Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Nörgeln der anderen
Weiter ungeschlagen, weiter Tabellenführer, weiter weit weg von der Perfektion – VfB-Trainer aber ist zufrieden
STUTTGART - Das Schöne am Fußball ist, dass man über ihn so herrlich diskutieren kann. Doch nicht nur an den Stammtischen und vor den Fernsehgeräten gehen die Meinungen teilweise weit auseinander, auch bei so manchen Experten dank Berufswahl herrscht oft eine enorme Diskrepanz. Nach dem nicht gerade spielerisch überragenden und doch wichtigen 2:0 (1:0) des VfB Stuttgart gegen Greuther Fürth waren sich vor allem die Entscheider nur darin einig, dass sie sich nicht einig sind.
Sportvorstand Sven Mislintat wollte nach Abpfiff minutenlang über nichts anderes als die Unzulänglichkeiten des Anführers der 2. Bundesliga reden. „Ich bin mit dem Tabellenplatz zufrieden, auch mit dem Ergebnis, bei drei Alu-Treffern von Fürth hätte es aber auch ganz anders ausgehen können.“Und: „Wir müssen uns das Spiel noch mal genau angucken und die richtigen Schlüsse ziehen, warum wir das, was wir uns vorstellen, nicht auf den Platz bekommen.“Eine „knallharte Analyse“sei die Konsequenz. „Denn normalerweise lernst du aus Niederlagen am meisten“, sagte Mislintat, für den sich der Sieg eben genau wie eine solche anfühlte.
Was der Sportvorstand meinte, war das, was die Zuschauer nach der frühen Führung durch Daniel Didavi (2.) geboten bekamen. Da investierten die Bad Cannstatter zu wenig in die Arbeit gegen den Ball. Anscheinend beeindruckt von der intensiven Zweikampfführung der Gäste gaben sie die Spielkontrolle über weite Strecken aus der Hand. Trotzdem kam der VfB zu guten Chancen, hatte aber auch Glück, dass Fürths Tobias Mohr (29./ 57.) und der eingewechselte Marvin Stefaniak (90.+1) jeweils am Aluminium scheiterten und Philipp Förster (82.) den Sieg und damit die verteidigte Tabellenführung eintütete.
Womit wir bei Trainer Tim Walter wären. Der gestattete seinem Boss natürlich dessen Meinung, setzte aber in der Analyse andere Schwerpunkte.
Die Gangart der Fürther sei teilweise unfair gewesen, beklagte sich Walter. Mislintat sagte: „Wir müssen besser mit der ausgereizten Härte innerhalb der Regeln umgehen lernen.“Walter verwies stattdessen auf die bisherige Bilanz: „Wir haben sieben Spiele gespielt, wir haben 17 Punkte, wir haben fünf Siege und zweimal Unentschieden gespielt. Wir sind im DFBPokal weiter“, betonte der Coach. Und unabhängig von Mislintat fügte er hinzu, dass er nicht wisse, „was es immer zu nörgeln gibt.“
Antizyklisch loben und tadeln: Vielleicht hat der Coach sich das von der Börse abgeschaut. Nach dem Sieg in Regensburg zuletzt hatte er seine Spieler ja kritisiert. An der Punkteausbeute gibt es nun nichts zu nörgeln, an der Art und Weise objektiv schon. Abwehrspieler Pascal Stenzel sprach von einer „Reifeprobe, die wir bestanden haben. Auch wenn wir noch darüber reden müssen, dass wir noch einiges besser machen müssen.“
Eine bestandene Reifeprobe
Gregor Kobel hatte sogar ein „super Gefühl“. „Wir haben Moral gezeigt und sind noch ungeschlagen.“Dass der Torhüter nach dem Spiel strahlen konnte, hatte sich zwischenzeitlich nicht angedeutet. Dreimal hatte sein Trainer verletzungsbedingt wechseln müssen, Kobel (Prellung am Knie) und Routinier Gonzalo Castro (Prellung am Fuß) waren nach 20 Minuten raus, Angreifer Nicolás González folgte dann in der 77. Minute. Bei allen kam die Entwarnung bald.
Kobel selbst war sich sicher, am Freitag (18.30/Sky) im Spitzenspiel bei Arminia Bielefeld wieder zwischen den Pfosten zu stehen. Dann wartet der nächste Gegner aus der oberen Tabellenregion. Und einer, der ganz in der Nähe aufgewachsen ist, freut sich schon ganz besonders. „ Freitagabend, Flutlicht, was kann schöner sein?“, fragte Sven Mislintat, warnte aber auch: „Dieses Duell ist die nächste Herausforderung aus dem Topf der Aufstiegsanwärter.“Zumindest darin waren sich alle Beteiligten einig.