Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine heikle Entscheidung
Diese Entscheidung war erwartet worden. Wenn doch bereits die Fruchtwasseruntersuchung für Spätgebärende seit Jahren im Krankenkassen-Katalog steht, wie könnte man dann die ungefährlichere Prüfung per Bluttest verbieten?
Es gibt nur einen einzigen Grund für die Aufregung und die Diskussionen: Politik und Gesellschaft merken, was sie angerichtet haben; welch lukrativer Markt sich auftut. Mit kostenlosen Bluttests wird es eine Art Massenscreening geben. Viele Frauen, die nicht Risikogebärende sind, zahlen den Test bereits aus der eigenen Tasche. Schließlich soll ihr Kind perfekt sein. Und wenn es das nicht ist, treiben viele es ab. In Dänemark halbierte sich im Jahr 2005 die Zahl der Down-Kinder nach der Einführung des Tests als Regelleistung.
Nicht nur Gegner, selbst Befürworter des Tests befürchten überdies, dass er eine Türöffnerfunktion für immer weitere genetische Überprüfungen haben wird. Es wird die fundamentale ethische Frage berührt: Darf man Leben selektieren? Wer sagt den Frauen, ehe sie sich zum Test entscheiden, dass sie danach möglicherweise über Tod und Leben bestimmen müssen?
Die Befürchtung, dass es verstärkt zu Auswahlverfahren kommt, teilen viele Politiker, die Kirchen und die Kassenvertreter. Deshalb soll der Bluttest auf Risikoschwangere begrenzt bleiben. Fast verzweifelt bittet Josef Hecken, der Vorsitzende des Kassenausschusses, die Politik um Einmischung. Doch der Bundestag hat zwar eine lange Orientierungsdebatte geführt, entschieden aber hat er nichts.
Nur eines wurde im April in der Debatte klar: Die Beratung hin zum Leben mit Behinderten kommt zu kurz. Wer hat einmal die Down-Kinder und ihre Familien gefragt, wie ihr Leben wirklich ist? Für viele hat es sich entgegen allen Befürchtungen als großes Glück herausgestellt, für die Familie als Bereicherung. Es ist unbedingt nötig, den Vorurteilen über das Leben mit Behinderungen beherzt entgegenzutreten. Jeder Mensch hat das Recht, gewollt und willkommen zu sein.