Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auf schmaler Spur durch die Stadt
Weil Experten den endgültigen Verkehrskollaps in den Städten befürchten, entsteht mit den Mikromobilen eine neue Fahrzeuggattung für die sogenannte letzte Meile
GENF (dpa) - Sie rollen an der Nahtstelle zwischen Auto und Fahr- oder Motorrad: Elektrische Roller und Schmalspur-Kleinwagen sollen uns auch auf der Kurzstrecke das Laufen ersparen und individuellen Nahverkehr ermöglichen. Weil die Städte immer größer werden und der Verkehr immer dichter, sorgen sich die Hersteller zunehmend um die Zukunft des Autos und entwickeln Alternativen, mit denen man auch dann noch mobil bleibt, wenn nicht mehr jedem Verkehrsteilnehmer acht oder zehn Quadratmeter für sein Fahrzeug zur Verfügung stehen.
Mikromobilität heißt das Stichwort, und wenn nur die Hälfte der im März auf dem Genfer Autosalon gezeigten Studien in Serie geht, spült dieser Trend bald eine ganze Reihe ungewöhnlicher Fahrzeuge in unsere Städte. Das buchstäblich bunteste zeigt Citroën: Ami One Concept heißt der 2,50 Meter lange und 1,50 Meter schmale Zweisitzer, der dem Hersteller zufolge als Alternative zu Bus und Bahn und zum Motorroller entwickelt wurde. Elektrisch angetrieben mit Akkus für einen Aktionsradius von 100 Kilometern, ist er bis zu 45 km/ h schnell.
Er könnte je nach Land und Gesetzgebung schon ab 16 Jahren gefahren werden, braucht deutlich weniger Platz als ein konventioneller Wagen, ist aber sicherer als ein Roller und fährt anders als der Bus wann und wohin es der Nutzer will, umreißen die Franzosen die Vorteile.
Nach dem gleichen Prinzip hat Seat den Minimo gestaltet, der mit seinen freistehenden Rädern sogar nur 1,20 Meter breit ist. Auch er folgt dem Ideal der Schmalspurmobilität und will Fahrspuren und Parkplätze effizienter nutzen. Und damit man für ihn nicht überall neue Ladesäulen braucht, kann man den Akku wie bei einem E-Bike ausbauen und daheim an der Steckdose laden, teilt Seat mit.
Einsatz im Carsharing
Dritter im Bunde der neuen Kleinstwagen aus Genf ist Sven, den Share2Drive aus Aachen entwickelt hat. Wo Seat und Citroën in die Länge bauen, geht das „Shared Vehicle Electric Native“in die Breite und erinnert so an einen etwas aus dem Leim gegangenen Smart. Doch das Wachstum zahlt sich aus: Mit einer Länge von 2,50 Metern kann Sven noch immer quer parken und bietet auf der durchgehenden Bank hinter den großen Schiebetüren Platz für drei Insassen und bis zu 580 Liter Gepäck. Auch Sven fährt elektrisch, sprintet mit seinem 24 kW/33 PS starken Heckmotor auf bis zu 120 km/h und kommt mit einer Ladung der 20 kWh-Akkus in der Theorie 140 Kilometer weit. So ganz neu sind diese Ideen nicht. Schließlich gibt es den Smart als ultrakompakten Zweisitzer schon seit 20 Jahren. Und wie man auf schmaler Spur und ohne Abgase mit der Sicherheit von vier Rädern durch die Stadt kommt, beweist nicht zuletzt der Renault Twizy seit 2011.
Doch Konzepte wie Ami One, Minimo oder Sven machen sich die zunehmende Konnektivität zunutze und denken deshalb einen Schritt weiter: Sie alle sind prädestiniert für den Einsatz in Carsharing-Flotten, werden über Apps minuten- oder tageweise gebucht, haben deshalb nicht einen, sondern viele Fahrer und machen so in der Theorie gleich mehrere konventionelle Autos überflüssig.
Parallel zu den Kleinstwagen und Schmalspurflitzern etabliert sich gerade noch eine weitere Fahrzeuggattung: der E-Scooter. Nachdem die Politik dem elektrischen Roller gerade den Weg in den Straßenverkehr ebnet, wird er sich in den kommenden Monaten vom Spaß- und Sportgerät zu einer ernsthaften Mobilitätslösung entwickeln, sagen Experten wie der Mobilitätsanalyst Horace Dediu aus San Francisco mit Blick in die USA, wo schon Hunderttausende solcher Zweiräder vermietet werden. „Der E-Scooter ist das iPhone der Mobilität“, sagte Dediu im Interview mit „Spiegel Online“.
Um bei dieser Umstellung keine Kunden zu verlieren, haben auch andere Autohersteller reagiert und ihre ersten Produkte entwickelt: BMW zum Beispiel beginnt in diesen Tagen mit dem Verkauf des X2City und rühmt den Scooter als ersten seiner Art, der die neuen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung erfüllt. Er fährt je nach Einstellung zwischen 8 und 20 km/h schnell und soll dem Hersteller zufolge mit einer Akkuladung im besten Fall bis zu 30 Kilometer weit kommen.
Während der BMW schon in Serie ist, gibt es von VW zwei Studien. Die eine ist der Cityskater. Zusammenklappbar passt er in den Kofferraum, wird bis zu 20 km/h schnell und kommt auf eine Reichweite von 15 Ki- lometern. Die andere ist der Streetmate, für den man allerdings einen Führerschein braucht. Schließlich leistet sein Radnabenmotor 2 kW/3 PS und ermöglicht eine Geschwindigkeit von 45 km/ h. Dafür ist auch die Reichweite deutlich größer: Bis zu 35 Kilometer sind laut VW drin.
Mix aus Fahrrad und Hoverboard
Das vielleicht coolste Konzept kommt von Skoda, selbst wenn es den nüchternen Namen Klement trägt. Dahinter verbirgt sich eine Kombination aus Fahrrad und Hoverboard – elektrisch angetrieben und mit Pedalen gesteuert, die allein durch Kippen beschleunigen oder bremsen. Dann sogar mit ABS, teilt Skoda mit. Angetrieben wird die Studie von einem 4 kW starken Radnabenmotor, der 45 km/h erreicht und mit dem 1,25 kWh-Akku bis zu 62 Kilometer weit kommen soll. Das Konzept weist in die Zukunft, auch wenn es noch keine Serienfreigabe hat.
Zwar werden Studien wie Ami One oder Minimo irgendwann in Serie gehen, und glaubt man Dediu, werden bald Hunderttausende EScooter unsere Städte fluten. Doch so sehr sich der Verkehr auf der sogenannten letzten Meile ändern mag, wird sich auf den letzten Metern relativ wenig tun: Das letzte Glied in der Kette der Mikromobilität sind und bleiben die eigenen Beine.