Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Ich trainiere ein Team ohne wirkliche Schwächen“
Burkhard Sude über das Training mit seiner Tochter und die Olympischen Spiele im Beachvolleyball
FRIEDRICHSHAFEN - Seine Erfolgsliste ist lang, die seiner Tochter mittlerweile ebenso. Burkhard Sude, genannt „Mister Volleyball“, spielte 203-mal für die deutsche Nationalmannschaft und war in den 1980erJahren der beste deutsche Volleyballspieler, führte den USC Gießen 1982, 1983 und 1984 zur deutschen Meisterschaft. Von 1980 bis 1984 wurde er fünfmal in Folge zum Volleyballer des Jahres gewählt. Seine Tochter Julia zählt als Beachvolleyballerin zu den besten der Welt – unter anderem wurde sie 2019 deutsche Meisterin. Mit ihrer Partnerin Karla Borger ist die 33-Jährige vom VfB Friedrichshafen auf dem besten Weg, sich für die Olympischen Spiele in diesem Sommer in Tokio zu qualifizieren. Auch ein Verdienst von Vater Burkhard, der seine Zahnarztpraxis in Neukirch die vergangenen Monate des Öfteren verlassen hat, um Borger/ Sude zu trainieren. Vor den letzten Quali-Turnieren unterhielt sich Jochen Dedeleit mit der deutschen Volleyball-Legende.
Nach einer längeren Findungsphase scheinen Borger/Sude auf dem richtigen Weg?
Im Moment sind sie für Olympia qualifiziert, und wir schauen nicht zurück, sondern es ist tatsächlich so, dass wir von Satz zu Satz, Spiel zu Spiel und Turnier zu Turnier schauen. So wollten wir bei dem Ende April geplanten Vier-Sterne-Turnier im chinesischen Yangzhou teilnehmen, dies wird nun aber aufgrund des Coronavirus verschoben und erst nach den Olympischen Spielen ausgetragen. Julia und Karla sind derzeit mit dem kroatischen Worldtour-Spieler Josip Pribanic in Hurghada im Trainingslager, Anfang März werden wir in den USA trainieren, ehe es am 11. März in Mexiko beim Vier-Sterne-Turnier losgeht.
Ich bin deshalb nicht nervös geworden, weil ich weiß, was die beiden können. Wir verzichten auch auf eine große Rumtaktiererei, die einige Teams verfolgen, weil die letzten sechs Turniere für die jeweilige Setzliste maßgeblich sind. Ich benötige den Wettkampf als Rückmeldung, muss wissen, wie die zwei unter Stress reagieren. Und nein, ich bürde ihnen damit nicht zu viel auf, weil ich weiß, was sie können. Dass die Ergebnisse spät kamen, machte die Sache natürlich nicht einfacher. Aber um es klar zu sagen: Da, wo verloren wurde, hat der Mut zum Risiko gefehlt. Sie wollten es elegant lösen, weil das spielerische Potenzial zweifelsfrei vorhanden ist.
Erstaunt, dass Ludwig/Kozuch rund 500 Zähler zurückliegen?
Das kann man nicht vergleichen, auch aufgrund ehemaliger Partnerinnen. Wegen Ludwigs großer Erfolge haben die beiden einige Wildcards bekommen, während sich etwa die dreifache Olympiasiegerin Kerri Walsh durch die Qualifikation kämpfen musste. Beim Turniersieg in Qinzhou gewannen Juli und Karla im Finale gegen Kerri, und obwohl Julia im Halbfinale beim Matchball umgeknickt war, was niemand mitbekommen hatte, konnte sie Kerri zweimal hintereinander blocken. Meine Meinung ist, dass man sich nicht abfackeln lassen soll, wenn man verletzt ist, so wie in Rom. Aber Juli war total im Tunnel, es wäre schön, wenn dies ohne Verletzung öfters hinhauen würde. Denn die beste Strategie nützt nichts, wenn du immer dieselben Fehler machst.
Auf was legen Sie bis Juni das Hauptaugenmerk?
Ich trainiere ein Team mit keinen wirklichen Schwächen. Umso mehr lautet die Maxime, die Stärken noch verstärken, die gleiche Qualität reproduzieren. Beide ziehen an einem Strang, mit einem großen Ziel vor Augen. Schiefgehen kann es aber, wenn es bei einer nicht läuft und die andere meint, sie müsste einspringen, sprich umso mehr machen.
die Nationalteams bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney, wo der Gewinn der Bronzemedaille von Jörg Ahmann/ Axel Hager nunmehr exakt 20 Jahre her ist. Was können Sie davon heute noch herausziehen?
Damals wie heute gilt: täglich trainieren. Ich wollte mich stetig verbessern, dafür bin ich bekannt. Wenn ich den Ball in eine bestimmte Zone schmettern will, dann muss das nach 20 Versuchen fünf Minuten vor Trainingsende immer noch funktionieren. Da bin ich Trainer, kein Vater. Aber Juli ist pflegeleicht, sie gibt immer alles. Aber die Athletik heute, vor allem bei den Männern, ist der Wahnsinn. Allerdings: Ich bin jetzt 62 und spiele am Samstag zu Hause mit dem VfB II in der Regionalliga Süd gegen die SG Ostalb, ich kann also nicht alles falsch gemacht haben. Aber ich lebe relativ gesund.
Die Hallenteams im Volleyball sind in Tokio nicht dabei, kommt das den Beach-Duos zugute?
Wegen der Unterstützung? Ich glaube nicht, dass die Gelder umverteilt werden. Aber sie werden mehr im Blickpunkt stehen. Allein schon wegen der unheimlichen Leistungsdichte in Europa, es gibt in jedem Erdteil Topteams.
Vor Kurzem waren Sie mit einem doppelseitigen Interview in der „Sport Bild“. Werden Sie wirklich noch oft auf die Aktion in „Wetten, dass…“angesprochen, als Sie 1982 alleine gegen eine Verbandsligamannschaft antraten und nach fünf Minuten mit 6:3 gewannen?
Ja, es ist schon witzig. Viele kennen die Sendung ja schon nicht mehr. Ich war damals in der Prüfungsphase und habe dem ZDF mitgeteilt, dass wir das einmal probieren und wenn es nicht hinhaut, bin ich raus. Sie wollten auch einen Ersatz, aber da stand keiner zur Verfügung, auch nicht Frank Winkler. Und um die Frage vorwegzunehmen: die Typen wie Winkler, Frank Mackerodt, Georg Grozer senior oder meine Wenigkeit, die damals in aller Munde waren, waren physisch top drauf. Heute muss das gesamte Team auf Topniveau sein. Aber es ist natürlich auch eine Erziehungsfrage und eine Frage der Ausbildung. Man lässt keinem mehr einen freien Lauf.