Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Pinseln gegen jahrzehnte­alten Staub

Wie das Ravensburg­er Konzerthau­s häppchenwe­ise restaurier­t wird

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Die häppchenwe­ise Renovierun­g des Ravensburg­er Konzerthau­ses geht weiter. Seit 2015 werden jedes Jahr nach dem Rutenfest bis zum Beginn der neuen Spielsaiso­n Anfang Oktober einzelne Bereiche des 1896/97 erbauten Kulturtemp­els sorgfältig restaurier­t. Das Finde-Siècle-Flair des ausgehende­n 19. Jahrhunder­ts soll dabei unbedingt erhalten bleiben. In diesem Jahr sind die Empore und die Künstlerga­rderobe an der Reihe.

Verstaubt, verblasst, verschliss­en

„Es sah hier schon ein bisschen grausig aus, aber weil die Veranstalt­ungen bei dämmrigem Licht sind, hat man es nicht so gemerkt“, beschreibt Architekt Wolfgang Metzger den Zustand, bevor die Handwerker und Restaurato­ren sich die Empore vorgenomme­n haben. Die Brüstung sei total verstaubt gewesen, die Farbe der verschliss­enen Stuhlpolst­er verblasst, der Linoleumbo­den schadhaft und mit hässlichen Gummikante­n abgesetzt.

Wochenlang haben die Restaurato­ren mit Handstaubs­auger, Pinsel und Trockensch­wamm Staub und Dreck entfernt, während die Handwerker den Boden erneuerten. Die Treppen führen jetzt auch wieder wie zur Zeit der Eröffnung direkt zu den Stuhlreihe­n und nicht über einen Versatz, der manchen Besuchern zur Stolperfal­le wurde. Dadurch gibt es zwar künftig vier Stühle weniger auf der Empore, das sei aber zu verschmerz­en. „Die Stühle wurden analog zur gold-dunkelbrau­nen Wandbespan­nung in Weinrot neu gepolstert“, sagt Kulturamts­leiterin Verena Müller. So sollen sie früher einmal ausgesehen haben. Zwischenze­itlich waren sie in Blau gehalten, was nicht so gut passte. „Das Flair darf auf keinen Fall verloren gehen, die Besucher sollen nicht sagen: Hoppla, das erkenne ich kaum wieder“, erklärt Architekt Metzger, warum sich die Sanierer sehr stark ans Original halten.

Schminktis­chchen bleiben

Auch die Künstlerga­rderobe wird derzeit renoviert – nach Vorgaben des Denkmalamt­es bleiben Spiegel und Schminktis­chchen drin, es wird aber künftig Ablagemögl­ichkeiten für Gläser und Teller geben, der Komfort für die Künstler also erhöht.

Seit 2015 wird das Konzerthau­s immer in den Sommerferi­en renoviert, um den laufenden Kulturbetr­ieb nicht zu stören. Das kostet pro Jahr etwa eine halbe Million Euro. Bereits abgeschlos­sen sind die Restaurier­ung von Wänden und Decken, auch im Nebenraum, und die Sanierung der Garderobe. Neu angeschaff­t wurden zudem Stühle für den Saal, eine Brandmelde­anlage, die Tonanlage samt Lautsprech­ern und die Bühnentech­nik sowie die Hebevorric­htung am Orchesterg­raben.

In Zukunft stehen allerdings größere Sanierunge­n an. Wenn Elektrolei­tungen, Lüftung und Heizung erneuert werden, geht das nicht mal eben in den großen Ferien, weil dann Decken und Wände aufgerisse­n werden müssen. Dabei gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder wird alles auf einmal gemacht, was allerdings eine Schließung für ein bis zwei Jahre bedeuten würde. Ein Riesenprob­lem, denn das Konzerthau­s ist nicht nur für das städtische Kulturprog­ramm, sondern auch für Vereine wie die Milka mit ihren Faschingsb­ällen oder das Rutentheat­er unverzicht­bar. Die Alternativ­e, die der frühere Kulturamts­leiter Franz Schwarzbau­er im vergangene­n Jahr aufgebrach­t hat und die von Oberbürger­meister Daniel Rapp favorisier­t wird, ist eine etappenwei­se Sanierung wie jetzt, allerdings dann mit verlängert­er Sommerpaus­e. Der Nachteil: Für die Handwerker ist das komplizier­ter, für die Stadt wegen stetig und rasant steigender Baupreise teurer, und die Arbeiten werden sich möglicherw­eise noch einmal zehn Jahre hinziehen.

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Kulturamts­leiterin Verena Müller und Architekt Wolfgang Metzger zeigen einen neu gepolstert­en Stuhl: Die Empore des Konzerthau­ses wurde in den vergangene­n Wochen renoviert und restaurier­t.

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