Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Attacken mit Messern
Justizminister Wolf fordert höhere Strafen für die Täter
STUTTGART (tja) - Die Zahl der Gewalttaten, die mit einem Messer verübt werden, steigt. Das zeigen Zahlen aus Baden-Württemberg. Bayerns Behörden bestätigen den Trend. So wurden 2013 nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums 1417 Gewalttaten mit einem Messer begangen. 2017 waren es 1810 Gewaltdelikte, ein Plus von knapp 28 Prozent. Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen nahm um 38 Prozent zu. Der Anteil der Asylbewerber unter den Verdächtigen stieg im selben Zeitraum von etwa neun auf knapp 29 Prozent.
Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) fordert nun höhere Strafen: „Die Gewaltkriminalität unter Einsatz von Messern hat zuletzt ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Hier ist der Rechtsstaat gefragt, auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzusteuern.“Sein grüner Regierungspartner hält nichts davon.
STUTTGART - Biberach, Ravensburg, Mengen und Friedrichshafen: Seit Beginn 2019 attackierten dort Täter ihre Opfer mit Messern. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg beklagte zuletzt eine Zunahme solcher Delikte. Ihre Zahl wächst überall im Land und auch in Bayern. SüdwestJustizminister Guido Wolf (CDU) fordert, die Strafen für solche Taten zu erhöhen. Der grüne Koalitionspartner hält wenig davon.
Wie viele Messerattacken gab es?
Im Jahr 2013 zählte das Innenministerium Baden-Württemberg 1400 Gewalttaten mit Messern. Dazu zählen zum Beispiel Körperverletzungen, Raub oder Vergewaltigung. 88mal begingen die Täter sogar einen Totschlag. Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2017. Im Vergleich zu 2013 nahmen die mit einem Messer verübten Gewalttaten um fast ein Drittel zu. Dabei erreichten die Zahlen ihren Höchststand bereits 2016, 2017 sanken sie im Vergleich dazu leicht – liegen aber wie dargestellt noch immer deutlich über dem Stand von 2013. Anders als Baden-Württemberg erfasst Bayern solche Delikte noch nicht gesondert. Ein Sprecher des Münchener Innenministeriums sagte am Freitag: „Auch im Freistaat steigt die Zahl der Delikte, die mit Messern begangen werden, seit Jahren. Das sehen wir an unseren Lageberichten.“
Gibt es Gruppen, die häufiger beteiligt sind als andere?
Dazu will sich Bayern nicht äußern, es fehle die Datengrundlage. Der Freistaat wird die mit Messern begangenen Delikte künftig in seinen Statistiken erfassen, das kann aber noch bis zu drei Jahren dauern. Alle anderen Bundesländer handeln ebenso. Darauf hatten sich die zuständigen Minister Ende 2018 geeinigt. In Baden-Württemberg liegen die Daten bereits seit Jahren vor. 2013 stellte sich die Lage so dar: Es gab 1400 Verdächtige, die eine Gewalttat mit einem Messer begangen haben sollen. Davon waren laut Innenministerium 124 Asylbewerber. Vier Jahre später waren von 1782 Verdächtigen 512 Asylbewerber. Damit stieg ihr Anteil an den Verdächtigen von knapp neun auf knapp 29 Prozent.
Was droht Tätern heute?
Das kommt natürlich auf die Tat an. Baden-Württembergs Justizminister Wolf sieht bei Körperverletzungen Handlungsbedarf. Das Strafgesetz unterscheidet zwischen gefährlicher und schwerer Körperverletzung. Letztere wird härter bestraft, und zwar mit Haft zwischen einem und zehn Jahren. Das Strafmaß orientiert sich an den Folgen, etwa an der Schwere der zugefügten Verletzungen. Wer heute jemanden mit einem Messer sehr schwer verletzt, muss also mindestens ein Jahr ins Gefängnis. Anders bei der gefährlichen Körperverletzung: Das sind Taten, die unter bestimmten Voraussetzungen begangen werden – etwa aus Hinterlist. Darauf stehen sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis.
Was fordert Justizminister Wolf ?
Er will, dass auch auf gefährliche Körperverletzungen mindestens ein Jahr Haft steht. Selbst wer jemanden nur leicht verletzt, käme mindestens zwölf Monate ins Gefängnis. „Die besondere Gefahr, die von Messerangriffen ausgeht, macht eine entschiedene Antwort erforderlich. Wir brauchen hier zeitnah eine Strafverschärfung“, sagte Wolf der „Schwäbischen Zeitung“. Diese müsse abschreckende Wirkung haben, die Zahl der Delikte sei „erschreckend“.
Was halten die Grünen davon?
Nichts. „Die hohe Zahl der Messerangriffe ist alarmierend und wir sehen Handlungsbedarf. Eine Strafverschärfung bei Körperverletzungen mit Messern bringt uns aber nicht weiter“, so der innenpolitische Sprecher Hans-Ulrich Sckerl. Solche Attacken könnten bereits mit ausreichend hohen Freiheitsstrafen geahndet werden. Entscheidender sei, das Tragen von Messern konsequenter zu ahnden – es sei schließlich verboten. Der Vorsitzende des Richtervereins im Land, Wulf Schindler, sagte am Freitag, es sei grundsätzlich Aufgabe der Politik, Strafzumessungen festzulegen. „Generell halten wir es aber für besser, bestehende, ohnehin recht weite Strafrahmen auszunutzen und mehr Personal in Ermittlung und Aburteilung zu investieren“, so der Richter.
Wie geht es weiter?
Derzeit erarbeitet das Justizministerium Vorschläge, wie man Wolfs Vorstoß umsetzen kann. Wolf hat bereits mit seinen Länderkollegen darüber gesprochen und nach eigenen Angaben viel Zustimmung geerntet. Auch dem Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat man den Vorschlag unterbreitet. Kretschmann hatte seine Minister um Ideen gebeten, wie man ausländische Intensivtäter besser in den Griff bekommt. Darüber wollen die Ministerpräsidenten der Länder am 21. März beraten.