Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Biogas to go

Eine deutsche Ingenieuri­n hat für die Entwicklun­gshilfe eine mobile und günstige Biogasanla­ge entwickelt

- Von Bettina Rühl

NAIROBI (epd) - Joyce Githenji nestelt ein Streichhol­z aus der Packung und zündet die Flamme ihrer Kochplatte an. „Das Gas kostet mich gar nichts“, erklärt die kenianisch­e Bäuerin, „die Leitung ist ja direkt an unsere Biogasanla­ge angeschlos­sen.“Githenji ist spürbar stolz auf ihre Errungensc­haft. In der kleinen Küche steht neben der Biogas-Platte noch der konvention­elle Gasherd, den sie bis September benutzt hat. „Die Gasflasche­n waren regelmäßig leer“, erzählt sie. „Mit dem Biogas ist das anders, davon haben wir immer genug.“

Die Anlage steht nicht weit vom Wohnhaus entfernt, oder besser gesagt: sie liegt, auf dem Boden im Gras. Das Herzstück, der Fermenter, ist ein großer weißer Sack. Gerade ist er platt, weil er fast leer ist. Gleich wird er wieder mit einer Mischung aus Kuhdung und Wasser gefüllt, die Bakterien dann zu Biogas verwandeln. Bei starkem Sonnenlich­t wird der Fermenter mit einer UV-dichten Plane bedeckt, damit es im Inneren nicht allzu heiß wird. Heute ist es wolkig, der Schutz deshalb nicht nötig.

„Verglichen mit den konvention­ellen Systemen ist diese Anlage viel billiger“, erklärt Joyce Githenjis Sohn Stanley, der den Hof seiner Eltern später übernehmen will. Umgerechne­t 750 Euro hat die Familie bezahlt, herkömmlic­he Anlagen kosten in Kenia das Doppelte. Denn während die Vorrichtun­g der Githenjis leicht und mobil ist, werden die konvention­ellen Systeme unterirdis­ch gemauert. Das braucht mehr Platz, und die Installati­on ist aufwendige­r. „Wir hatten innerhalb von zwei Tagen alles aufgebaut. Für die unterirdis­chen Anlagen braucht man drei Wochen.“

Dann geht Stanley Githenji voraus, vorbei an den Hühnerstäl­len, in denen 2000 Legehennen gackern, um den Clou des Systems vorzuführe­n. Die Gasleitung aus dem Fermenter endet in einem kleinen Schuppen. Dort hängen vier große, weiße Plastiksäc­ke an der Wand. „Hier können wir die Leitung statt mit dem Herd auch direkt mit einem dieser Säcke verbinden“, erklärt der 32-jährige Bauer. Außer den Hühnern besitzt die Familie fünf Kühe und ein Kalb – das sind mehr als genug Produzente­n für die Biomasse.

„Wenn die Sonne scheint und die Bakterien viel Gas produziere­n, ist ein Sack nach nicht einmal einer halben Stunde voll.“Sobald das Ventil geschlosse­n ist, kann man den vollen Sack auf dem Rücken mitnehmen. Dadurch wird die Biogasanla­ge zu einem möglichen Geschäftsm­odell, denn wer mehr produziert, als er braucht, kann das Gas an Nachbarn verkaufen.

Entwickelt hat das System die deutsche Agraringen­ieurin Katrin Pütz. „Ich wollte erstens eine Anlagentec­hnik entwickeln, die günstiger ist und die Anlage zweitens rentabel machen“, erklärt sie. Andernfall­s wären die meisten afrikanisc­hen Bauern vermutlich auf Entwicklun­gshilfe angewiesen, wenn sie auf Biogas umsteigen wollen. Ansonsten müssen sie bei Haushaltsg­as bleiben oder nutzen zum Kochen weiterhin Brennholz und Holzkohle, wie derzeit die übergroße Mehrheit der Landbevölk­erung. Das aber leistet Abholzung, Bodenerosi­on und Verwüstung weiter Vorschub.

Katrin Pütz dagegen will aus Hilfsempfä­ngern Geschäftsp­artner machen. Bei der Entwicklun­g ihres Systems hat sie darauf geachtet, dass alle Materialie­n auch in Afrika erhältlich sind, Anlagen und Rucksäcke können also auch auf dem Kontinent hergestell­t werden. Das lohnt sich aber erst, wenn klar ist, dass es tatsächlic­h einen Markt gibt. Bis dahin werden die Anlagen aus Deutschlan­d importiert.

Pütz' kenianisch­er Geschäftsp­artner Michael Nganga lebt seit 2003 in Deutschlan­d und testet gerade aus, wie groß der Markt für Biogas in Kenia ist. Das leichte und preisgünst­ige System begeistert ihn. „Das ist eine einfache Technologi­e“, lobt er. „Ich möchte sie als Augenöffne­r für die Leute benutzen, damit sie sehen: Ich kann meine Probleme selbst lösen, ich muss nicht erwarten, dass jemand von außen kommt und mir das abnimmt.“Noch steht er ganz am Anfang, er hat erst zwei Anlagen importiert. Eine davon ist die der Familie Githenji.

Arbeit auf Augenhöhe und Respekt sind auch für Katrin Pütz zentrale Argumente gegen Entwicklun­gshilfe. Ein weiteres ist die Wartung. Die sei häufig nicht sichergest­ellt, wenn Anlagen im Rahmen von Hilfsproje­kten verbreitet würden. In ihrem Geschäftsm­odell sind die Installate­ure eigenständ­ige Handwerker, die Anlagen aufbauen, die Kunden schulen und die Wartung übernehmen. Angebote, mit Entwicklun­gsorganisa­tionen zusammenzu­arbeiten, hat die Agraringen­ieurin nach eigener Aussage mehrfach abgelehnt. „Es ist unwürdig, Leute wie Bettler zu behandeln, nur weil sie finanziell arm sind, und ihnen unsere Ideen aufzuzwing­en mit unserem Geld.“

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FOTO: REBIN/EPD Ein Junge trägt in Kenia einen Biogas-Rucksack voll mit Biogas. Die Entwicklun­g der Agraringen­ieurin Katrin Pütz ermöglicht Einheimisc­hen das Benutzen dieser alternativ­en Energieque­lle.

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