Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Corona-Virus: OSK bereitet sich auf den Ernstfall vor
Medizinischer Leiter des Krankenhausverbunds rechnet fest mit Infektionen im Kreis
RAVENSBURG - Die Oberschwabenklinik (OSK) bereitet sich darauf vor, Covid-19-Patienten aufzunehmen. Auf die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zu Infektionen im Kreis Ravensburg kommen wird, antwortete der Medizinische Direktor und stellvertretende Geschäftsführer der OSK, Jan-Ove Faust: „Ich rechne fest damit.“Wenn es sich entsprechend steuern lässt, sollen leichtere Fälle in Wangen und schwerere Fälle am Elisabethenkrankenhaus in Ravensburg behandelt werden. Grundsätzlich gebe es aber auch in Wangen die Möglichkeit, Patienten mit lebensbedrohlichen Lungenentzündungen zu beatmen.
Schon nach den ersten Infektionen in Frankreich Anfang Februar, als sich englische Touristen im Skiurlaub mit dem Sars-Coronavirus-2 angesteckt hatten, habe die OSK ihre Notfallpläne angepasst. Zu dem Zeitpunkt sei im Grunde klar gewesen, dass sich die Krankheit auch in Europa schnell ausbreiten könnte, meint Faust. Am Mittwochmorgen hätte er mit der Chefärztin der Notaufnahme und dem Chefarzt der Internistischen Abteilung sowie der Hygieneabteilung, der Hauswirtschaft, der Apotheke und dem Einkauf Maßnahmen besprochen, was im Ernstfall zu tun ist. „Wir haben das Szenario perspektivisch vorgeplant.“
In der Notaufnahme wird dann ein größerer Isolierbereich geschaffen, der auch noch ausgeweitet werden kann. Komplett wird die Intensivstation mit ihren 24 Plätzen, an denen schwer Lungenkranke auch beatmet werden können, aber wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen. Sonst könnten Patienten mit anderen ernsthaften Erkrankungen oder schweren Verletzungen dort nicht mehr behandelt werden. „Sollte es sich steuern lassen, werden wir leichtere Fälle eher nach Wangen schicken“, sagt Faust. Dort sei es einfacher, Bereiche baulich abzutrennen. Um mit dem bestehenden Personal auszukommen, würden aufschiebbare Operationen und Behandlungen zeitlich verlegt.
Die Patienten in beiden Häusern müssten keine Angst haben, sich über die Lüftungsanlage anzustecken, sollten Covid-19-Patienten stationär aufgenommen werden. „Zu- und Abluft sind getrennt, nicht nur im Isolierzimmer mit der Schleuse“, erklärt Faust. So wird ausgeschlossen, dass ausgehustete Erreger über die Lüftung ins nächste Zimmer fliegen und dort eingeatmet werden können.
Seit dem explosionsartigen Anstieg der bestätigten Neuinfektionen in Norditalien am Wochenende rufen immer mehr besorgte Menschen bei der OSK an, weil sie Erkältungssymptome zeigen und sich fürchten. Ebenso wie Hausärzte. „Unsere Leiterin der Notaufnahme war gestern und heute fast den ganzen Tag am Telefon, dabei hat sie wirklich anderes zu tun“, bittet Faust Betroffene, sich auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de) zu informieren, was die Symptome sind und welche Reisenden aus welchen Gebieten besonders gefährdet seien, und dann beim Gesundheitsamt oder ihrem
Hausarzt anzurufen. Am späten Nachmittag wurde ein Patient ins EK gebracht, der glaubte, sich angesteckt zu haben. Dies bestätigte sich jedoch nicht.
Doch wie schützt die Oberschwabenklinik ihre eigenen Mitarbeiter, sollten diese Covid-19-Patienten behandeln müssen? „Genau wie bei der Grippe, da es sich ja um eine grippeähnliche Erkrankung handelt“, sagt Faust. Also mit Augenschutz, Mundschutzmasken und entsprechenden Kitteln. Hazmatanzüge aus Kunststoff, wie sie in der Ursprungsregion der Krankheit, im chinesischen Wuhan, benutzt wurden, oder wie man sie bei den Ebola-Epidemien in Afrika
benutzt, seien übertrieben, meint Faust.
Derweil hält Michael Föll, Leiter des Ravensburger Gesundheitsamtes, die Gefahr einer Ansteckung in Deutschland trotz einzelner bestätigter Fälle nach wie vor für gering. „Aber es ist eine dynamische Lage.“Heißt: Das kann sich täglich ändern. Deshalb habe die im Landratsamt angesiedelte Behörde am Dienstag alle niedergelassenen Ärzte im Kreis Ravensburg per E-Mail angeschrieben und mit aktuellen Informationen über die Gefahrengebiete in Norditalien versorgt. Wer bis zu 14 Tage nach einer Reise in ein Covid-19-Gebiet Erkältungssymptome verspürt, soll sich telefonisch beim Amt oder seinem Hausarzt melden.
Föll hält nichts davon, erkältete Menschen automatisch auf Verdacht auf den Sars-2-Erreger zu testen. „Statistisch gesehen tendiert die Chance einer Ansteckung noch gegen null. Wenn ich aber viele Menschen teste, erhalte ich eine Reihe falsch positiver Resultate.“Ähnlich wie bei einer 83-jährigen Frau vom Kreuzfahrtschiff „Westerdam“, die zunächst positiv getestet worden war, obwohl sie die Krankheit gar nicht hatte, wie sich später herausstellte. Der Leiter des Gesundheitsamts rechnet damit, dass es zu einer Krankheitswelle ähnlich wie bei einer Grippeepidemie kommen könnte. „Wir müssen uns aber fragen, inwieweit wir unseren Lebensstil davon beeinflussen lassen wollen. Wir reden hier nicht über eine Krankheit wie Ebola.“