Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Regelungen gehen in Europa weit auseinander
Am liberalsten sind die Schweiz, die Niederlande, Belgien und Luxemburg
Die katholische Kirche, in der Sie aktiv sind, spricht von „Zäsur“. Der Leiter des katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, sieht gar die bisherige Gewissheit erschüttert, dass das menschliche Leben in all seinen Phasen vom Staat geschützt wird.
Aus Sicht der christlichen Lehre ist einem das Leben von Gott gegeben und Teil der Schöpfung. Es gehört damit nicht nur einem selbst, sondern auch Gott und den Mitmenschen und sollte deshalb nicht von einem selbst beendet werden. Deshalb ist ein solcher Schritt für mich nicht denkbar. Aber ich habe höchsten Respekt vor Menschen, die diesen Weg gehen wollen. Ich habe einen entsprechenden Fall in meinem Wahlkreis: Ich habe diesem Menschen gesagt, dass dies auch angesichts der Fortschritte in der Palliativmedizin nicht mein Weg wäre.
Und aus juristischer Sicht?
PARIS (AFP) - Aktive Sterbehilfe, also die Tötung eines Menschen auf Verlangen, ist in den meisten EUStaaten verboten. Ausnahmen bilden Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Beihilfe zum Suizid, etwa das Beschaffen von tödlichen Medikamenten, die der Patient selbst einnimmt, sind in einer Reihe von Ländern erlaubt oder werden geduldet. Indirekte Sterbehilfe, etwa das Verabreichen starker Schmerzmittel, die den Tod beschleunigen können, ist in vielen EU-Staaten zulässig. Voraussetzung dafür ist aber oft eine Patientenverfügung. Das gleiche gilt für passive Sterbehilfe, also den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen wie künstliche Ernährung.
In den Niederlanden, Belgien und G Luxemburg ist aktive Sterbehilfe durch den Arzt erlaubt. Voraussetzung ist eine unweigerlich zum Tod führende Krankheit des Patienten sowie dessen ausdrückliche Willensäußerung. Außerdem müssen die Betroffenen voll zurechnungsfähig sein. Über die Zulässigkeit der Tötung entscheidet eine Kontrollkommission aus Ärzten, Juristen und Ethikbeauftragten. Seit 2014 gewährt
Belgien auch unheilbar kranken Kindern, die unerträgliche Schmerzen haben, das Recht auf aktive Sterbehilfe. Ein Mindestalter schreibt das Gesetz nicht vor, die Kinder müssen aber „urteilsfähig“sein. Auch die
Niederlande erlauben Sterbehilfe für Kinder; diese müssen mindestens zwölf Jahre alt sein.
In Portugal wird derzeit die Legalisierung G der aktiven Sterbehilfe im
Parlament debattiert. In erster Lesung stimmten die Abgeordneten bereits für die Gesetzesänderung.
Die Beihilfe zum Suizid, um die es G in der deutschen Debatte geht, ist etwa in der Schweiz zwar nicht ausdrücklich erlaubt, doch wird sie gemäß einem medizinischen Ethikkodex geregelt. Laut Gesetz ist es strafbar, jemandem „aus selbstsüchtigen Beweggründen“bei der Selbsttötung zu helfen. Wird dem Helfer jedoch kein solcher Beweggrund nachgewiesen, bleibt er straffrei. Organisationen wie „Exit“und „Dignitas“bieten Beihilfe zum Suizid als eine Art Dienstleistung an. Aktive Sterbehilfe ist hingegen auch in der Schweiz verboten.
In Frankreich dürfen Ärzte seit G 2005 einen unheilbar kranken Patienten
„sterben lassen“, sein Leben aber nicht aktiv beenden. 2016 wurde Todkranken das Recht auf eine dauerhafte, zum Bewusstseinsverlust führende Medikamentenbehandlung „bis zum Tod“gewährt.
Italien entkriminalisierte im vergangenen G Jahr die Beihilfe zum Suizid unter strengen Bedingungen.
In Griechenland, wo die orthodoxe G Kirche sehr einflussreich ist, gilt Sterbehilfe als Beleidigung Gottes und ist streng verboten. Auch Beihilfe zu Suizid ist nicht erlaubt. Im katholischen Polen sind nicht nur alle Arten von aktiver oder passiver Sterbehilfe untersagt, sondern es ist auch Beihilfe zur Selbsttötung verboten. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, nimmt mehrjährige Freiheitsstrafen in Kauf.