Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vom Streuner zum Stubentiger
Tierschutzverein Wangen erklärt, wie man Kätzchen an Menschen gewöhnt
ACHBERG/WANGEN - Fünf verwilderte Katzenjungen streunen auf dem Hof eines Achberger Landwirts herum. Vom Muttertier keine Spur. Was tun? Hilfesuchend hat er sich an den Tierschutzverein in Wangen gewendet. Ein langer Weg für die Tierschützer und die kleinen Kätzchen begann. Carmen Müller, Vorsitzende des Tierschutzvereins, erklärt, wie die Streuner gerettet werden konnten – und wie man (verwilderten) Katzen helfen kann.
November 2018: Ein Landwirt aus Achberg bittet den Tierschutzverein Wangen um Hilfe. Im Sommer hätte sich ein Katze mit fünf Jungen auf seinem Hof niedergelassen. Er habe sie gefüttert, doch eines Tages verschwand die Mutter.
Die Kätzchen seien dageblieben, doch hielten sie sich immer auf Abstand und suchten keinerlei menschliche Nähe. Als der Winter vor der Tür stand, beschloss der Tierschutzverein, die Kätzchen einzufangen und auf Pflegestellen zu bringen.
Zunächst sollte der Bauer das Futter aber nur in noch nicht gespannte Lebendfallen tun, erzählt Carmen Müller, Vorsitzende des Tierschutzvereins Wangen. So konnten sich die Tiere an die veränderte Situation gewöhnen. Schließlich wurde die Falle „scharf“gestellt – also bereit zum Zuschnappen. Zunächst konnten drei der Kätzchen eingefangen werden. Die anderen beiden ließen sich für einige Tage nicht mehr blicken. „Es dauerte schließlich zwei Wochen, bis wir auch die anderen hatten“, erklärt Carmen Müller. Der anschließende Besuch beim Tierarzt sei ein Kraftakt gewesen. Mit viel Widerstand hätten sich die Kätzchen untersuchen und gegen Parasiten behandeln lassen. Da derart scheue Kätzchen in einem normal eingerichteten Zimmer zu viele Versteckmöglichkeiten haben, verfügte Müller über einen Welpenauslauf. Hier hätte sie freien Zugang zu den Tieren und es gäbe nichts zum Unterschlüpfen. Dennoch seien die ersten Tage schier hoffnungslos gewesen. „Sie haben gefaucht, gespuckt und nach mir geschlagen“, erinnert sich Müller. Bis heute sehe man noch die Narben des tierischen Widerstands.
Mit der Einsicht, dass hier nichts übers Knie gebrochen werden kann, hatte sie sich schließlich einfach zu den Mietzen ins Zimmer gesetzt und geredet. Wenn sie außer Haus war und zur Arbeit, hätte ein Radio für die menschliche Stimme gesorgt. Ein von ihr getragenes T-Shirt kam zur Geruchsgewöhnung in den Auslauf.
Nach fünf Tagen sei es ihr möglich gewesen, die Hand in den Auslauf zu stecken. Zwar hätten sich alle in eine Ecke gekauert, ließen es aber ohne Gegenwehr über sich ergehen. Belohnt wurde stets mit einem Leckerli. Nach dieser „Lektion“folgten dann willkürliche Berührungen. „Das war ihnen schlichtweg unheimlich. Sie haben die Ohren angelegt und die kleinen Herzchen klopften wie wild“, erzählt Müller. Schließlich gelang es ihr eines Tages, die Kätzchen mit leichtem Druck auf dem Schoß zu halten. Inzwischen seien die kleinen Tiger zu Schmusekätzchen geworden. Man könne kaum glauben, was für ein Weg hinter den Tieren liegt, erzählt Müller. Zwar seien sie Fremden gegenüber immer noch etwas skeptisch, fassen aber schnell Vertrauen. Nun hätten sie die Chance, ein gutes Zuhause zu bekommen. Zwei Paare – je zwei Mädchen und zwei Jungen – mögen sich besonders gerne und müssen zusammen bleiben.
„Verwilderte Katzen tauchen immer wieder an verschieden Orten auf“, weiß die Vorsitzende des Tierschutzvereins zu berichten. Es gebe keinen Brennpunkt. Ohne eine Kastration ließe sich das Problem nur schwer in den Griff bekommen. Daher plädiert der Tierschutzverein Wangen für eine Kastrationspflicht in den Gemeinden. Insgesamt seien gerade sechs Katzen auf den Pflegestellen. Dabei war es ein Glück, dass für die scheuen Kätzchen gerade eine Stelle frei war. Daher sucht der Verein händeringend nach tierlieben Menschen, die immer wieder mal vorübergehend Katzen aufnehmen können.
Wer die Kätzchen kennenlernen möchte, die jetzt ein Zuhause suchen, kann sich melden unter der Mailadresse tierschutz-wangen@web.de oder Telefon 0159 / 05074138