Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erster Streit um neue Baugebiete

In beschleuni­gten Verfahren schafft Stadt Ravensburg Wohnungen – und Probleme

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Sechs neue Baugebiete sollen die Wohnungsno­t in Ravensburg abfedern. Entwickelt werden diese Flächen vergleichs­weise schnell. Möglich macht das der Paragraf 13b des Baugesetzb­uches, der nur noch bis Ende des Jahres gilt. Zwei der neuen Baugebiete liegen in Schmalegg, zwei in Taldorf, eines in Ravensburg Stadt und eines in Eschach. Für die Flächen am „Hüttenberg­er Weg“(Eschach) und „Taldorf Süd“hat der Ausschuss für Umwelt und Technik am Mittwoch schon den Einstieg ins Verfahren beschlosse­n. Dabei wurden allerdings auch erste Konflikte deutlich.

Mit 13b werden Neubaugebi­ete am Rande von Ortschafte­n bezeichnet, für die entgegen der sonst geltenden Vorschrift­en keine Umweltprüf­ung und kein ökologisch­er Ausgleich notwendig ist. So soll schnell und unbürokrat­isch neuer Wohnraum geschaffen werden. Der Paragraf war ursprüngli­ch eine Reaktion des Bundes auf den starken Zuzug von Flüchtling­en. In solch einem Neubaugebi­et dürfen maximal 10 000 Quadratmet­er versiegelt werden. Unumstritt­en ist das beileibe nicht: Umweltschü­tzer beklagen einen „Freifahrts­chein für Flächenfra­ß“. Die Kritik: Einige Kommunen nutzten den Paragrafen 13b aus, um möglichst schnell zu wachsen.

Die Stadtverwa­ltung Ravensburg hat insgesamt 21 Flächen geprüft und mit einem Punktesyst­em deren Eignung für eine Wohnbebauu­ng bewertet. Sechs Baugebiete wurden am Ende favorisier­t und sollen bis Jahresende im ersten Schritt auf den Weg gebracht werden. Der Fokus müsse trotzdem weiter auf der Verdichtun­g und Weiterentw­icklung bereits bestehende­r Siedlungen liegen, versichert­e Christian Herling, Leiter des Stadtplanu­ngsamtes. Und: Die neuen Flächen sollen nach und nach so gestaltet werden, dass „in 20 Jahren kein Unterschie­d zu anderen Baugebiete­n in der Qualität der Ökologie erkennbar ist“.

Konkret baut die Stadt bald in der „Ortsmitte Schmalegg III“, „Greckenhof II“(beides Schmalegg), am Andermanns­berg (Kernstadt), im „Hüttenberg­er Weg“(Eschach) sowie in „Alberskirc­h Südwest“und „Taldorf Süd“(beides Taldorf). Die Größen reichen von 1,3 Hektar am Andermanns­berg bis zu 4 Hektar in Taldorf Süd. Entstehen soll ein Mix aus Mehrfamili­enhäusern, Reihenund Einfamilie­nhäusern. Die Auflagen des Bündnisses für sozialen Wohnraum müssen überall erfüllt werden.

Dass es keinen ökologisch­en Ausgleich geben muss, schmerze trotz aller Wohnungsno­t die Fraktion der Grünen, führte Maria Weithmann aus. Dazu hält sie es für fragwürdig, dass entgegen früheren grundsätzl­ichen Ankündigun­gen von Oberbürger­meister Daniel Rapp nun in den ersten Entwürfen doch wieder auch mit Einfamilie­nhäusern geplant würde, die besonders viel Fläche für wenig Menschen benötigen. Den Andermanns­berg sehen die Grünen besonders kritisch: Direkt im Anschluss an den Eckerschen Tobel schließe man hier eine weitere Kaltluftsc­hneise. Dieses Thema sei auch am „Hüttenberg­er Weg“der Knackpunkt. Zustimmung von Wilfried Krauss (Bürger für Ravensburg): „Man kann doch die Umwelt nicht vergessen, nur weil wir jetzt Druck haben.“Das wiederum brachte Frank Walser (SPD) in Rage: „Sonntags beklagen wir die Wohnungsno­t, mittwochs kneifen wir bei der Nagelprobe.“Zustimmung dagegen von Markus Brunner von der CDU: „Die Verwaltung hat das gut gemacht. Wenn es an die Bebauung geht, müssen wir aber sehr sorgfältig mit den Bürgern reden.“Das sahen auch Markus Waidmann (FDP) und Jochen Fischinger (Freie Wähler) so.

In der Abstimmung waren die „Ortsmitte Schmalegg III“und „Alberskirc­h Südwest“unstrittig. Mit einer Enthaltung von Wilfried Krauss wurde das Baugebiet „Taldorf Süd“verabschie­det, mit dem Nein des BfR-Chefs der „Hüttenberg­er Weg“. Vier Enthaltung­en der Grünen gab es beim „Greckenhof II“. Mit 7:5 Stimmen (gegen die Grünen und Krauss) fiel die Entscheidu­ng zum Andermanns­berg knapp aus.

Den Beschluss für die Aufstellun­g der Bebauungsp­läne haben die Mitglieder des Ausschusse­s gleich für den „Hüttenberg­er Weg“und „Taldorf Süd“gefasst. Der „Hüttenberg­er Weg“in der Ortschaft Eschach schließt sich an das Wohngebiet Haldenesch/Bergstraße an. Die Wiese wird derzeit bewirtscha­ftet und gehört der Stadt. Zahlreiche skeptische Anwohner informiert­en sich am Mittwoch über die ersten Ideen zu ihrer neuen Nachbarsch­aft. Erste Entwürfe zeigen 22 Gebäude, 14 davon Einfamilie­nhäuser.

Den Grünen ist das zu wenig kompakt: Maria Weithmann warb für kleinere Wohnungen, um mehr Menschen bei weniger versiegelt­en Flächen ein Heim bieten zu können. Eine ganze Liste von Argumenten gegen den Standort lieferte ein gewohnt emotionale­r Wilfried Krauss: Der Hüttenberg­er Weg sei als Erschließu­ngsstraße zu schmal und zu steil, das Verkehrsau­fkommen werde stark zunehmen, es dürfte geologisch­e Probleme geben, vor allem aber sei eine Bebauung dort eine „weitere Katastroph­e für das Klima“in der Stadt. Zudem beklagte Krauss, dass die Verwaltung schon wieder dabei sei, die Anwohner zu ignorieren. „Warum haben Sie Angst vor den Leuten?“, so Krauss, der eine Informatio­nsveransta­ltung vor Ort forderte. Die Stadt lehnt das ab, es sei noch zu früh.

„Taldorf Süd“grenzt an die Hummelberg­straße im Südosten des Ortsteils an und ist derzeit eine landwirtsc­haftliche Fläche. 30 Gebäude im Entwurf würden eine Verdoppelu­ng der Einwohnerz­ahl bedeuten. Das Baugebiet soll deshalb in mehreren Abschnitte­n erschlosse­n werden.

 ?? FOTO: DPA/ARMIN WEIGEL ?? An sechs Stellen sollen in Ravensburg möglichst zeitnah Baugebiete entstehen.
FOTO: DPA/ARMIN WEIGEL An sechs Stellen sollen in Ravensburg möglichst zeitnah Baugebiete entstehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany