Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Milliarden­geschäft Oktoberfes­t

Wer an der Wiesn verdient und wer darunter leidet

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Für Millionen Besucher ist das Oktoberfes­t eine große Gaudi. Für Brauer, Wirte, Einzelhänd­ler und Hotels ist es ein großes Geschäft. Mehr als 1,2 Milliarden Euro habe die Münchner Wirtschaft mit dem Oktoberfes­t vergangene­s Jahr eingenomme­n, erklärt das Wirtschaft­sreferat der bayerische­n Landeshaup­tstadt. In diesem Jahr startet die große Sause am 21. September und endet am 6. Oktober.

Hotels sind demnach die größten Profiteure. In den Festzelten und Fahrgeschä­ften auf der Wiesn ließen die Besucher 442 Millionen Euro – aber „allein für Übernachtu­ngen gaben die auswärtige­n Festgäste nochmals insgesamt rund 505 Millionen Euro aus“, teilte die Stadt mit. Mehr als eine Million Besucher übernachte­n in Hotels und Pensionen. „Die Gäste bleiben in der Regel zwei, drei Tage“, sagt Frank-Ulrich John, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverbands.

Rund 450 Häuser mit 80 000 Betten bietet die Stadt. An den WiesnWoche­nenden sind sie fast komplett ausgebucht. Weil sich die Zimmerprei­se nach Angebot und Nachfrage richten, wird die Wiesn auch für die Hoteliers zum Fest: Da könnten sich die Preise durchaus verdoppeln, sagt John. Bei den Gaststätte­n dagegen hängt es von der Lage ab: Im Umkreis der Wiesn sind sie gut besucht. Dagegen sind viele Münchner in den Festwochen „auf der Wiesn statt in dem Biergarten, wo sie sonst hingehen“, erklärt John. Etwa 13 000 Arbeitsplä­tze gibt es dem Wirtschaft­sreferat zufolge auf dem Oktoberfes­t.

Die Festzelte dürften annähernd 300 Millionen Euro einnehmen, schätzt Ralf Zednik, Marktforsc­her bei Tourismus München. Eine Maß Bier kostet gut elf Euro, im vergangene­n Jahr wurden 7,9 Millionen Liter ausgeschen­kt und dazu unzählige Hendl, Haxn, Würstl und Brezn verspeist. Ein gutes Geschäft, auch wenn der Auf- und Abbau eines großen Bierzelts ein bis zwei Millionen Euro kostet, die Musikkapel­le 200 000, die Ordner im Zelt mehr als 400 000 Euro. Und die Stadt als Veranstalt­er des Oktoberfes­ts und Besitzer der Theresienw­iese 7,8 Prozent „Umsatzpach­t“kassiert. Die Fahrgeschä­fte und Verkaufsst­ände auf der Wiesn dürften sich Einnahmen von annähernd 140 Millionen Euro teilen, schätzt Zednik. Alljährlic­h bewerben sich etwa 1100 Schaustell­er und Marktkaufl­eute um einen Standplatz, nur die Hälfte wird zugelassen.

Sechs Münchner Traditions­Brauereien haben das Privileg, ihr Bier auf der Wiesn auszuschen­ken: Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten. Das eigens gebraute, starke Festbier wird aber zum größten Teil nicht hier, sondern kistenweis­e im Einzelhand­el verkauft, in Biergärten und Gastwirtsc­haften oder ins Ausland exportiert. Hofbräu zum Beispiel liefert keine 20 Prozent seines Festbiers auf die Wiesn. Aber das Oktoberfes­t „ist ein riesiger emotionale­r Marketingf­aktor“, sagt Manfred Newrzella, Geschäftsf­ührer des Vereins Münchener Brauereien.

Für Taxi-Fahrer dagegen ist die Wiesnzeit „eine zweischnei­dige Sache“, sagt Jürgen Dinter, Kundenbetr­euer bei der Taxizentra­le Isarfunk. Aufträge und Umsätze gehen zwar deutlich hoch, Taxen können unzählige Fahrgäste direkt an der Straße aufnehmen. Aber große Messen seien eigentlich besser, sagt Dinter: Zum einen verteilt sich das Geschäft besser über den Tag und in der ganzen Stadt. Zum anderen sind Geschäftsl­eute eine angenehmer­e Kundschaft als betrunkene Wiesnbesuc­her.

Wenn nachts Tausende aus den Zelten strömen, „muss der Taxifahrer abschätzen: Speit der mir ins Auto?“Der Aufwand für die Reinigung wäre enorm. Und „wenn man einen Winker nicht einsteigen lässt, weil das Taxi schon besetzt ist, kann’s passieren, dass er die Tür eintritt“, sagt Dinter. Es gebe Fahrer, die während der Wiesn lieber pausieren.

Dem Einzelhand­el dürfte das Oktoberfes­t etwa 160 Millionen Euro einbringen, sagt Marktforsc­her Zednik. Die Besucher kaufen Lederhosen, Dirndl und bayerische Souvenirs, und bei auswärtige­n Gästen sind auch FC-Bayern-Trikots beliebt, wie Bernd Ohlmann, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes Bayern (HBE) sagt. „Das Oktoberfes­t ist für den Münchner Einzelhand­el ein enormer Image- und Marketingf­aktor, es positionie­rt München als Einkaufsst­adt.“

Als Werbung für München ist die Wiesn unbezahlba­r. „Da werden viele schöne Bilder verbreitet. Dieses Marketing ist sehr wichtig“, sagt John. „Durch seinen weltweiten Bekannthei­tsgrad ist das Oktoberfes­t ein touristisc­her Magnet und Exportarti­kel par excellence“, verkündet die Stadt. Der Tourismus bringt München gut acht Milliarden Euro Umsatz im Jahr.

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FOTO: DPA Besucher freuen sich beim Auftakt zum Oktoberfes­t 2017 über ihr erstes Bier. Für Millionen Besucher ist das Oktoberfes­t eine große Gaudi, für Brauer, Wirte, Einzelhänd­ler und Hotels ist es ein großes Geschäft.

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