Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vom Werbesprech genervt
Eine Vorwarnung: Heute wird es hier sehr subjektiv! Es geht um den sogenannten Werbesprech in unseren Medien. Auslöser ist das Unwohlsein, das mich jedes Mal beschleicht, wenn in Funk oder Fernsehen jener Spot unseres Discount-Primus ertönt, der mit lohnt
sech! endet. Immer dieselbe Dame, immer mit einem zum e mutierten i, immer mit kurz abkippender, dann auf der vorletzten Silbe stark ansteigender Tonhöhe. Und das nicht nur bei besagtem Slogan. Ob Karotten zu Einsfönfondséchzech oder Melonen zu Dreineunondsébzech – stets derselbe enervierende Singsang.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Darf Werbung enervieren? Schaut man in einschlägige methodische Abhandlungen, so wird dort immer wieder das schon weit über 100 Jahre alte AIDA-Prinzip aus den USA beschworen. Die vier Buchstaben AIDA stehen für die englischen Begriffe attention, interest, desire und action. Danach soll Werbung zunächst Aufmerksamkeit erzeugen (attention), dann Interesse wecken (interest),
Lust auf Besitz machen (desire) und letztlich zum Kauf animieren (action). Zwar schon immer angefeindet wegen seiner eher simplen Struktur, hat sich dieses Muster im Großen und Ganzen doch nicht überlebt. Schaut man sich nun heutige Werbung an, so wird allerdings Stufe 1 – also das unbedingte Erwecken von Aufmerksamkeit – immer dominanter. Auffallen um des Auffallens willen, so lautet die Devise – auch um den Preis einer befremdenden, unangenehm berührenden, mitunter sogar abstoßenden Abnormität. Dabei wird die früher unbestrittene Erkenntnis, dass der Kunde mit der Annäherung an ein Produkt ein positives Erlebnis verbinden sollte, ins Gegenteil verkehrt. Aber diese NegativMasche zahlt sich anscheinend in barer Münze aus.
Zur Untermauerung meiner These noch einmal drei persönliche Aversionen: Es stört mich, dass ein großer Baumarkt beharrlich auf seinen bewusst grammatikalisch falschen Slogan „Respekt, wer’s selber macht“setzt. Mittlerweile ist er zwar schon stilbildend – „Respekt, wer’s selber checkt“geht unserem Nachwuchs locker von den Lippen. Aber Liebhaber von korrektem Deutsch werden sich nie daran gewöhnen.
Es stört mich, dass seit Jahren für eine Müslimarke in einem Tonfall geworben wird, der – woisch, Karle – leider manche Vorurteile gegenüber dem Dialekt zu bestätigen scheint. Das hat die Mundart nicht verdient, denn sie wird ja nicht nur von Einfaltspinseln gesprochen.
Es stört mich schließlich, dass die Sportschau derzeit immer wieder von den Werbespots eines Vergleichsportals unterbrochen wird, in denen wohl aus den USA stammende, eher unbedarfte und vor allem miserabel synchronisierte Schauspieler daherplappern. Wenn man sie zwischendurch dann auch noch in schwarz-rot-goldene Leibchen steckt, ist der Gipfel der Absurdität erreicht.
Zu viel Lärm um nichts? Subjektiv gesehen, keinesfalls. Auf schräge und schrille Werbung mögen manche abfahren. Ich nicht. Mir tut es leid um unsere Sprache, ob geschrieben oder gesprochen. Deswegen gilt für mich: Die Beschäftigung mit solchen Produkten lohnt sech necht. Mit Betonung auf der letzten Silbe.
Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg
r.waldvogel@schwaebische.de