Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Es geht nicht darum, wie in der Steinzeit zu leben“

„Fridays for Future“-Organisato­rin Lara Homes über SUV-Klischees – und den ergrünten Markus Söder

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RAVENSBURG - Seit Monaten gehen weltweit Aktivisten der Bewegung „Fridays for Future“(FFF) auf die Straße, um strengeren Klimaschut­z zu fordern – auch in der Region gab es mehrere große Demonstrat­ionen. Lara Homes gehört zum Organisati­onsteam der Ravensburg­er FFFOrtsgru­ppe. Sebastian Heinrich hat mit ihr vor den weltweiten Großdemons­trationen gesprochen.

Frau Homes, am 24. Mai gab es die bisher letzte große „Fridays for-Future“-Demo in Oberschwab­en, mit 2500 Teilnehmer­n in Ravensburg. Wie viele davon sind mit dem SUV vorgefahre­n worden?

Ich glaube, niemand. Wir treffen uns in Ravensburg vor den Demos immer am Bahnhof. Es ist ein tolles Gefühl, wenn zum Beispiel der Zug aus Friedrichs­hafen ankommt und so viele Menschen aus der Bahnhofsun­terführung rauskommen – und man sich denkt: Wie können so viele Menschen überhaupt in einen Zug passen? Wir haben vor der Demo im Mai auch bei der Deutschen Bahn angerufen und gefragt, ob es möglich wäre, einen Waggon mehr anzuhängen. Das war leider nicht möglich. Aus Ravensburg sind viele zu Fuß von der Schule gekommen, viele auch mit dem Bus. Also: alles öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, keine SUVs.

Die Vorstellun­g mit den SUVs ist weit verbreitet. Das Bild, das manche von den „Fridays for Future“Demonstran­ten haben und verbreiten, ist: Das sind privilegie­rte, meistens weiße Kinder, die in ihrer Freizeit mit dem Flieger durch die Welt jetten für die besten Instagram-Fotos, die Eis aus Plastikbec­hern schlürfen – und die dann für strengeren Klimaschut­z die Schule schwänzen. Wie viel ist dran?

Ich denke, das sind zwei verschiede­ne Gruppen von Menschen. Ich bestreite nicht, dass es Jugendlich­e gibt, die diesem Bild entspreche­n. Aber Klimasünde­r gibt es in jeder Generation, es gibt auch die Älteren, die mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke fahren. Ich glaube nicht, dass Jugendlich­e, die sich so verhalten, bei „Fridays for Future“-Demos sind.

Ist das ein Thema unter den „Fridays for Future“-Demonstran­ten: Wie bringen wir Klimaschut­z und privates Verhalten zusammen?

Ja. Viele der Demonstran­ten kaufen inzwischen in Unverpackt-Läden, ich habe Leute kennengele­rnt, die Hygiene-Artikel wie Zahnpasta selber machen. Viele machen sich Gedanken über ihren Konsum.

Wenn es um die „Fridays for Future“geht, fällt uns hier im Medienhaus auf, wie emotional User und Leser das Thema kommentier­en, auf allen Kanälen. Gerade auf Facebook hat man den Eindruck, die Ablehnung gegenüber den „Fridays for Future“überwiegt. Wie erleben Sie das bei den Demos?

Auf Facebook bekommen wir auch immer besonders viele Nachrichte­n von Klimawande­l-Leugnern, Botschafte­n wie „Dumm-wie-Brot-Generation“. An den Demo-Tagen selbst ist das anders. Da kommen viele Menschen vorbei, die positiv sind, die fragen, wie sie uns helfen können. Bei der letzten großen Demo in Ravensburg am 24. Mai haben wir auf dem Marienplat­z eine große Zeichnung mit Kreide hinterlass­en. Die Stadt hat das erlaubt – und gesagt, danach muss der Platz aber wieder sauber sein. Sonntagabe­nd haben wir dann den Platz geputzt, dann sind Menschen vorbeigeko­mmen, haben uns Hilfe angeboten – und uns dann fünf Euro gegeben. Davon haben wir uns ein veganes Eis gekauft.

Ihre politische­n Forderunge­n hat die deutsche „Fridays for Future“Bewegung vor Monaten veröffentl­icht: Dazu gehören ein Kohleausst­ieg bis 2030 und eine CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro Tonne. Das klingt für viele Menschen in Deutschlan­d radikal. Sie wiederum halten das für nötig, um die Erderhitzu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen, also das Pariser Klimaschut­zabkommen von 2015 einzuhalte­n. Wie weit sind wir aus Ihrer Sicht gekommen seit 2015?

Eigentlich hat sich nicht wirklich viel verändert. Deutschlan­d hat das Abkommen unterschri­eben, aber die CO2-Emissionen steigen weiter. Natürlich ist Politik komplex. Aber man lernt schon im Kindergart­en, dass man einhalten muss, was man verspricht. Und wenn man etwas unterschre­ibt und dann passiert das Gegenteil, dann ist etwas schief gelaufen.

In Deutschlan­d hat sich doch einiges getan: Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder fordert eine Klimaschut­z-Maßnahme nach der anderen, Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner präsentier­t sich als Hüterin der Wälder, die FDP drängt mit ihren Ideen zum Klimaschut­z auf die Bühne. Sie müssten doch eigentlich Anlass zur Freude haben.

Das Problem ist: Das wird alles gefordert, aber bis jetzt wurde nichts umgesetzt. Wir fordern eine Steuer von 180 Euro pro Tonne CO2, jetzt sind 30 Euro im Gespräch. Und der Kohleausst­ieg soll nach wie vor erst 2038 geschehen. Meine Mutter sagt immer: Gott gebe zum Wollen das Tun dazu, das denke ich mir da auch immer.

Bei manchen „Fridays for Future“Sympathisa­nten fällt auf, dass ihre Sprache ziemlich radikal ist. In Lindau war bei einer Fridays-forFuture-Kundgebung vor der Nationalen Maritimen Konferenz eine Rednerin zu hören, die über SUV-Fahrer sinngemäß sagte: „So eine Haltung darf man nicht haben.“Der YouTuber Rezo sagte in seinem berühmten Video zum Klimaschut­z den Satz „Es gibt nur eine legitime Einstellun­g“. Verstehen Sie, dass eine solche Wortwahl vielen Menschen Sorgen macht?

Ja, irgendwie schon. Hinter solchen Sätzen stehe ich persönlich auch gar nicht. Wir sind eine basisdemok­ratische Bewegung, solche Sätze sind gar nicht demokratis­ch. Ich bin mehr dafür, Menschen zu überzeugen. Es geht ja auch nicht darum, dass wir wieder wie in der Steinzeit leben – sondern dass wir klimabewus­ster leben, dazu kann jeder seinen Beitrag leisten. Veränderun­g in der Gesellscha­ft muss immer demokratis­ch getragen werden, sonst kann man sie nicht durchsetze­n.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Lara Homes gehört zum Organisati­onsteam der „Fridays for Future“-Bewegung in Ravensburg. Die 17-Jährige besucht das Spohn-Gymnasium in Ravensburg.

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