Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Linse hatte im September 2018 Liquiditätsprobleme
Zahlen bei Mitglieder-Jahreshauptversammlung offengelegt – Rechnungsprüfer sollen Probleme aufdecken
WEINGARTEN – Bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Linse e. V. am vergangenen Sonntag sind endlich die Zahlen aus 2018 vorgestellt worden. Die gute Nachricht: Die Linse lebt. Und sie wird 40. Die schlechte: Im Herbst vergangenen Jahres war die Linse zeitweise nicht liquide. Und: Hier haben sich beileibe nicht alle lieb – auch wenn man gern den Anschein erweckt.
Mit einem Jahresumsatz von knapp einer Million Euro habe die Linse nach wie vor eine Buchhaltungsführung „wie bei einem Kaninchenzüchterverein“, erstatteten die Kassenprüfer Rudolf Dorn und Dietmar Blaut Bericht. Die Buchhaltung sei ordnungsgemäß geführt, das konnten Diplomkaufmann Dorn und Betriebswirt und Bilanzbuchhalter Blaut vermelden. Für „eine bessere betriebswirtschaftliche Steuerung“solle die Linse jedoch auf eine echte doppelte Buchhaltung umsteigen. Darüber hinaus hatten sich die beiden gewählten Kassenprüfer entschieden, auch die Abläufe in der Linse zu kontrollieren. Und dort habe man „Handlungsfelder gefunden“, sagte Rudolf Dorn, der das Wort „Probleme“vermeiden wollte. Die Reserven seien aufgebraucht, aktuell müssen 20000 Euro aufgeholt werden. „Und für diese Verluste haften wir alle 801 Mitglieder“, ließ Dorn wissen. Die Rechnungsprüfer stellten das Ergebnis verknappt in Zahlen wie folgt dar: Einnahmen in Höhe von 840 000 Euro (davon 301 000 Euro aus der Gastronomie, 238 000 Euro aus dem Bereich Kino und rund 122 000 Euro aus Zuschüssen und Spenden) stehen alleine schon im Bereich Personalkosten Ausgaben in Höhe von mehr als 407 000 Euro gegenüber. Künstlerhonorare und Fremdleistungen mit jeweils 40 000 Euro sind auf der Ausgabenseite noch die geringsten Aufwendungen. Für die künftige Haushaltslage mahnte Dorn daher sowohl „ein Kostenbewusstsein“an als auch die Dinge anzugehen – ohne die Linse zu kommerzialisieren.
Für einen Schockmoment sorgte die Mitteilung von Linse-Vorstand Joachim Kunstmann, die Kreissparkasse habe im letzten Herbst kurzfristig den Kontokorrent-Kreditrahmen der Linse gekündigt, worauf im September die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden konnten. Für einen Saisonbetrieb wie die Linse sei es nicht ungewöhnlich, immer mal wieder einen Kreditrahmen in Anspruch nehmen zu müssen, erklärte Kunstmann. „Im Sommer 2018 waren wir mit 22 000 Euro im Minus“, so Kunstmann. Die Sparkasse jedoch habe die übergangsweise benötigten 18 000 Euro nicht freigegeben. Mit der Begründung, für die Geschäftsführer liege keine Kreditvollmacht vor.
Um künftig solche finanziellen Engpässe zu entschärfen, stimmten die anwesenden 76 Mitglieder über eine entsprechende Satzungsänderung ab, die nun besagt, dass über eine Kreditfinanzierung von bis zu drei Prozent des Umsatzes der Vorstand entscheiden kann. Dieser Vorschlag wurde mit zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen angenommen. Den Vorschlag eines Vereinsmitgliedes, einen Engpass zu überbrücken, „indem die Mitglieder mit jeweils 30 oder 40 Euro zusammen legen“wurde zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter diskutiert.
Ohne weitere Diskussion entschieden die Mitglieder über die nächsten Kassenprüfer, die künftig als Rechnungsprüfer firmieren. Rudolf Dorn und Dietmar Blaut konnten „als Glücksfall“für das Amt der neuen Kassenprüfer gewonnen werden und wurden einstimmig für die nächsten zwei Jahre bestätigt. Weit mehr Diskussionsbedarf sahen die Mitglieder bei der Vorstellung der Abteilung Kino, die Linse-Geschäftsführer Uli Hartmann vornahm. Zwar konnte er zum Vorjahresvergleich zehn Prozent mehr und insgesamt 36000 Kinobesucher vermelden – und das bei einem „kinofeindlichen Jahr 2018“. Einigen Mitgliedern stieß jedoch die Programmauswahl auf. „Hohe Qualität ist was anderes“monierte eine Frau, der die „thematischen Zusammenhänge“im aktuellen Kinoprogramm fehlten.
Ganz augenscheinlich läuft es hinter den Kulissen der Linse gar nicht so reibungslos, wie es nach außen den Anschein hat. Dies bestätigte indirekt auch Markus Zink, der seit Oktober 2018 für die Live-Veranstaltungen verantwortlich zeichnet. Er sprach von einem „merkwürdigen Netz“innerhalb der Linse, davon, dass seine halbe Stelle bei der Linse nicht budgetiert ist und sich sein Programm selbst tragen muss. Kleine Preziosen wie der neue Literatursonntag seien nur deshalb halbwegs wirtschaftlich, „weil Jutta Klawuhn oder Bernd Wenger das für 100 Euro machen“– und Menschen wie der Haus- und Hof-Ton-Techniker Jens Göldner grundsätzlich keine Stundensatz berechne.