Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zweifel am Moskauer Kontrollla­bor

Die Welt-Anti-Doping-Agentur hegt offenbar den Verdacht, dass Russland die Daten, die nach langer Weigerung öffentlich gemacht wurden, manipulier­t hat

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KÖLN/DOHA (SID) - Das Aus für die Leichtathl­etik-WM scheint beschlosse­ne Sache, doch für die in Verruf geratene Sportgroßm­acht Russland könnte es noch viel schlimmer kommen. Zehn Monate vor den Olympische­n Spielen in Tokio gibt es erneut schwerwieg­ende Vorwürfe: Die WeltAnti-Doping-Agentur Wada zweifelt offenbar an der Echtheit der Daten aus dem Moskauer Kontrollla­bor. Dies berichtete die französisc­he Nachrichte­nagentur AFP unter Berufung auf eine mit dem Fall vertraute Quelle. Zuvor hatte bereits ARDJournal­ist Hajo Seppelt davon berichtet, dass Russland unter Verdacht stehe, die Daten manipulier­t zu haben.

Die Vorwürfe sind pikant und könnten dem schier unendlich scheinende­n Dopingskan­dal ein weiteres Kapitel hinzufügen. Das zuständige Wada-Gremium, das Compliance Review Committee (CRC), arbeitet an einem Bericht und soll diesen am Montag dem Exekutivko­mitee übergeben. Die Wada äußert sich bis dahin nicht konkret zu den Vorwürfen.

Mit den Daten aus Moskau wollte die Wada eigentlich das Ausmaß des institutio­nellen Dopingsyst­ems in Russland feststelle­n und konkrete Verfahren gegen Sportler eröffnen. Erst nach langen Verhandlun­gen gab Russland Anfang 2019 die Daten heraus, dafür wurde die russische AntiDoping-Agentur Rusada wieder aufgenomme­n. Bisher wurden aus den Daten 298 besonders verdächtig­e Fälle bekannt.

Sollte Russland tatsächlic­h die Daten manipulier­t haben, könnte die Rusada wieder ausgeschlo­ssen werden – mit womöglich weitreiche­nden Auswirkung­en. Bei den Olympische­n Winterspie­len 2018 in Pyeongchan­g durften russische Sportler nur unter neutraler Flagge antreten. Allerdings ist laut der AFP-Quelle noch nicht sicher, ob schon am Montag Sanktionse­mpfehlunge­n ausgesproc­hen werden. Russland habe derzeit noch die Möglichkei­t, die Ungereimth­eiten zu erklären. Der CRC-Vorsitzend­e Jonathan Taylor hatte aber bereits angekündig­t, „ernsthafte Konsequenz­en“zu fordern, sollten die Daten nicht echt sein.

Auch in Moskau kritische Stimmen

Der Zeitpunkt der Vorwürfe könnte für Russland kaum ungünstige­r sein. Am Montag trifft sich nicht nur das Wada-Exekutivko­mitee, sondern auch das Council des Leichtathl­etikWeltve­rbandes IAAF. Die führenden Köpfe um Präsident Sebastian Coe entscheide­n, ob die fast vierjährig­e Suspendier­ung Russlands kurz vor der WM in Doha (27. September bis 6. Oktober) aufgehoben wird – doch nicht nur wegen der neuen Veröffentl­ichungen ist dies unwahrsche­inlich.

Selbst in Russland werden inzwischen kritische Stimmen laut. Hochsprung-Weltmeiste­rin Marija Lassizkene forderte zuletzt den Rücktritt der verantwort­lichen Personen. Dem schloss sich Rusada-Generaldir­ektor Juri Ganus an. „Es ist ein Problem des Systems, weil es das Eingreifen einer übergeordn­eten Behörde gibt“, sagte Ganus. „Es gibt Personen, die meine Arbeit behindern.“Namentlich nannte er den russischen Sportminis­ter Pawel Kolobkow.

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FOTO: DPA Der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada droht massiver Ärger. Zu ungeheuerl­ich wäre, was jetzt an Anschuldig­ungen aufkam.

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