Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alte Hippe
Vor ein paar Jahren, als man mit Facebook durch das fleißige Veröffentlichen von Katzenoder Urlaubsbildern sogenannte Freunde und noch nicht durch den massiven Missbrauch von Userdaten reale Wahlen gewinnen konnte, da erlangte die Facebookseite „Mittelmäßige Fußballer der Bundesligahistorie“einige Popularität. Dort wurde all jenen holzbeinigen Rasenumpflügern, eisenschädligen Kopfballungeheuern oder Blutgrätschenhelden gehuldigt. Die un- oder zu selten besungenen Helden wie
Sixten Veit, Radoslav Latal, Christian Lell, Sotirios Kyrgiakos,
Dragan Trkulja, Rainer Scharinger.
Dimitrios Tsionanis Schlindwein
oder
Yves Eigenrauch
Auch die wackeren Eisenfüße
und von Waldhof Mannheim, der zu Unrecht ein wenig vergessene Prototyp eines mittelmäßigen Clubs der Bundesligahistorie, gehören dazu. Falls Sie sich gefragt haben, wieso ich in letzter Zeit wieder öfter an diese Facebookseite denken musste und weshalb ich Sie mit dieser beliebig fortführbaren Liste behellige, dann lautet die Antwort: Hertha BSC.
Dieter
Der Hertha Berliner Sportclub will ja seit einigen Monaten mal wieder mehr sein, als er ist. „Hertha BSC hoffte nach Jahren der Biederkeit auf einen Neuanfang“, las ich kürzlich bei den Kollegen von „spiegel.de“. Das war insofern falsch, als dass die Biederkeit in der Club-DNA implementiert ist. Was schon auf die Gründungsgeschichte zurückgeführt werden kann. Als am 25. Juli 1892 die Brüderpaare und sowie und einen Fußballclub gründen wollten, fiel ihnen bei der Namenssuche nichts Unkreativeres ein, als den neuen Verein nach einem Ausflugdampfer zu benennen, auf dem Fritz und sein Vater kurz zuvor auf der Havel gefahren waren – die Hertha eben. Mittlerweile hätte der Club zwar einen Beinamen, den man durchaus mit Würde tragen könnte, doch die „Alte Dame“ist der Alten Tante Hertha (womit ich nichts gegen alte Tanten gesagt haben möchte) zu poplig. Wenn Sie jetzt angesichts dieser Polemik denken, dass ich Hertha BSC einfach nicht mag, dann ist das übrigens falsch. Der Hertha-Hasser dieses Sportressorts ist der es als Rostocker mit Hansa und Union Berlin hält. Mir ist der Club aus dem tiefsten Berliner Westen einfach komplett egal – eine der wenigen Dinge, die mich mit vielen Berlinern, aus West wie Ost, verbindet.
Fritz Otto Max Lindner Willi Lorenz Felix Alex,
Wie auch immer: Als nun im Frühjahr der Unternehmer
der seinem Namen in seiner unternehmerischen Vergangenheit bereits zur Ehre gereicht hat, als Investor beim ewigen Mittelklasseclub einstieg, wähnte man sich schon wieder
Lars Windhorst,
in ganz anderen Sphären. Als ob 125 Millionen Euro von einem fußballfernen Millionär einen heutzutage in die Champions League führen und Fans in die zugige Betonschüssel Olympiastadion locken könnten. Die Hertha wollte künftig keine Alte Dame, sondern ein „hipper Hauptstadtclub“sein. Kann man ja mal behaupten, hat ja schon hervorragend geklappt, als der Manager noch hieß und noch nicht
Der feuerte jedenfalls als Erstes Trainer Der Rekordspieler des Clubs war zwar eine wirklich sympathische Identifikationsfigur und zu Spielerzeiten eigentlich auch zu gut für die Facebookseite „Mittelmäßige Fußballer der Bundesligahistorie“.
Hoeneß Preetz. Pal Dardai. Dieter Michael
Doch sein doch sehr auf Querpässen und Stabilität basierender Fußball stand eben vor allem für mittelmäßige, sorgenfreie Solidität. Verpflichtet wurde
der als Spieler auch nach eigener Auffassung so mit seinem Talent geschludert hatte, dass er unbedingt in die Facebookseite „Mittelmäßige Fußballer der Bundesligahistorie“gehört. Aber als Trainer der zweiten Mannschaft hatte er regelmäßig während des Spiels die Systeme über den Haufen geworfen. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren im Umschaltspiel gut entwickelt. Jetzt geht es mir darum, dass wir im Spiel mit Ball noch mehr Gefahr ausstrahlen“, betonte Covic immer wieder – um nach dem glücklichen 2:2 zum Auftakt in München Spieltag für Spieltag bis auf den letzten Tabellenplatz zurückzufallen.
Covic, Davie Selke: Ante
Am Samstag feierte die Hertha gegen den immer noch erfrischend offensiv aufspielenden, aber auch heillos naiven Aufsteiger Paderborn seinen ersten Saisonsieg. „Du zitterst dich bis zur 90. Minute durch. Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass die Jungs morgen mit drei Punkten aufwachen“, gab Covic hinterher in der Gesamtschau zu. Doch weil das 1:0 durch ein spektakulärer Solosprint über das halbe Feld samt sehenswertem Abschluss, tatsächlich ganz hübsch anzusehen gewesen war, lobte Sturmkollege „Ein Weltklasse-Solo“. Drunter macht es ein hipper Hauptstadtclub nicht.
Javairo Dilrosun,