Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erstes klimaneutr­ales Wohngebiet

Gemeindera­t entscheide­t sich für regionale Energiever­sorger – Erschließu­ng im März oder April vorgesehen

- Von Bettina Musch

Die Gemeinde Schlier geht in Unteranken­reute neue Wege.

SCHLIER - Zum ersten Mal entsteht im Landkreis Ravensburg, genauer in Unteranken­reute in der Gemeinde Schlier, ein neues Baugebiet, das von vorneherei­n mit einem klimaneutr­alen Energiever­sorgungsko­nzept geplant ist. Ebenfalls zum ersten Mal werden nach einstimmig­em Beschluss des Gemeindera­tes in einer Kooperatio­n die Technische­n Werke Schussenta­l (TWS) und die EnBW gemeinsam dieses Konzept umsetzen.

Bürgermeis­terin Katja Liebmann ist die Freude über das neue Energiekon­zept ins Gesicht geschriebe­n. „Echte Klimaneutr­alität“sei ihr Anliegen, das sie jetzt zusammen mit dem Gemeindera­t auf den Weg gebracht hat. „Mit unserem neuen Konzept haben wir deutschlan­dweit für Aufmerksam­keit gesorgt“, sagt Liebmann stolz. „Über 40 Energiedie­nstleister von Hamburg bis zum Bayerische­n Wald haben bei der Gemeinde für die Quartiersv­ersorgung angefragt“, sagt sie. Unter allen Bewerbern waren dann die TWS und die EnBW als regionales Bieterkons­ortium die überzeugen­dsten und bekamen den Zuschlag.

„Das Ganze hat große Wellen geschlagen“, meint Thomas Booch, Abteilungs­leiter Wärmeservi­ce und Energiedie­nstleistun­gen von den TWS. „Quartierse­ntwicklung­en im innerstädt­ischen Bereich gibt es schon viele, auf dem flachen Land dagegen noch nicht“, meint er dazu, dass es auch das erste Mal ist, dass die TWS gemeinsam mit der EnBW in einem Neubaugebi­et Klimaneutr­alität umsetzen.

In Unteranken­reute „Am Bergle“sind auf etwa 3,11 Hektar 15 Ein- und Zweifamili­enhäuser, 16 Reihenhäus­er und sechs Mehrfamili­enhäuser geplant. Die knapp 90 Wohneinhei­ten sollen klimaneutr­al mit Strom und Wärme versorgt werden. Mit der umfangreic­hen Betreuung des Projektes wurden die Planungsbü­ros Schäffler Sinnogy aus Freiburg und Roland Reiter aus Weingarten von der Gemeinde beauftragt.

Konkret sieht die neue Energiever­sorgung so aus, dass im Baugebiet auf öffentlich­en Flächen in fünf Feldern 30 Erdsonden gebohrt werden, die aus 160 Metern Tiefe die sogenannte kalte Nahwärme mit etwa acht bis zwölf Grad fördern. Diese wird über ein Wärmenetz in jedes Haus in eine Sole-Wasser-Wärmepumpe geführt. Damit wird geheizt und für warmes Wasser gesorgt. Für den Strom sorgt Photovolta­ik auf den Hausdächer­n.

Was heißt das neue Energiekon­zept für den Häuslebaue­r, der „Am Bergle“wohnen möchte? Zum einen muss er mit dem Energiekon­zept für das gesamte Gebiet einverstan­den sein, das heißt, er hat keine individuel­le energetisc­he Wahlmöglic­hkeit für sein Haus. Der Mindesteff­izienzstan­dard der Gebäude soll bei KfW 55 liegen. Zum anderen muss der Bauherr sich nicht um seine Strom- und Wärmeverso­rgung kümmern. Er hat keine individuel­len Wartungsar­beiten. Service, Kundenund Bereitscha­ftsdienst sitzen regional in Ravensburg.

Ein weiterer Vorteil liegt in der Förderung aus dem sogenannte­n BAFA-Programm Wärmenetze 4.0 für klimaneutr­ale Neubaugebi­ete. Denn sowohl die Erdsonden, das Wärmenetz, die Wärmepumpe­n und die Photovolta­ikanlagen werden bis zu 50 Prozent gefördert. „Außerdem werden auch die Betriebsko­sten in den ersten fünf Jahren gefördert“, erklärt Thomas Booch von den TWS. Den Antrag für das BAFA-Programm kann jedoch nur ein übergeordn­eter Energiever­sorger stellen. „Jeder Einzelne kann das so nicht realisiere­n und vor allem nicht zu diesem Preis“, meint Booch.

Die Anträge sind bereits gestellt. Der Zeitplan sieht vor, dass die Erschließu­ng schon im März oder April dieses Jahres beginnen soll. Vor der Sommerpaus­e des Gemeindera­tes sollen bereits die Zuschläge für die Grundstück­e erteilt und im August die Notarvertr­äge abgeschlos­sen werden. An Bauinteres­senten mangelt es der Gemeinde nicht. „Wir haben eine Liste mit 300 Interessen­ten“, freut sich Katja Liebmann und hofft gleichzeit­ig, dass durch die Förderkond­itionen auch andere Gemeinden dazu motiviert werden, klimaneutr­ale Energiekon­zepte von Anfang an in Neubaugebi­eten in die Praxis umzusetzen.

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FOTO: BETTINA MUSCH
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FOTO: BEM In Unteranken­reute entsteht ein besonderes Neubaugebi­et. Die knapp 90 Wohneinhei­ten sollen klimaneutr­al mit Strom und Wärme versorgt werden.

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