Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Linse hatte im September 2018 Liquidität­sprobleme

Zahlen bei Mitglieder-Jahreshaup­tversammlu­ng offengeleg­t – Rechnungsp­rüfer sollen Probleme aufdecken

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN – Bei der diesjährig­en Jahreshaup­tversammlu­ng der Linse e. V. am vergangene­n Sonntag sind endlich die Zahlen aus 2018 vorgestell­t worden. Die gute Nachricht: Die Linse lebt. Und sie wird 40. Die schlechte: Im Herbst vergangene­n Jahres war die Linse zeitweise nicht liquide. Und: Hier haben sich beileibe nicht alle lieb – auch wenn man gern den Anschein erweckt.

Mit einem Jahresumsa­tz von knapp einer Million Euro habe die Linse nach wie vor eine Buchhaltun­gsführung „wie bei einem Kaninchenz­üchtervere­in“, erstattete­n die Kassenprüf­er Rudolf Dorn und Dietmar Blaut Bericht. Die Buchhaltun­g sei ordnungsge­mäß geführt, das konnten Diplomkauf­mann Dorn und Betriebswi­rt und Bilanzbuch­halter Blaut vermelden. Für „eine bessere betriebswi­rtschaftli­che Steuerung“solle die Linse jedoch auf eine echte doppelte Buchhaltun­g umsteigen. Darüber hinaus hatten sich die beiden gewählten Kassenprüf­er entschiede­n, auch die Abläufe in der Linse zu kontrollie­ren. Und dort habe man „Handlungsf­elder gefunden“, sagte Rudolf Dorn, der das Wort „Probleme“vermeiden wollte. Die Reserven seien aufgebrauc­ht, aktuell müssen 20000 Euro aufgeholt werden. „Und für diese Verluste haften wir alle 801 Mitglieder“, ließ Dorn wissen. Die Rechnungsp­rüfer stellten das Ergebnis verknappt in Zahlen wie folgt dar: Einnahmen in Höhe von 840 000 Euro (davon 301 000 Euro aus der Gastronomi­e, 238 000 Euro aus dem Bereich Kino und rund 122 000 Euro aus Zuschüssen und Spenden) stehen alleine schon im Bereich Personalko­sten Ausgaben in Höhe von mehr als 407 000 Euro gegenüber. Künstlerho­norare und Fremdleist­ungen mit jeweils 40 000 Euro sind auf der Ausgabense­ite noch die geringsten Aufwendung­en. Für die künftige Haushaltsl­age mahnte Dorn daher sowohl „ein Kostenbewu­sstsein“an als auch die Dinge anzugehen – ohne die Linse zu kommerzial­isieren.

Für einen Schockmome­nt sorgte die Mitteilung von Linse-Vorstand Joachim Kunstmann, die Kreisspark­asse habe im letzten Herbst kurzfristi­g den Kontokorre­nt-Kreditrahm­en der Linse gekündigt, worauf im September die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden konnten. Für einen Saisonbetr­ieb wie die Linse sei es nicht ungewöhnli­ch, immer mal wieder einen Kreditrahm­en in Anspruch nehmen zu müssen, erklärte Kunstmann. „Im Sommer 2018 waren wir mit 22 000 Euro im Minus“, so Kunstmann. Die Sparkasse jedoch habe die übergangsw­eise benötigten 18 000 Euro nicht freigegebe­n. Mit der Begründung, für die Geschäftsf­ührer liege keine Kreditvoll­macht vor.

Um künftig solche finanziell­en Engpässe zu entschärfe­n, stimmten die anwesenden 76 Mitglieder über eine entspreche­nde Satzungsän­derung ab, die nun besagt, dass über eine Kreditfina­nzierung von bis zu drei Prozent des Umsatzes der Vorstand entscheide­n kann. Dieser Vorschlag wurde mit zwei Gegenstimm­en und fünf Enthaltung­en angenommen. Den Vorschlag eines Vereinsmit­gliedes, einen Engpass zu überbrücke­n, „indem die Mitglieder mit jeweils 30 oder 40 Euro zusammen legen“wurde zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter diskutiert.

Ohne weitere Diskussion entschiede­n die Mitglieder über die nächsten Kassenprüf­er, die künftig als Rechnungsp­rüfer firmieren. Rudolf Dorn und Dietmar Blaut konnten „als Glücksfall“für das Amt der neuen Kassenprüf­er gewonnen werden und wurden einstimmig für die nächsten zwei Jahre bestätigt. Weit mehr Diskussion­sbedarf sahen die Mitglieder bei der Vorstellun­g der Abteilung Kino, die Linse-Geschäftsf­ührer Uli Hartmann vornahm. Zwar konnte er zum Vorjahresv­ergleich zehn Prozent mehr und insgesamt 36000 Kinobesuch­er vermelden – und das bei einem „kinofeindl­ichen Jahr 2018“. Einigen Mitglieder­n stieß jedoch die Programmau­swahl auf. „Hohe Qualität ist was anderes“monierte eine Frau, der die „thematisch­en Zusammenhä­nge“im aktuellen Kinoprogra­mm fehlten.

Ganz augenschei­nlich läuft es hinter den Kulissen der Linse gar nicht so reibungslo­s, wie es nach außen den Anschein hat. Dies bestätigte indirekt auch Markus Zink, der seit Oktober 2018 für die Live-Veranstalt­ungen verantwort­lich zeichnet. Er sprach von einem „merkwürdig­en Netz“innerhalb der Linse, davon, dass seine halbe Stelle bei der Linse nicht budgetiert ist und sich sein Programm selbst tragen muss. Kleine Preziosen wie der neue Literaturs­onntag seien nur deshalb halbwegs wirtschaft­lich, „weil Jutta Klawuhn oder Bernd Wenger das für 100 Euro machen“– und Menschen wie der Haus- und Hof-Ton-Techniker Jens Göldner grundsätzl­ich keine Stundensat­z berechne.

 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ?? Markus Zink (Leiter Live-Kultur), Klaus Scharfenbe­rg (Geschäftsf­ührer Finanzen), Joachim Kunstmann und Helmut Riester als Vorstände des Linse-Vereins sowie Uli Hartmann (Geschäftsf­ührer Kino) mussten sich teilweise unbequeme Fragen gefallen lassen.
FOTO: BARBARA SOHLER Markus Zink (Leiter Live-Kultur), Klaus Scharfenbe­rg (Geschäftsf­ührer Finanzen), Joachim Kunstmann und Helmut Riester als Vorstände des Linse-Vereins sowie Uli Hartmann (Geschäftsf­ührer Kino) mussten sich teilweise unbequeme Fragen gefallen lassen.

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