Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Strobl legt gegen Scholz nach
Innenminister kritisiert Pläne zu Flüchtlingskosten
SIGMARINGEN (dan) - Der badenwürttembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat seine Kritik an den Plänen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erneuert. Dieser hatte angekündigt, die Zahlungen des Bundes für Flüchtlingskosten kürzen zu wollen. „Integration findet immer vor Ort statt. Deswegen dürfen wir die Landkreise und Kommunen bei dieser Aufgabe nicht alleine lassen“, sagte Strobl am Mittwoch der „Schwäbischen Zeitung“ bei einem Termin in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Sigmaringen. Strobl habe „kein Verständnis“, wenn man Kommunen und Landkreise „bei der Finanzierung im Regen stehen lassen würde“, sagte er bei der Eröffnung einer neuen Polizeiwache in der LEA, die die Sicherheit vor Ort erhöhen soll. Insgesamt ist die Zahl bestimmter Delikte laut Strobl in der Stadt rückläufig, nachdem die Kriminalität in den vergangenen Jahren gestiegen war.
SIGMARINGEN - Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist beim Vor-Ort-Termin in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Sigmaringen. Eröffnet wird an diesem sonnigen Mittwochnachmittag eine neue Polizeidienststelle. Neben sogenannten „Bodycams“für ihre Beamten hat er auch gute Nachrichten für die Stadt dabei: Sigmaringen ist sicherer geworden. Zwar würden die genauen Zahlen erst bei der Präsentation der polizeilichen Kriminalstatistik in einigen Tagen offenbart. Eines könne er aber jetzt schon sagen: „Die Anzahl der Gewalt- und Diebstahldelikte in Sigmaringen ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gesunken“, sagt der Innenminister. Und: „Die Aufklärungsquote liegt zehn Prozent über dem Landesdurchschnitt.“
Mit seinen Zahlen wird Strobl in einigen Tagen damit das belegen, was für die 17 000 Bewohner der Stadt auf der schwäbischen Alb bislang nur ein Gefühl ist. Vor einigen Monaten ist bundesweit noch viel Schlechtes geredet und geschrieben worden über die Hohenzollernstadt. Seit der Eröffnung der LEA in der ehemaligen Graf-Stauffenberg-Kaserne im Jahr 2015 ist die Zahl der Diebstähle, Körperverletzungen, Pöbeleien oder Drogendelikte gestiegen. Ladenbesitzer klagten, Bürger fürchteten sich. Grund dafür war auch eine kleine Gruppe von Asylbewerbern, die wiederholt auffällig geworden ist.
Restriktive Politik
Im Frühjahr 2018 hatten sich die Stadt und das Land Baden-Württemberg daher auf eine neue Null-Toleranz-Politik geeinigt. Seitdem gibt es mehr Polizeipräsenz in der Stadt und Videoüberwachung auf dem LEAGelände. Auch kleine Delikte wie Beleidigungen werden verfolgt und geahndet. Diese Maßnahmen haben nun etwas mehr Ruhe in die Stadt an der Donau gebracht. Die neue Polizeiwache auf dem LEA-Gelände ist Teil des Konzepts und soll die Sicherheit für die Bewohner und auch die Stadt weiter erhöhen. Für 300 000 Euro wurde die ehemalige Telefonzentrale der Bundeswehr umgebaut. Zwei Beamte des Polizeipräsidiums Konstanz besetzen die Wache von Montag bis Freitag.
Dort gibt es eine Arrestzelle, ein Dienstzimmer – und einen Raum mit sogenannter „Körperschutzausstattung“, den schweren Panzeranzügen, wie Hundertschaften der Polizei ihn tragen. „Damit können wir auch auf bestimmte Einsatzlagen reagieren“, wie Markus Sauter, Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, erklärt. Sprich: Für Ausschreitungen und Angriffe auf Beamte ist man gewappnet. Diese hat es in Sigmaringen – anders als beispielsweise in der Lea Ellwangen – bislang nicht gegeben.
So weit soll es nach dem Willen des Innenministers Strobl auch erst gar nicht kommen. Zum einen hätten Polizisten eine „beruhigende Wirkung“auf Menschen, wie Klaus Tappeser, Regierungspräsident des Regierungspräsidiums Tübingen, das die Lea in Sigmaringen betreibt, sagt.
Zum anderen sollen die Bodycams laut Innenminister Strobl die Hemmschwelle für Übergriffe auf Polizisten und Einsatzkräfte erhöhen. Diese können sie bei Bedarf einschalten und mögliche Attacken dokumentieren. „Die Bodycams haben eine deeskalierende Wirkung“, sagt der CDU-Politiker. Im Sommer sollen sie landesweit für alle Beamten kommen. Die beiden Exemplare, die nun in der Lea in Sigmaringen im Einsatz sind, sind mit die ersten.
Kritik an Scholz’ Plänen
Die wiedergekehrte Ruhe in Sigmaringen ist, so ist sich LEA-Leiter Andreas Binder sicher, auch Verdienst eines Integrationskonzepts. „Die Menschen können hier Deutsch lernen, bekommen Beschäftigungsmöglichkeiten und können sich am Tagesablauf integrieren“, sagt er.
Für viele aber steht die Zukunft dieses Erfolgs auf dem Spiel. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte (SPD) angekündigt, die Gelder für die Integration und die Unterbringung von Flüchtlingen zu kürzen. Landes- und Bundespolitiker übten Kritik an dem Sozialdemokraten – so auch Strobl. „Wir haben eine gigantische Integrationsaufgabe zu bewältigen“, sagt er. „Diese Aufgabe können wir nur miteinander schaffen. Das heißt, der Bund, die Länder und die Kommunen müssen eine große gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen.“Integration finde immer vor Ort statt, in Kommunen wie Sigmaringen. „Wir dürfen sie und die Landkreise bei dieser Aufgabe nicht alleine lassen“, so Strobl weiter.
Am heutigen Donnerstag kommen die Ministerpräsidenten der Länder zu einem Treffen zusammen, bei dem dieses Thema Schwerpunkt werden dürfte. Mit welcher Haltung der baden-württembergische Landeschef in die Gespräche gehen werde? „Ich gehe davon aus, dass wir in dieser Frage keine unterschiedliche Auffassung haben“, so Strobl.