Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ökofragen erreichen das Bierzelt

Das Oktoberfes­t hat angefangen – Auch auf der Wiesn beschäftig­t man sich mit der Umwelt

- Von Sabine Dobel, Marco Krefting und Moritz Baumann

MÜNCHEN (dpa) - Sonne, blauer Himmel und ein gelungener Anstich: Die Wiesn hat einen Bilderbuch­start hingelegt. Eine Million Besucher kam am ersten Wochenende. In den Gassen zwischen Festzelten und Fahrgeschä­ften herrschte so dichtes Gedränge wie lange nicht. Viele Zelte waren schon am frühen Samstagnac­hmittag wegen Überfüllun­g geschlosse­n.

„Man hat es beim Einzug der Wirte gesehen: Es waren an den Straßen wahnsinnig viele Leute – viel, viel mehr als früher“, sagte Wiesnchef Clemens Baumgärtne­r (CSU). „Ich glaube, die Lust auf die Wiesn ist wieder größer geworden.“Auch auf der Wiesn-Sanitätswa­che war der große Andrang spürbar: Die Helfer mussten fast 560 Patienten versorgen – fast hundert mehr als im Vorjahr.

Mit zwei Schlägen hatte Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) – inzwischen Meister dieser Kunst – das erste Fass Bier angezapft. Mit Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) stieß er auf eine friedliche Wiesn an. Dass nichts passiert, dass alle wieder heil nach Hause kommen: Das ist das Wichtigste – da sind sich alle einig.

Für die Sicherheit ist alles getan: Hunderte Polizisten und Hunderte Ordner sind im Einsatz, fast 50 Videokamer­as überwachen das Gelände. Anders als in den Vorjahren bekümmert Terrorangs­t die Gäste deutlich weniger. Dafür gibt es heuer ein anderes drängendes Thema, das den Wiesnstart umrahmte: die Sorgen um das Weltklima. Hunderttau­sende hatten am Freitag weltweit demonstrie­rt; Vertreter der Bundesregi­erung berieten 19 Stunden lang übers Klima. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reist nach New York zum UN-Klimagipfe­l an diesem Montag. Die Klimafrage hat längst das größte Volksfest der Welt erreicht, das zwar weltweit als Vorbild in der umweltscho­nenden Organisati­on gilt, aber mit sechs Millionen Besuchern kaum zur Energiespa­r-Veranstalt­ung mutieren wird. Das Fest verbraucht in gut zwei Wochen so viel Strom wie eine Kleinstadt mit 21 000 Einwohnern, 2018 waren es 2,93 Millionen Kilowattst­unden und 200 937 Kubikmeter Erdgas. Durch Ökostrom und Ökogas spart das Fest rund 1000 Tonnen Kohlendiox­id ein.

LED-Lampen erleuchten die Zelte. Spülwasser der Bierkrüge wird für die Toilettens­pülung verwendet. Einige Zelte haben Solarzelle­n fürs heiße Wasser. Die Stadt berücksich­tigt, so betont OB Reiter, bei der Zulassung mehr als früher Umweltvert­räglichkei­t und Regionalit­ät. Bewerber bekommen Punkte etwa für biologisch abbaubare Hydraulikö­le, für schadstoff­arme Zugmaschin­en und ein Produktang­ebot aus Ökoanbau. Es gibt nicht nur vegetarisc­he, sondern auch vegane Gerichte.

Trotzdem bleibt die Wiesn ein Fest des Fleisches: Zehntausen­de Hendl wurden allein am ersten Wochenende gegrillt, dazu mehrere Ochsen. Der erste, der in der Ochsenbrat­erei auf dem Gasgrill hing, hieß Max. Immerhin: Sein Spieß drehte mit Ökostrom. Die Gasgrills sind aber wohl ein Grund für hohe Methanwert­e am Wiesngelän­de. Forscher hatten 2018 im Schnitt sechsfach erhöhte Werte des Klimagases gemessen verglichen mit der Zeit vor und nach dem Fest.

Ministerpr­äsident Söder, am Freitag noch beim Klima-Verhandlun­gsmarathon, sagte, man müsse sich weiter mit Klimaneutr­alität befassen – aber „trotzdem die Wiesn genießen“: „Wir müssen Lebensfreu­de mit Klimaschut­z verbinden.“

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FOTO: DPA Tradition, aber auch Ökofortsch­ritt: So spart die Wiesn inzwischen im Vergleich zu früher rund 1000 Tonnen Kohlendiox­id ein.

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