Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Erster Streit um neue Baugebiete
In beschleunigten Verfahren schafft Stadt Ravensburg Wohnungen – und Probleme
RAVENSBURG - Sechs neue Baugebiete sollen die Wohnungsnot in Ravensburg abfedern. Entwickelt werden diese Flächen vergleichsweise schnell. Möglich macht das der Paragraf 13b des Baugesetzbuches, der nur noch bis Ende des Jahres gilt. Zwei der neuen Baugebiete liegen in Schmalegg, zwei in Taldorf, eines in Ravensburg Stadt und eines in Eschach. Für die Flächen am „Hüttenberger Weg“(Eschach) und „Taldorf Süd“hat der Ausschuss für Umwelt und Technik am Mittwoch schon den Einstieg ins Verfahren beschlossen. Dabei wurden allerdings auch erste Konflikte deutlich.
Mit 13b werden Neubaugebiete am Rande von Ortschaften bezeichnet, für die entgegen der sonst geltenden Vorschriften keine Umweltprüfung und kein ökologischer Ausgleich notwendig ist. So soll schnell und unbürokratisch neuer Wohnraum geschaffen werden. Der Paragraf war ursprünglich eine Reaktion des Bundes auf den starken Zuzug von Flüchtlingen. In solch einem Neubaugebiet dürfen maximal 10 000 Quadratmeter versiegelt werden. Unumstritten ist das beileibe nicht: Umweltschützer beklagen einen „Freifahrtschein für Flächenfraß“. Die Kritik: Einige Kommunen nutzten den Paragrafen 13b aus, um möglichst schnell zu wachsen.
Die Stadtverwaltung Ravensburg hat insgesamt 21 Flächen geprüft und mit einem Punktesystem deren Eignung für eine Wohnbebauung bewertet. Sechs Baugebiete wurden am Ende favorisiert und sollen bis Jahresende im ersten Schritt auf den Weg gebracht werden. Der Fokus müsse trotzdem weiter auf der Verdichtung und Weiterentwicklung bereits bestehender Siedlungen liegen, versicherte Christian Herling, Leiter des Stadtplanungsamtes. Und: Die neuen Flächen sollen nach und nach so gestaltet werden, dass „in 20 Jahren kein Unterschied zu anderen Baugebieten in der Qualität der Ökologie erkennbar ist“.
Konkret baut die Stadt bald in der „Ortsmitte Schmalegg III“, „Greckenhof II“(beides Schmalegg), am Andermannsberg (Kernstadt), im „Hüttenberger Weg“(Eschach) sowie in „Alberskirch Südwest“und „Taldorf Süd“(beides Taldorf). Die Größen reichen von 1,3 Hektar am Andermannsberg bis zu 4 Hektar in Taldorf Süd. Entstehen soll ein Mix aus Mehrfamilienhäusern, Reihenund Einfamilienhäusern. Die Auflagen des Bündnisses für sozialen Wohnraum müssen überall erfüllt werden.
Dass es keinen ökologischen Ausgleich geben muss, schmerze trotz aller Wohnungsnot die Fraktion der Grünen, führte Maria Weithmann aus. Dazu hält sie es für fragwürdig, dass entgegen früheren grundsätzlichen Ankündigungen von Oberbürgermeister Daniel Rapp nun in den ersten Entwürfen doch wieder auch mit Einfamilienhäusern geplant würde, die besonders viel Fläche für wenig Menschen benötigen. Den Andermannsberg sehen die Grünen besonders kritisch: Direkt im Anschluss an den Eckerschen Tobel schließe man hier eine weitere Kaltluftschneise. Dieses Thema sei auch am „Hüttenberger Weg“der Knackpunkt. Zustimmung von Wilfried Krauss (Bürger für Ravensburg): „Man kann doch die Umwelt nicht vergessen, nur weil wir jetzt Druck haben.“Das wiederum brachte Frank Walser (SPD) in Rage: „Sonntags beklagen wir die Wohnungsnot, mittwochs kneifen wir bei der Nagelprobe.“Zustimmung dagegen von Markus Brunner von der CDU: „Die Verwaltung hat das gut gemacht. Wenn es an die Bebauung geht, müssen wir aber sehr sorgfältig mit den Bürgern reden.“Das sahen auch Markus Waidmann (FDP) und Jochen Fischinger (Freie Wähler) so.
In der Abstimmung waren die „Ortsmitte Schmalegg III“und „Alberskirch Südwest“unstrittig. Mit einer Enthaltung von Wilfried Krauss wurde das Baugebiet „Taldorf Süd“verabschiedet, mit dem Nein des BfR-Chefs der „Hüttenberger Weg“. Vier Enthaltungen der Grünen gab es beim „Greckenhof II“. Mit 7:5 Stimmen (gegen die Grünen und Krauss) fiel die Entscheidung zum Andermannsberg knapp aus.
Den Beschluss für die Aufstellung der Bebauungspläne haben die Mitglieder des Ausschusses gleich für den „Hüttenberger Weg“und „Taldorf Süd“gefasst. Der „Hüttenberger Weg“in der Ortschaft Eschach schließt sich an das Wohngebiet Haldenesch/Bergstraße an. Die Wiese wird derzeit bewirtschaftet und gehört der Stadt. Zahlreiche skeptische Anwohner informierten sich am Mittwoch über die ersten Ideen zu ihrer neuen Nachbarschaft. Erste Entwürfe zeigen 22 Gebäude, 14 davon Einfamilienhäuser.
Den Grünen ist das zu wenig kompakt: Maria Weithmann warb für kleinere Wohnungen, um mehr Menschen bei weniger versiegelten Flächen ein Heim bieten zu können. Eine ganze Liste von Argumenten gegen den Standort lieferte ein gewohnt emotionaler Wilfried Krauss: Der Hüttenberger Weg sei als Erschließungsstraße zu schmal und zu steil, das Verkehrsaufkommen werde stark zunehmen, es dürfte geologische Probleme geben, vor allem aber sei eine Bebauung dort eine „weitere Katastrophe für das Klima“in der Stadt. Zudem beklagte Krauss, dass die Verwaltung schon wieder dabei sei, die Anwohner zu ignorieren. „Warum haben Sie Angst vor den Leuten?“, so Krauss, der eine Informationsveranstaltung vor Ort forderte. Die Stadt lehnt das ab, es sei noch zu früh.
„Taldorf Süd“grenzt an die Hummelbergstraße im Südosten des Ortsteils an und ist derzeit eine landwirtschaftliche Fläche. 30 Gebäude im Entwurf würden eine Verdoppelung der Einwohnerzahl bedeuten. Das Baugebiet soll deshalb in mehreren Abschnitten erschlossen werden.