Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tausende Bauern bangen ums Geld

Land darf Mehrkosten durch Ackerbau in Wasserschu­tzgebieten nicht mehr fördern

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Ein Schlag für Tausende Bauern im Südwesten: Bisher bekommen Landwirte, deren Felder in Wasserschu­tzgebieten liegen, Geld vom Land. Sie haben mehr Aufwand, um das Wasser vor unerwünsch­ten Stoffen wie Nitrat zu schützen. Dafür bekommen sie Ausgleichs­zahlungen. Diese könnten laut Landwirtsc­haftsminis­terium nun wegfallen. Erste Einbußen gibt es bereits dieses Jahr. „Es wird einen Aufschrei geben unter den Landwirten und das kann ich verstehen“, sagt Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU).

Seit Jahrzehnte­n bemüht sich Baden-Württember­g darum, die Nitratbela­stung im Grundwasse­r zu reduzieren – mit Erfolg. Maximal 50 Milligramm Nitrat darf in einem Liter Wasser sein: So hat es die damalige Europäisch­e Gemeinscha­ft in ihrer Trinkwasse­rrichtlini­e 1980 festgeschr­ieben. Das hatte viele Bundesländ­er vor Probleme gestellt – auch Baden-Württember­g. Um gegenzuste­uern, hat das Land 1988 die sogenannte Schutzgebi­ets- und Ausgleichs­verordnung erschaffen, kurz: Schalvo. Sie ist bundesweit einmalig.

„Das war eine sehr wichtige Entwicklun­g“, sagt Gerhard Glaser, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Biberach-Sigmaringe­n. „Man hat die Betriebe mit der Schalvo an die Hand genommen“– nicht nur finanziell, sondern durch Beratung. Laut Agrarminis­terium sind dadurch die belasteten Gebiete von ursprüngli­ch 30 Prozent auf aktuell neun Prozent zurückgega­ngen. Zu den Gebieten, in denen die Werte noch nicht stimmen, gehören die südlichen Bereiche der Landkreise Sigmaringe­n und Biberach. Zum Vergleich: In Bayern seien nach wie vor 30 Prozent der Wasserschu­tzgebiete über das Maß belastet, in den norddeutsc­hen Bundesländ­ern sei der Wert sogar doppelt so hoch, heißt es im Agrarminis­terium. „Wir büßen für die Fehler anderer Länder“, sagt Hauk.

Hauk nimmt EU in Schutz

Die EU-Kommission hatte gegen Deutschlan­d geklagt. Die Ansicht der Gesetzeshü­ter: Der Bund hat zu wenig getan, um das Grundwasse­r vor Nitrat zu schützen. Das hat auch der Europäisch­e Gerichtsho­f vergangene­s Jahr bestätigt. „Das nun aber der EU anzulasten ist grottenfal­sch“, sagt Hauk. Dennoch: Die Konsequenz­en müssen nun die SüdwestBau­ern tragen.

Bisher bekommen sie 165 Euro pauschal pro Hektar Acker, der im Wasserschu­tzgebiet liegt. Pro Jahr zahlt das Land dafür insgesamt 18 bis 19 Millionen Euro. Das geht wohl nicht mehr, denn die Maßnahmen zum Schutz des Wasser sind inzwischen auf Bundeseben­e gesetzlich geregelt. „Was gesetzlich vorgeschri­eben ist, kann nicht mehr entschädig­t werden“, erklärt Hauk.

Für das Jahr 2018 suchen Land und EU-Kommission nach Kompromiss­en. Einer sei bereits gefunden, deshalb hat Hauk angekündig­t: In sogenannte­n Problemgeb­ieten, in denen der Nitratwert zwischen 35 und 50 Milligramm pro Liter liegt, erhalten die Bauern demnächst einen Abschlag von 100 Euro. Zu den Sanierungs­gebieten, in denen der Nitratwert höher ist als 50 Milligramm, gibt es keine Einigung – die Zahlungen sind ausgesetzt. „Die Landwirte erhalten weniger Geld, vor allem dort, wo es Probleme gibt – selbst wenn sie nichts dafür können. In Sanierungs­gebieten geht gar nichts mehr und das ärgert mich“, so Hauk.

Wie wichtig die Schalvo fürs Land ist, betont auch ein Sprecher von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). „Die Schalvo hat sich bewährt.“Dennoch sei klar, dass deutsche Regelungen europarech­tskonform sein müssten. „Darauf muss die Bundesregi­erung jetzt möglichst schnell reagieren.“

100 000 Hektar betroffen

Von den 1,4 Millionen Hektar landwirtsc­haftlicher Fläche im Südwesten sind es 100 000 Hektar, für die zuletzt Schalvo-Gelder geflossen sind. Eigentlich steht aktuell bis Ende Mai die nächste Antragspha­se an. Das Agrarminis­terium hat das Programm zunächst ausgesetzt. Die Landwirte müssen nun weiter alle Bestimmung­en einhalten – haben weniger Erträge, oder höhere Kosten durch mehr Aufwand. Kompensier­t wird dies nun zunächst nicht mehr.

„Wenn man jetzt den Bauern sagt, ,guck, wo du bleibst’, wird das im Wettbewerb für sie ein Nachteil sein“, sagt Glaser vom Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n. Viele Landwirte hätten nur wenige Flächen in Wasserschu­tzgebieten. „Für manche kann das aber auch eine Relevanz bekommen“, sagt er. „Das kann ein weiterer Genickschl­ag sein für einzelne Bauern, die dann sagen: Dann mach ich meine Tore zu.“Glaser pocht darauf, dass es wenigstens eine Übergangsl­ösung gibt.

Auch Hauks Ministeriu­m spricht von Vertrauens­schutz. Schließlic­h urteilte der Europäisch­e Gerichtsho­f im Juni vergangene­n Jahres – nachdem die Landwirte ihre Anträge auf Schalvo-Leistungen gestellt hatten.

Biolandbau als Alternativ­e

Christian Eichert, Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft Ökologisch­er Landbau, blickt besorgt auf die wegfallend­en Gelder. „Das ist eine Streichung relevanter Zahlungen zum Gewässersc­hutz. Das kann nicht im gesellscha­ftlichen Sinn sein.“Er plädiert dafür, dass das Land Maßnahmen in Problemgeb­ieten finanziert, die eine Umstellung von konvention­eller auf ökologisch­e Landwirtsc­haft fördern.

Das diene dem Gewässersc­hutz, betont auch der Nabu-Landesvors­itzende Johannes Enssle. „Die Zahlungen waren uns ein Dorn im Auge“, sagt er. „Da wurde für etwas gezahlt, das gesetzlich verordnet ist.“

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FOTO: DPA Gülleausbr­ingung: Um die Nitratbela­stung in Wasserschu­tzgebieten zu begrenzen, haben Landwirte im Südwesten Ausgleichs­zahlungen erhalten. Diese sollen nun wegfallen.

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