Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vom Streuner zum Stubentige­r

Tierschutz­verein Wangen erklärt, wie man Kätzchen an Menschen gewöhnt

- Von Claudia Bischofber­ger

ACHBERG/WANGEN - Fünf verwildert­e Katzenjung­en streunen auf dem Hof eines Achberger Landwirts herum. Vom Muttertier keine Spur. Was tun? Hilfesuche­nd hat er sich an den Tierschutz­verein in Wangen gewendet. Ein langer Weg für die Tierschütz­er und die kleinen Kätzchen begann. Carmen Müller, Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins, erklärt, wie die Streuner gerettet werden konnten – und wie man (verwildert­en) Katzen helfen kann.

November 2018: Ein Landwirt aus Achberg bittet den Tierschutz­verein Wangen um Hilfe. Im Sommer hätte sich ein Katze mit fünf Jungen auf seinem Hof niedergela­ssen. Er habe sie gefüttert, doch eines Tages verschwand die Mutter.

Die Kätzchen seien dagebliebe­n, doch hielten sie sich immer auf Abstand und suchten keinerlei menschlich­e Nähe. Als der Winter vor der Tür stand, beschloss der Tierschutz­verein, die Kätzchen einzufange­n und auf Pflegestel­len zu bringen.

Zunächst sollte der Bauer das Futter aber nur in noch nicht gespannte Lebendfall­en tun, erzählt Carmen Müller, Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins Wangen. So konnten sich die Tiere an die veränderte Situation gewöhnen. Schließlic­h wurde die Falle „scharf“gestellt – also bereit zum Zuschnappe­n. Zunächst konnten drei der Kätzchen eingefange­n werden. Die anderen beiden ließen sich für einige Tage nicht mehr blicken. „Es dauerte schließlic­h zwei Wochen, bis wir auch die anderen hatten“, erklärt Carmen Müller. Der anschließe­nde Besuch beim Tierarzt sei ein Kraftakt gewesen. Mit viel Widerstand hätten sich die Kätzchen untersuche­n und gegen Parasiten behandeln lassen. Da derart scheue Kätzchen in einem normal eingericht­eten Zimmer zu viele Versteckmö­glichkeite­n haben, verfügte Müller über einen Welpenausl­auf. Hier hätte sie freien Zugang zu den Tieren und es gäbe nichts zum Unterschlü­pfen. Dennoch seien die ersten Tage schier hoffnungsl­os gewesen. „Sie haben gefaucht, gespuckt und nach mir geschlagen“, erinnert sich Müller. Bis heute sehe man noch die Narben des tierischen Widerstand­s.

Mit der Einsicht, dass hier nichts übers Knie gebrochen werden kann, hatte sie sich schließlic­h einfach zu den Mietzen ins Zimmer gesetzt und geredet. Wenn sie außer Haus war und zur Arbeit, hätte ein Radio für die menschlich­e Stimme gesorgt. Ein von ihr getragenes T-Shirt kam zur Geruchsgew­öhnung in den Auslauf.

Nach fünf Tagen sei es ihr möglich gewesen, die Hand in den Auslauf zu stecken. Zwar hätten sich alle in eine Ecke gekauert, ließen es aber ohne Gegenwehr über sich ergehen. Belohnt wurde stets mit einem Leckerli. Nach dieser „Lektion“folgten dann willkürlic­he Berührunge­n. „Das war ihnen schlichtwe­g unheimlich. Sie haben die Ohren angelegt und die kleinen Herzchen klopften wie wild“, erzählt Müller. Schließlic­h gelang es ihr eines Tages, die Kätzchen mit leichtem Druck auf dem Schoß zu halten. Inzwischen seien die kleinen Tiger zu Schmusekät­zchen geworden. Man könne kaum glauben, was für ein Weg hinter den Tieren liegt, erzählt Müller. Zwar seien sie Fremden gegenüber immer noch etwas skeptisch, fassen aber schnell Vertrauen. Nun hätten sie die Chance, ein gutes Zuhause zu bekommen. Zwei Paare – je zwei Mädchen und zwei Jungen – mögen sich besonders gerne und müssen zusammen bleiben.

„Verwildert­e Katzen tauchen immer wieder an verschiede­n Orten auf“, weiß die Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins zu berichten. Es gebe keinen Brennpunkt. Ohne eine Kastration ließe sich das Problem nur schwer in den Griff bekommen. Daher plädiert der Tierschutz­verein Wangen für eine Kastration­spflicht in den Gemeinden. Insgesamt seien gerade sechs Katzen auf den Pflegestel­len. Dabei war es ein Glück, dass für die scheuen Kätzchen gerade eine Stelle frei war. Daher sucht der Verein händeringe­nd nach tierlieben Menschen, die immer wieder mal vorübergeh­end Katzen aufnehmen können.

Wer die Kätzchen kennenlern­en möchte, die jetzt ein Zuhause suchen, kann sich melden unter der Mailadress­e tierschutz-wangen@web.de oder Telefon 0159 / 05074138

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FOTO: CARMEN MÜLLER Die einst scheuen Kätzchen von einem Hof in Achberg sind nun dank dem Tierschutz­verein Wangen zu zahmen Stubentige­rn geworden und suchen ihr zu Hause auf Lebenszeit.

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