Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Lokomotive streikt
Zum Auftakt der Rad-WM gewinnt das deutsche Mixed-Team Silber – Tony Martin mit Problemen
HARROGATE (dpa/SID) - Tony Martin redete gar nicht lange herum. „Wir haben die Medaille ganz klar den Frauen zu verdanken, so selbstkritisch müssen wir einfach sein. Wir haben uns schon halb bei den Frauen entschuldigt“, sagte der frühere Zeitfahr-Weltmeister nach der Silbermedaille zum Straßen-WM-Auftakt. Bei der Premiere des Mixed-Teamzeitfahrens überzeugten vor allem Lisa Brennauer und Lisa Klein, sie machten einen großen Rückstand wett und brachten die deutsche Mannschaft noch aufs Podium.
Noch gezeichnet von seinem schweren Sturz bei der SpanienRundfahrt musste Martin auf den letzten Kilometern der Männer-Runde sogar Nils Politt und Jasha Sütterlin ziehen lassen – ein ungewohntes Bild bei der eigentlichen Lokomotive. „Ich bin noch nicht 100 Prozent da, wo ich sein will. Ich habe noch relativ große Schmerzen im Brustkorb“, räumte Martin ein, der einen Verzicht auf das Einzelzeitfahren diesen Mittwoch allerdings ausschloss. Das Abreißen, so sagte er, sei deshalb mehr oder weniger geplant gewesen. Vielmehr bemängelte Martin die fehlende Harmonie im Männer-Trio: „Wir haben uns einfach nicht gefunden, wir waren nicht homogen genug, hatten vielleicht auch nicht genügend Zeit, um das Ganze einzustudieren.“Beim herausragenden Einsatz von Brennauer und Klein war der zweite Rang hinter den Niederlanden ein wertvoller Trost. „Ich denke, wir können alle zufrieden sein“, betonte die Saarländerin Klein.
Die gemischte Zeitfahrstaffel stand erstmals im WM-Programm und löste als Auftaktwettbewerb das Zeitfahren der Profiteams ab, das zwischen 2012 und 2018 ausgetragen wurde. Die Einführung des neuen Wettbewerbs war auf ein geteiltes – überwiegend kritisches – Echo gestoßen. Der Radsportweltverband UCI will mit dem Rennen ein Zeichen für die Gleichstellung von Männern und Frauen setzen. Bis auf wenige Ausnahmen fehlten in den Teams aber die großen Namen, zudem stand keine nichteuropäische Mannschaft am Start. „Der Wettbewerb an sich hat Spaß gemacht, das Feeling, für die Nation zu kämpfen“, sagte Martin, ergänzte jedoch: „Es ist wie bei vielen neuen Sachen, man muss sich rantasten, und viele haben erst mal eine Abwehrhaltung.“