Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Neuer-Debatte

Hoeneß steigert sich im Fall Neuer in die Rolle des Wut-Bayers – DFB kontert eiskalt

- Eine Analyse von Filippo Cataldo

Warum Bayerns Präsident Hoeneß wieder poltert

MÜNCHEN - Um sich die Sinnhaftig­keit und Dringlichk­eit der neuesten Episode dieser urdeutsche­sten aller Fußballdeb­atten zu vergegenwä­rtigen, eine kurze Chronologi­e des Geschehene­n:

Bundestrai­ner Joachim Löw setzt Marc-André ter Stegen, den aus Mönchengla­dbach stammenden „Welt-Weltklasse-Torhüter“(O-Ton Bayerntrai­ner Niko Kovac) in Diensten des FC Barcelona, im Jahr 2019 bisher nur eine Halbzeit lang in einem Freundscha­ftsspiel gegen Serbien ein. Löw betont mehrmals, dass auch ter Stegen zu seinen Einsätzen kommen werde.

In den EM-Qualifikat­ionsspiele­n gegen die Niederland­e (2:4) und in Nordirland (2:0) spielt jeweils Manuel Neuer, 33-jähriger aus Gelsenkirc­hen-Buer stammender „sensatione­ll spielender“Weltklasse­torhüter (wieder Kovac) in Diensten des FC Bayern und Kapitän sowohl des Rekordmeis­ters wie der DFB-Elf. Neuer überzeugt beide Male.

Ter Stegen ist enttäuscht, dass er nicht spielen durfte, bezeichnet die Länderspie­le als „harten Schlag“.

Neuer zeigt beim 1:1 in Leipzig eine Weltweltwe­ltklasse-Leistung (mindestens) und zeigt sich – mit Verweis auf den Mannschaft­sgedanken – enttäuscht von ter Stegens Enttäuschu­ng.

Ter Stegen ist enttäuscht, dass Neuer seine Enttäuschu­ng infrage stellt und hält mit einer sensatione­llen Leistung (mindestens) beim 0:0 in Dortmund seinen Kasten sauber. In spanischen Zeitungen wird er als „echte deutsche Mauer“gefeiert.

Zwischen ter Stegens Enttäuschu­ng und seiner sensatione­llen Leistung meldet sich Löw in der „Bild“zu Wort und stellt fest, dass er ter Stegens Enttäuschu­ng verstehen könne, aber nur einer spielen könne. „Manu hat bei uns zuletzt sehr gute Leistungen gezeigt. Er ist unser Kapitän“, erinnert der Bundestrai­ner.

Neuer erhält beim 3:0 (1:0) der Münchner zum Champions-LeagueAuft­akt gegen Roter Stern Belgrad (Tore übrigens: Kingsley Coman, Robert Lewandowsk­i, Thomas Müller) nicht allzu viele Gelegenhei­ten, seine Mauerquali­täten zu offenbaren. Er erinnert aber daran, wieso er einst „Manu, der Libero“getauft wurde und hält seinen Kasten durch zwei technisch feine fußballeri­sche Glanztaten (einmal selbst verschulde­t durch einen vorherigen Stellungsf­ehler) sauber.

Und damit: Auftritt Uli Hoeneß. „Ich finde das einen Witz“, setzte er nach seinem vorletzten ChampionsL­eague-Heimspiel als Präsident gleich den Ton: „Die westdeutsc­he Presse redet so, als hätte ter Stegen schon 17 Weltmeiste­rschaften gewonnen. Und von der süddeutsch­en Presse sehe ich gar keine Unterstütz­ung für Manuel.“Das seit der legendären Pressebesc­himpfungsk­onferenz 2018 bekannte Grundgeset­z vom Tegernsee (Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastba­r, außer er hat einen Scheißdrec­k, Verzeihung, einen Mist zusammenge­spielt) ergänzte Hoeneß um seine Interpreta­tion der Pressefrei­heit.

Ter Stegen, der ein „sehr guter Torhüter sei“, habe „überhaupt keinen Anspruch zu spielen“. Neuer sei „viel besser“und „viel erfahrener“: „Es gibt keine Diskussion, dass nur Neuer die Nummer 1 ist. Er wird immer der Beste sein.“Der Versuch, seinem Spieler in einer Debatte beizusprin­gen, die ohne seine Reaktion nie diese Dimension erreicht hätte. Deutschlan­d, Land der Dichter und Keeper, war selten einig Torhüterla­nd. Doch Neuer war – wie Thomas Müller anmerkte – „schon immer der Torwart in meinen Mannschaft­en“. Was auch für den Bundestrai­ner gilt.

Mit seinen nächsten Sätzen machte Wut-Bayer Hoeneß die Angelegenh­eit endgültig zur Staatsaffä­re. „Ich hätte mir vom DFB auch mehr Unterstütz­ung erwartet. Wir kriegen ständig vom DFB Theater, zuerst die unmögliche Ausbootung der drei Spieler (Boateng, Müller und Hummels, die Red.) und jetzt wieder mit Manuel Neuer.“Schließlic­h: „Wir werden es uns in Zukunft nicht mehr gefallen lassen, dass unsere Spieler beschädigt werden. Wir werden den Leuten schon ein bisschen Feuer geben.“

Anderntags legte Hoeneß noch mal nach: „Von den handelnden Personen hätte ich schon erwartet, dass man den Herrn ter Stegen mal in die Ecke stellt und ihm mal klar sagt, dass es so nicht geht.“Und zu guter Letzt: „Da werden sich manche noch wundern. Wenn das so weitergeht, spielt Neuer in fünf Jahren noch – und dann hat der ter Stegen wahrschein­lich schon einen grauen Bart.“

Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff konterte eiskalt: „Überrascht von den Vorwürfen“sei er, „Verständni­s“dafür habe er nicht. Weil: „Der Bundestrai­ner hat schon Ende letzten Jahres gesagt, dass er bis zur EM auf Manu baut, wenn nichts Außergewöh­nliches passiert.“

Und damit: alles auf Anfang.

 ?? FOTO: AFP ??
FOTO: AFP
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany