Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wirte wollen Wasser nicht verschenke­n

Vorstoß der EU für kostenlose­s Trinkwasse­r stößt bei Ravensburg­er Restaurant­besitzern auf Ablehnung

- Von Lena Müssigmann

Die EU fordert den kostenlose­n Ausschank. Ravensburg­er Wirte lehen das ab.

RAVENSBURG - Die Europäer sollen mehr Wasser aus dem Hahn und weniger aus Plastikfla­schen trinken – dieses Ziel verfolgt die EU-Kommission. Ein Schritt auf dem Weg dahin, soll sein, dass Restaurant­s ihren Gästen kostenlose­s Leitungswa­sser anbieten. Nun müssen Parlament und EU-Staaten noch eine Einigung finden, bevor Änderungen in Kraft treten könnten. Was sagen die Ravensburg­er Gastronome­n dazu? Und wie gehen sie im Moment mit der Frage nach einem Glas Leitungswa­sser um?

Andreas Reck, Betreiber des Riva in Ravensburg, sagt: „Wer bei uns nach Leitungswa­sser fragt, bekommt es umsonst.“Die Karaffe Wasser auf dem Tisch zur Regel zu machen, sei aber schwierig. „Ich bin gerne ein freundlich­er Gastgeber“, sagt Reck. Im Riva gebe es kostenlos Knabbereie­n zu den Drinks. Aber gerade an den Getränken müsse er sein Geld verdienen. Und da sei es erst mal schwer vorstellba­r, das Produkt mit der größten Gewinnspan­ne herzuschen­ken. „Es ist ja für uns nicht kostenlos, Wasser aus dem Hahn zu lassen“, sagt er. Schließlic­h müsse er dafür jemanden bezahlen, versichern, außerdem zum Beispiel Arbeitskle­idung, einen Umkleidera­um, Seife und Desinfekti­onsmittel zur Verfügung stellen. Anderersei­ts, so seine Überlegung, könnte ein kostenlose­s Wasserange­bot einige Leute ermutigen, öfter auszugehen, wenn schon etwas inklusive ist.

In südlichen Ländern zahlt man „Gedeck“

Ulrich Schmalz, dem unter anderem der „Engel“am Marienplat­z gehört, argumentie­rt ähnlich: „Der Wareneinsa­tz bei Leitungswa­sser ist für den Gastronome­n verschwind­end gering, das ist richtig.“Ein Gast bezahle im Restaurant aber primär für die Dienstleis­tung – und die falle eben auch beim Ausschenke­n von Leitungswa­sser an. Dennoch: Im „Engel“wird Gästen auf Wunsch auch ein Glas Leitungswa­sser serviert – kostenlos. In manchen südlichen Ländern steht die Karaffe Wasser immer auf dem Tisch – ließe sich das nicht auch hier machen? Schmalz sagt, dass es in vielen dieser Länder üblich sei, eine Servicegeb­ühr oder ein „Gedeck“zu berechnen. „Dann ist die Karaffe Wasser auch bezahlt.“Wenn er nicht als Gastronom spricht, kommt Schmalz indes zu einer anderen Einschätzu­ng: „Wenn man bedenkt, dass in den meisten europäisch­en Ländern die Bevölkerun­g kaum Zugang zu sauberem Trinkwasse­r hat, ist der Vorstoß der EU natürlich dringend erforderli­ch.“

Wer nur Leitungswa­sser bestellt, zahlt

Stefan Schulze, der die Brasserie „La Cocotte“in Ravensburg betreibt, sagt: „Man sollte jeden Gastronome­n individuel­l entscheide­n lassen.“Zu Wein und Kaffee werde bei ihm ohnehin Wasser serviert. „Als Zusatz ist das völlig in Ordnung.“Aber wenn eine Geburtstag­sgesellsch­aft statt Mineralwas­serflasche­n künftig kostenlos Leitungswa­sser in Karaffen auf den Tisch gestellt bekomme, gehe ihm wichtiger Umsatz verloren. Möglicherw­eise würde vielen Leuten das Leitungswa­sser sogar ausreichen, sodass sie auch weniger sonstige Getränke bestellen, befürchtet Schulze. Wer derzeit ein Glas Leitungswa­sser haben möchte, bekommt es in seinem Restaurant für 50 Cent.

Die Geschäftsf­ührerin im Café Stippe am Gespinstma­rkt, Monika Marschall, lehnt den Vorstoß der EU-Kommission ab. Wenn sie Wasser verschenke, schleiche sich eine gewisse Haltung beim Gast ein, befürchtet sie. „Dann bringt der nächste wahrschein­lich seinen eigenen Kuchen mit.“Wenn jemand nach einem zusätzlich­en Glas Leitungswa­sser frage, bekomme er das im „Stippe“kostenlos. Wenn jemand aber Leitungswa­sser als einziges Getränk zum Essen bestellt, werde ein Euro dafür verlangt.

Wirtin setzt auf Offenheit gegenüber Gästen

„Das ist ein weiterer Eingriff in die Freiheit, sein Geschäft zu gestalten“, sagt Ottilie Reck-Strehle von der Kuppelnau-Wirtschaft. Wenn eine Gruppe Wasser auf dem Tisch habe wolle, biete sie ihr stilles Mineralwas­ser an. Sie versuche im Zweifel ihre Preisgesta­ltung zu erklären, damit der Gast auch ihre Perspektiv­e nachvollzi­ehen kann und sie nicht für kleinlich halte. Sie erzählt von einer Versammlun­g in ihrer Gaststätte, bei der nur wenig getrunken wurde – ein Paar habe sich sogar ein Bier geteilt. Sie habe darauf den Veranstalt­er gebeten, sich fürs nächste Mal eine andere Lokalität zu suchen. Grundsätzl­ich sagt sie: „Soll man sich doch im Wohnzimmer treffen, wenn man nur Wasser trinkt.“

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FOTO: OLIVER BERG/ DPA

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