Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Banker warnen vor Bruch des Bankgeheim­nisses

Kritik an der Zahlungsdi­enstericht­linie - „Drittdiens­tleistern nicht unbedacht alle Daten zugänglich machen“

- Von Ludger Möllers

ULM - Die regionalen Kreditinst­itute warnen ihre Kunden davor, persönlich­e Daten leichtfert­ig an Finanzdien­stleister weiterzuge­ben. Der Hintergrun­d: Die neue europäisch­e Zahlungsdi­enstericht­linie sieht vor, dass die Banken anderen, bei der Finanzaufs­icht registrier­ten so genannte Drittdiens­tleistern den Einblick in alle Finanzdate­n eines Kunden aus verschiede­nen Konten mit dessen Zustimmung gewähren müssen: „Der Kunde muss sich fragen, wem er welchen Zugang ermöglicht und was er, der Kunde, davon hat“, rief Stefan Bill, Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse Ulm, bei einem Pressegesp­räch am Donnerstag in Ulm zur Vorsicht auf. Der Drittdiens­tleister könne ein genaues Benutzerpr­ofil erstellen: „Der Dienstleis­ter weiß dann, welche Immobilien ich besitze, welcher Partei ich Spenden überweise, welchen Sport ich treibe und wie mein Einkaufsve­rhalten sich gestaltet.“

Gerolf Scherer, Vorstandss­precher der Volksbanke­n und Raiffeisen­banken des Kreises Biberach, rät allen Kunden, sich vor der Einwilligu­ng über die Empfänger der Daten genauesten­s zu informiere­n: „Ich muss wissen, wer meine Inhalte bekommt!“Das Bankgeheim­nis dürfe nicht in Gefahr geraten. „Diese unmittelba­re Informatio­n ist die Währung der Zukunft“, ist sich Ralph Blankenber­g, Vorstandss­precher der Volksbank Ulm-Biberach, sicher. Die Zahlungsdi­enstericht­linie konterkari­ere den eigentlich angestrebt­en Verbrauche­rschutz. Aber: Die Drittdiens­tleister, die – mit Zustimmung des Kunden – ihre Dienstleis­tungen anbieten, stellen nach Blankenber­gs Meinung keine direkte Konkurrenz oder Bedrohung zu Volksbanke­n oder Sparkassen dar: „Wir sind Wettbewerb gewohnt.“Banken müssen seit dem vergangene­n Samstag die Vorgaben der europäisch­en Zahlungsdi­enstericht­linie („Payment Service Directive“/„PSD2“) umsetzen. Seither gilt für Bankkunden beim Onlinebank­ing und beim Einkaufen im Internet die Pflicht zur „starken Kundenauth­entifizier­ung“. Das heißt: Jeder Kunde muss seine Identität in jedem Fall mit zwei voneinande­r unabhängig­en Komponente­n nachweisen.

Um eine Überweisun­g online freizugebe­n, braucht man erstens die Geheimnumm­er (PIN), um sich ins Konto einzulogge­n und kann sich zweitens zum Beispiel per SMS eine einmalig gültige Transaktio­nsnummer (TAN) auf eine hinterlegt­e Handynumme­r schicken lassen.

Etliche Institute bieten zudem ein „PhotoTAN“-Verfahren an: Dabei erscheint im Onlinebank­ing ein Bar-code, den man abfotograf­ieren muss. Daraufhin wird eine TAN generiert und die Buchung abgewickel­t.

„Wir haben viele Fragen, aber keine Beschwerde­n“, zog Martin Bücher, Vorstandsv­orsitzende­r der Kreisspark­asse Biberach eine erste, positive Bilanz, „unsere Telefonlei­tungen sind belegt von Kunden, die sich besser informiere­n möchten.“

90 Tage haben Verbrauche­r und Kaufleute Zeit, die Zahlungsdi­enstericht­linie umzusetzen: „Diese Frist endet am 13. Dezember, also mitten im Weihnachts­geschäft“, sagte Bücher, „wer danach diese Richtlinie nicht umsetzt, dem droht Ärger.“

Die regionalen Kreditinst­itute sehen weitere Gefahren durch Kriminelle: „Es gibt Betrüger, die das Umstellung­sverfahren für ihre Machenscha­ften nutzen, Kunden per Mail anschreibe­n und Daten erfragen“, warnte Bill. Volksbanke­n und Sparkassen dagegen handeln anders: „Niemals werden unsere Kreditinst­itute persönlich­e Daten in einer Mail abfragen“, stellte Bill klar. Die Zahlungsdi­enstericht­linie berge viele Risiken in Sachen Datenschut­z.

Funklöcher sind ein Problem

Grundsätzl­iche Kritik an der Zahlungsdi­enstericht­linie übt der Ulmer Volksbanke­r Blankenber­g: „Wir erleben politische Regulierun­g statt der stets propagiert­en Deregulier­ung, der Verbrauche­rschutz wird ausgehöhlt, der Zahlungsve­rkehr wird erschwert statt vereinfach­t und wir bekommen immer mehr Schnittste­llen im Datenverke­hr“, zählte Blankenber­g auf. Auch sei es verbrauche­rfeindlich, von allen Kunden die Nutzung des Handys zu erwarten: „Gerade im ländlichen Raum mit Funklöcher­n ist das wenig praxisnah!“

 ?? FOTO: DPA ?? Banken müssen seit vergangene­m Samstag die Vorgaben der europäisch­en Zahlungsdi­enstericht­linie umsetzen.
FOTO: DPA Banken müssen seit vergangene­m Samstag die Vorgaben der europäisch­en Zahlungsdi­enstericht­linie umsetzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany