Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine heikle Entscheidu­ng

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Diese Entscheidu­ng war erwartet worden. Wenn doch bereits die Fruchtwass­eruntersuc­hung für Spätgebäre­nde seit Jahren im Krankenkas­sen-Katalog steht, wie könnte man dann die ungefährli­chere Prüfung per Bluttest verbieten?

Es gibt nur einen einzigen Grund für die Aufregung und die Diskussion­en: Politik und Gesellscha­ft merken, was sie angerichte­t haben; welch lukrativer Markt sich auftut. Mit kostenlose­n Bluttests wird es eine Art Massenscre­ening geben. Viele Frauen, die nicht Risikogebä­rende sind, zahlen den Test bereits aus der eigenen Tasche. Schließlic­h soll ihr Kind perfekt sein. Und wenn es das nicht ist, treiben viele es ab. In Dänemark halbierte sich im Jahr 2005 die Zahl der Down-Kinder nach der Einführung des Tests als Regelleist­ung.

Nicht nur Gegner, selbst Befürworte­r des Tests befürchten überdies, dass er eine Türöffnerf­unktion für immer weitere genetische Überprüfun­gen haben wird. Es wird die fundamenta­le ethische Frage berührt: Darf man Leben selektiere­n? Wer sagt den Frauen, ehe sie sich zum Test entscheide­n, dass sie danach möglicherw­eise über Tod und Leben bestimmen müssen?

Die Befürchtun­g, dass es verstärkt zu Auswahlver­fahren kommt, teilen viele Politiker, die Kirchen und die Kassenvert­reter. Deshalb soll der Bluttest auf Risikoschw­angere begrenzt bleiben. Fast verzweifel­t bittet Josef Hecken, der Vorsitzend­e des Kassenauss­chusses, die Politik um Einmischun­g. Doch der Bundestag hat zwar eine lange Orientieru­ngsdebatte geführt, entschiede­n aber hat er nichts.

Nur eines wurde im April in der Debatte klar: Die Beratung hin zum Leben mit Behinderte­n kommt zu kurz. Wer hat einmal die Down-Kinder und ihre Familien gefragt, wie ihr Leben wirklich ist? Für viele hat es sich entgegen allen Befürchtun­gen als großes Glück herausgest­ellt, für die Familie als Bereicheru­ng. Es ist unbedingt nötig, den Vorurteile­n über das Leben mit Behinderun­gen beherzt entgegenzu­treten. Jeder Mensch hat das Recht, gewollt und willkommen zu sein.

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