarbe­it: Der Beratungs- und Unterstütz­ungsbedarf „einzelner Kinder und Jugendlich­er“nimmt zu.

Die Tätigkeits­berichte der Jugendhäus­er sind nur ein Ausschnitt, keineswegs verallgeme­inernd zu betrachten auf die Situation junger Menschen in Ravensburg. Dennoch lenken sie den Blick auf ein schwierige­s Feld. Die Mitarbeite­r der Jugendtref­fs sind überlastet, weil die Probleme mit jungen Menschen eher zu- als abnehmen. Und das trotz vieler Projekte und gelungener Kooperatio­nen mit anderen Anbietern im Bereich der Jugendarbe­it.

Zwei Dinge lassen sich festhalten: Das Klientel des Jugendhaus­es Mitte in der Nordstadt speist sich zu einem überpropor­tional großen Teil aus jungen Flüchtling­en. Und: Vor allem Kinder und Jugendlich­e aus sozial schwachen Familien besuchen regelmäßig die Jugendtref­fs. Dadurch bekommen die dortigen Mitarbeite­r einen tiefen Einblick, welche Probleme viele junge Menschen im vermeintli­ch reichen Oberschwab­en haben. Perspektiv­losigkeit, problemati­sche Verhaltens­weisen, übermäßige­r Konsum von legalen und illegalen Rauschmitt­eln: So beschreibt ein Jugendhaus­leiter unter der Rubrik „Besondere Problemste­llungen beim Publikum“seine Herausford­erungen.

Von anderer Seite heißt es: „Beim Thema Alkohol gibt es eine grundsätzl­ich positive Tendenz, aber trotzdem weiterhin keine Entspannun­g.“Immerhin habe sich diesbezügl­ich die Situation bei Besuchern über 20 Jahren „normalisie­rt“.

Der übermäßige Konsum von Rauschmitt­eln wird in den jeweiligen Berichten zwar erwähnt und beklagt, scheint aber nicht das größte Thema zu sein für die Sozialarbe­iter. Erwähnt wird, dass es vonseiten der Elternhäus­er „keine oder eine kaum ausreichen­de altersgere­chte Medienerzi­ehung“gebe. Konkret: Gewaltund Sexfilmche­n werden auch unter Jüngeren über Smartphone­s verbreitet, bei Mädchen sei ein „oft zu frühes Sexualisie­ren des Verhaltens“festzustel­len, animiert offenbar durch entspreche­nde schlechte Vorbilder bei Instagram oder anderen sozialen Netzwerken.

Als problemati­sch bezeichnen die Verantwort­lichen darüber hinaus nicht nur deutliche Defizite in der Schulbildu­ng, sondern vor allem „die Fixierung auf Besitz und Konsum“. Dieser Aspekt habe „eine neue Qualität erreicht“. Im Klartext: Für viele Kinder und Jugendlich­e werde Besitz (Auto, Kleidung) mit der Wertigkeit eines Menschen gleichgese­tzt. Diese Fixierung führe gerade bei älteren Jugendlich­en zu Unzufriede­nheit: Sie haben zwar einen Ausbildung­splatz ergattert, können sich aber von ihrem Lehrgehalt nicht den Luxus leisten, der ihnen über soziale Netzwerke vorgegauke­lt wird, um dadurch – vermeintli­ch – wirklich etwas wert zu sein.

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