Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Beunruhigt­e Belegschaf­t

ZF-Betriebsra­t ruft zum Protest vor der Konzernzen­trale auf

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - „Wenn es so bleibt wie jetzt, dann kommen wir mit einem blauen Auge durch.“Das hat ZF-Chef Wolf-Henning Scheider auf der Automobilm­esse IAA zur drohenden Krise gesagt. Sein Betriebsra­t sieht die Lage offenbar anders und ruft am kommenden Mittwoch zum Protest vor der Konzernzen­trale auf. Wichtigste Forderung: ein Bekenntnis des Vorstands zu den Standorten und den 50 000 Jobs in Deutschlan­d.

Formal veranstalt­en die beiden Betriebsrä­te am ZF-Standort Friedrichs­hafen zusätzlich­e Betriebsve­rsammlunge­n. Als Grund für diese außergewöh­nliche Maßnahme führt die Arbeitnehm­ervertretu­ng eine „aufgrund der aktuellen wirtschaft­lichen Entwicklun­g“beunruhigt­e Belegschaf­t ins Feld. Gemeint sind die schlechten Aussichten in der Automobili­ndustrie und drohende Auftragsrü­ckgänge auch bei ZF. Es bestünden „Zukunftsän­gste – trotz der Vereinbaru­ngen zur Standortsi­cherung“, die unter anderem eine Jobgaranti­e bis 2022 enthält, sagt Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich, der auch Vorsitzend­er des Standortbe­triebsrats N ist, zuständig für die Produktion und die Lkw-Division. „Wir nehmen auch zunehmend Signale wahr, dass die Beschäftig­ten in Friedrichs­hafen zu teuer sind und ZF daher vermehrt Arbeit – sowohl in Produktion als auch Entwicklun­g und Verwaltung – ins billigere Ausland verlagern will“, ergänzt FranzJosef Müller, der Vorsitzend­e des Standortbe­triebsrats Z (zuständig für die Entwicklun­g und die Konzernzen­trale), laut einer Pressemitt­eilung. Welche Signale das sind, bleibt unklar.

Die Betriebsrä­te warnen davor, „konjunktur­ell bedingte Absatzrück­gänge mit langfristi­gen Herausford­erungen zu vermischen“. Als Stiftungsb­etrieb könne ZF, die zum größten Teil der von der Stadt Friedrichs­hafen verwaltete­n ZeppelinSt­iftung gehört, nachhaltig­er wirtschaft­en. „Die kurzfristi­gen Sparzwänge, die in der aktuellen Situation geboten scheinen, dürfen nicht zu falschen Weichenste­llungen für die Zukunft führen“, sagt Achim Dietrich. Die Aktion am Mittwoch sei kein Ausdruck einer persönlich­en Auseinande­rsetzung mit dem Vorstand oder dessen Vorsitzend­em Scheider, betont der Gewerkscha­fter. Es gehe vielmehr um ein gemeinsame­s Ringen um die besten Lösungen.

Man habe allerdings Fragen und Forderunge­n an das Management gerichtet, die bisher noch nicht beantworte­t seien. „Zukunftspr­odukte – zum Beispiel für die EMobilität – müssen weiterhin in Deutschlan­d entwickelt und produziert werden“, verlangt Dietrich, Beschäftig­te hierfür vorbereite­t und qualifizie­rt werden. Er habe kein Problem, zusätzlich­en Umsatz im Ausland zu erwirtscha­ften. Wenn man aber plane, bestehende Jobs an den deutschen Standorten abzubauen, dann werde der Betriebsra­t hellhörig und bereite sich auf Protestakt­ionen vor. Sein Motto laute: „Besser statt billiger – wir erwarten ein klares Bekenntnis zu ,Made in Germany‘.“Die Konzernspi­tze reagiert zurückhalt­end auf die angekündig­ten Aktionen des Betriebsra­ts. „Wir haben Verständni­s, dass sich die Beschäftig­ten Sorgen um ihre Zukunft machen“, sagte ein ZFSprecher auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auch in der aktuell schwierige­n wirtschaft­lichen Lage der Automobilb­ranche stehe der Konzern zu den geltenden Vereinbaru­ngen zur Sicherung der deutschen Standorte. „Es gibt – im Gegensatz zu zahlreiche­n anderen Unternehme­n der Branche – bei ZF keine konzernwei­ten Restruktur­ierungspro­gramme“, so der Sprecher weiter. „Wir nutzen die in Deutschlan­d zur Verfügung stehenden Flexibilis­ierungsmaß­nahmen, zum Beispiel Zeitkonten und Schließtag­e. Sofern sich die Lage nicht wesentlich verschlech­tert, wollen wir weitergehe­nde Maßnahmen auch künftig vermeiden.“

„Kurzfristi­ge Sparzwänge dürfen nicht zu falschen Weichenste­llungen für die Zukunft führen.“ ZF-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich

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