Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Abriegelung von Orten ist auch in Deutschland möglich
Das Infektionsschutzgesetz erlaubt die Einschränkung der persönlichen Freiheit – Drastische Maßnahmen bislang eher unwahrscheinlich
BERLIN (AFP) - Sollte sich das Coronavirus in Deutschland weiter ausbreiten, könnte es auch hierzulande zu weitreichenden Einschränkungen im Alltag kommen. Das Infektionsschutzgesetz lässt eine Vielzahl von Maßnahmen zu. Fragen und Antworten zur rechtlichen Lage in Deutschland:
Was haben die Behörden bisher unternommen?
Rund hundert Rückkehrer aus China wurden Anfang Februar bei ihrer Ankunft in Deutschland in Quarantäne genommen, um sie auf eine mögliche Infektion hin zu untersuchen. Die Maßnahme war unumstritten, aber keineswegs freiwillig. Das Infektionsschutzgesetz legt fest, dass Quarantäne bei „Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern“angeordnet werden kann. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erließ zudem eine verschärfte Meldepflicht. Seither muss den Gesundheitsämtern nicht nur eine nachgewiesene Corona-Infektion gemeldet werden, sondern auch jeder Verdachtsfall.
Welche Maßnahmen sind künftig denkbar?
Das Infektionsschutzgesetz gibt den Behörden ein breites Spektrum möglicher Maßnahmen an die Hand: Ausdrücklich heißt es in der Regelung, dass Grundrechte wie die Freiheit der Person, die Freizügigkeit, die
Versammlungsfreiheit, die körperliche Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt werden können. Die Behörden dürfen Veranstaltungen oder größere Menschenansammlungen – etwa auch Demonstrationen – beschränken oder untersagen. Badeanstalten oder Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kitas und Ferienlager können ganz oder teilweise geschlossen werden. Die zuständige Behörde kann dem Gesetz zufolge auch Menschen „verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. Grundsätzlich könnten also auch in Deutschland ganze Gebiete oder Städte abgeriegelt werden. Für den Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist dies aber nur ein Gedankenspiel: „Die Frage ist, wie wirksam ist das, und funktioniert das in einer 3,7-Millionen-Einwohner-Stadt so umfassend wie das in oberitalienischen Kleinstädten der Fall ist“, sagte er dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Die Abriegelung einer Gemeinde sei eine „drastische Maßnahme“, betont auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Bevor es so weit komme, müssten andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden – wie etwa die Schließung von Schulen.
Was geschieht im Fall einer Betriebsschließung?
Wenn ein Unternehmen wegen des Coronavirus geschlossen werden muss, haben die Beschäftigten nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums grundsätzlich Anspruch auf Weiterzahlung ihres Gehalts. Für den Arbeitgeber gehöre dies zum Betriebsrisiko. „Die Arbeitnehmer behalten also ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können“, erklärt das Bundesarbeitsministerium. Wenn Betriebe ihre Produktion einschränken oder einstellen müssen, kommt auch Kurzarbeitergeld infrage.