Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verurteilter
Vor wenigen Tagen kam Radovan Karadzic noch einmal zu zweifelhaften Ehren: Brenton T., der Attentäter von Neuseeland, hatte sich die islamfeindliche Propaganda des ex- bosnischen Serbenführers zum Leitbild genommen. Die Hassballade „ Beseitigt den Kebab“, die Karadzics Verbrechen an Muslimen im Bosnienkrieg 1992- 95 huldigt, habe ihn inspiriert, so der bekennende Rechtsextremist T.
Im Zerfallsprozess Jugoslawiens zettelte der frühere bosnische Serbenführer Karadzic im Namen eines ethnisch reinen „ Großserbiens“einen Krieg an, in dem rund 100 000 Menschen getötet wurden. 2016 verurteilte ihn das UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in erster Instanz wegen schwerer Kriegsverbrechen in zehn von elf Punkten – darunter Völkermord ( Massaker von Srebrenica) Mord, Exekutionen, Folter und gewaltsame Vertreibung – zu 40 Jahren Gefängnis. Sowohl Karadzic als auch die Anklage fochten das Urteil an.
Am Donnerstag fällte das UN- Berufungsgericht in Den Haag das letztgültige Urteil: Karadzic, der alle Vorwürfe bestreitet, nur „ das serbische Volk verteidigt“haben will und daher erneut einen Freispruch erwartet hatte, muss nun lebenslänglich ins Gefängnis. Altersmäßig fällt die Strafverschärfung kaum ins Gewicht, der 73- Jährige wird so oder so bis ans Lebensende in Haft bleiben. Wohl aber bewertet die Letztinstanz die Kriegsverbrechen schärfer, deren Ausmaß sei von „ beispielloser Grausamkeit", sagte der Vorsitzende Richter Vagn Prusse Joensen.
Der Prozess startete vor zehn Jahren, mehr als 500 Zeugen wurden gehört. Karadzic, gebürtiger Montenegriner und Ex- Psychiater mit Hang zum Dichten, wurde 2007 in einer Plattenbausiedlung in Belgrad aufgespürt, wo er 13 Jahre lang völlig unbehelligt mit neuer Identität lebte – als Wunderheiler namens Dr. Dragan Babic mit Zopffrisur und wucherndem Bart. Rudolf Gruber