Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Risiken von Trumps unberechenbarer Iran-Strategie
Donald Trump mag die rhetorische Achterbahn. Er gefällt sich in der Rolle des Unberechenbaren, der heute droht und morgen beschwichtigt und der Verhandlungen nach der Devise führt, dass sich die andere Seite nie ganz sicher sein darf, woran sie bei ihm ist.
So scheint die permanente Verunsicherung denn auch die Maxime zu sein, der er im Konflikt mit Iran folgt. Mal droht er dem Gegner mit der Vernichtung, mal bietet er Gespräche an und fügt nur halb im Scherz hinzu, es sei ihm gelungen, den Hardliner John Bolton, seinen Sicherheitsberater, zu zähmen. Zuletzt war wieder Eskalation angesagt: „Wenn Iran kämpfen will, wird dies das offizielle Ende des Iran sein. Bedroht nie wieder die USA“, schrieb Trump
am Sonntag im Kurzmitteilungsdienst Twitter.
Eine Strategie lässt sich nicht erkennen. Es sei denn, sie besteht darin, Druck aufzubauen. In der Hoffnung, dass die Iraner – wirtschaftlich stranguliert – irgendwann die weiße Fahne hissen und den Amerikanern in allen Punkten entgegenkommen, ihr Raketenprogramm stoppen, ihren Hilfstruppen im Irak, im Jemen, im Libanon das Geld streichen. Trumps Machtdemonstration soll einschüchtern – der Rest wird sich dann schon finden.
Erinnerungen an Nordkorea
Die verbale Spirale erinnert an das Tauziehen mit Nordkorea. Trump drohte Machthaber Kim Jong-un, um ein Ende des Atom- und Raketenprogramms zu erzwingen. Was im Falle Nordkoreas folgte, müsste die USHardliner in Sachen Iran eigentlich zum Nachdenken bringen: Eben noch als „kleiner Raketenmann“verhöhnt, ließ sich Kim nach dem Treffen mit Trump als weiser Staatsmann feiern. In der Sache änderte sich gar nichts. Von nuklearer Abrüstung ist Pjöngjang noch genauso weit entfernt wie vor den Gipfeln in Singapur und Hanoi. Viel Lärm um wenig, bislang jedenfalls. Das Risiko Trumps rhetorischer Volten liegt auf der Hand. Im Weißen Haus träumt Sicherheitsberater Bolton offenbar tatsächlich von jenem Regimewechsel, den er bereits 2017 beschwor. Damals versicherte er den Volksmudschaheddin, einer fragwürdigen iranischen Exilgruppe, bei einem bezahlten Auftritt, dass man in allernächster Zukunft gemeinsam in Teheran feiern werde.
In Iran mangelt es nicht an Falken, die das Atomabkommen als Zwangsjacke sehen und froh wären, es endlich loszuwerden. Saudi-Arabien wittert die Chance, die Macht des regionalen Rivalen Iran auf Jahre hinaus zu stutzen. In Israel sprach Benjamin Netanjahu bereits von der bewaffneten Option, als Trump noch mit Immobilien handelte.
Die Gefahr besteht darin, dass sich der amerikanische Präsident von der Allianz der Falken in einen Krieg hineintreiben lässt, den er im Grunde nicht will. Im eigenen Land, das weiß Trump, gibt es keine Mehrheit für neue militärische Abenteuer. Seinen Wählern versprach er, den endlosen Truppeneinsatz in Afghanistan zu beenden und in Nahost keinen neuen zu beginnen. Nur mag er eben auch das Nervenspiel, er mag das Drama, und er selber muss dabei immer im Mittelpunkt stehen. Es ist ein Tanz auf dem Seil.