Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gegen Männer – und wie

Tim Stützle und John Jason Peterka gelten als Kandidaten für die NHL – In der Deutschen Eishockey Liga debütieren die beiden 17-Jährigen furios

- Von Joachim Lindinger

MANNHEIM/MÜNCHEN - Den Spitznamen hatte Tim Stützle schnell weg. Stützle, da kommt der Eishockeys­pieler überseeisc­her Provenienz leicht ins Zungentrud­eln – also heißt der 17-Jährige bei der Nordamerik­a-Fraktion seiner Adler Mannheim „Tim Schnitzel“. Das funktionie­rt. Und: Mr. Schnitzel funktionie­rt. Bestens. Drittjüngs­ter Akteur in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) ist der Linksaußen; bis 15. Januar noch spielt er, weil keine 18, mit Schutzgitt­er am Helm. Am vorigen, dem Auftaktwoc­henende der Saison 2019/20, hielt die Statistik für Tim Stützle fest: zwei Einsätze, sieben Schüsse, ein Tor – das 1:0 beim Mannheimer 4:1-Auswärtssi­eg in Nürnberg –, erst 19:05 Minuten, dann (beim 1:2 n.V. gegen die Kölner Haie) 19:10 Minuten Eiszeit. Es gibt unspektaku­lärere DEL-Debüts, kürzere ohnehin. Und es gibt schlechter­e Arbeitszeu­gnisse als jenes, das AdlerTrain­er und -Meistermac­her Pavel Gross seiner Nummer 8 fürs Erste ausstellte: „Wir wissen, dass der Tim manchmal Sachen macht, für die die Mitspieler noch nicht bereit sind. Er ist schon relativ weit.“

Altersunte­rschied: exakt ein Tag

Ortswechse­l: In München trägt die Zukunft das Trikot mit der 77. Heißt John Jason Peterka, gerne auch JJ, also Jay Jay. Geboren am 14. Januar 2002, genau einen Tag vor Tim Stützle. Getroffen hat JJ Peterka am zweiten DELSpielta­g, in seiner zweiten DEL-Partie – gleich zweimal beim Münchner 3:2 über die Düsseldorf­er EG. Linksaußen auch er, neben Mads Christense­n und Maximilian Daubner.

Hier liefert(e) Helmut de Raaf die Expertise, der Director of Developmen­t der Red-Bull-Eishockey-Akademie im Salzburger Stadtteil Liefering. Die vergangene­n zwei Jahre ist John Jason Peterka dort ausgebilde­t worden, hat mit der U18 der Akademie zuletzt die tschechisc­he U19 DHL Extraliga junioru aufgemisch­t: 45 Tore und 49 Vorlagen sind eine Ansage aus 48 Duellen mit Teams wie etwa Sparta und Slavia Prag oder Ocelari Trinec (dem späteren Meister). Findet auch Akademie-Chef de Raaf, der John Jason Peterka als „trotz seines noch jungen Alters äußerst kreativen Spieler“erlebte, „der einen extremen Drang zum Tor hat und sehr schnelles Eishockey spielen kann. Sein nächster Schritt muss sein, ein kompletter Eishockeys­pieler zu werden, der sich in allen Situatione­n zurechtfin­det.“

Der übernächst­e Schritt? Wäre der in die National Hockey League – darüber sind sich die Beobachter einig. Beim NHL-Draft 2020 dürften die Transferre­chte an Peterka/Stützle ziemlich hoch gehandelt werden, Verletzung­sfreiheit vorausgese­tzt. Und eine Bodenhaftu­ng, die Pavel Gross als gegeben sieht. „Keine Gefahr, dass Tim Stützle irgendwie abhebt. Das ist ein ganz netter Kerl, ein ganz netter junger Bursche. Der möchte sich verbessern.“Nichts anderes hört man aus München. John Jason Peterka bescherten seine beiden Treffer „ein unglaublic­hes Gefühl“, aus seiner Nervosität vor dem ersten Heimspiel-Bully machte er, gebürtiger Münchner, keinen Hehl. Wieso auch? Er habe versucht, sie „einfach auszublend­en“.

Tim Stützle kennt dieses Rezept. Und: Er hat seinen Platz im illuster besetzten Adler-Ensemble neben Ben Smith und Tommi Huhtala, 33 und 31 Jahre alt, erfahren, abgezockt, Vorbilder. „Sie geben mir Tipps auf und neben dem Eis, von ihnen lerne ich täglich dazu.“Die richtigen ReihenKoll­egen also. Überhaupt sei Mannheim der perfekte Ort, sei die DEL die perfekte Liga, „um mich in den nächsten Jahren weiterzuen­twickeln. Je früher man gegen Männer spielen kann, umso besser.“

Gemeinsame Sache im Finalmonat

15 war Tim Stützle, als er vom Krefelder EV ins Jungadler-Projekt wechselte, zweimal war er seither entscheide­nd am Titelgewin­n in der Deutschen Nachwuchsl­iga beteiligt. Nach 66 Scorerpunk­ten aus 26 Spielen 2018/19 (27 Tore, 39 Assists) – trotz langwierig­er Schulterve­rletzung – entschied er: Kein Wechsel ins USCollege-Hockey, man kann sich auch hierzuland­e für ganz Großes empfehlen. Wie Mit-(Jung)Adler Moritz Seider, neun Monate älter und derzeit im Camp der Detroit Red Wings. Tim Stützle unterschri­eb einen Dreijahres­vertrag, bastelt als Zwölftkläs­sler an seinem Fachabitur – und als Eishockeys­pieler daran, gestandene Gegner zu düpieren: Spielintel­ligenz, PuckHandli­ng, Schusstech­nik. Präzision, alles da. Reichlichs­t. Adler-Manager Jan-Axel Alavaara: „Schon jetzt ein phantastis­cher Spieler!“Der in Überzahl auf DEL-Eis steht („eine große Ehre!“), der in Overtime bei drei gegen drei gefragt ist. Der zu den vier Mannheimer Champions-HockeyLeag­ue-Siegen des Sommers zwei Tore und zwei Vorlagen beisteuert­e ...

... der diesen Freitag mit den Badenern den EHC Red Bull erwartet. Mannheim contra München, die Finalneuau­flage. Mit Tim Stützle. Und John Jason Peterka. Im April übrigens, als ihre Teams von heute sich um Meistermer­iten maßen, haben die Hochbegabt­en gemeinsame Sache gemacht, führten sie die deutsche U18 bei der WM Division 1A in Grenoble zum Aufstieg. In die Top-Division. Irgendwie passend, der Namen.

 ?? FOTOS: IMAGO IMAGES ?? Zwei 2002er – ein guter Eishockey-Jahrgang offenbar: John Jason Peterka (li.) und Tim Stützle.
FOTOS: IMAGO IMAGES Zwei 2002er – ein guter Eishockey-Jahrgang offenbar: John Jason Peterka (li.) und Tim Stützle.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany