Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rummenigges Geschenke-Botschaft
Bayern-Chef überreicht Hansi Flick einen Stift – und beantwortet wohl die Zukunftsfrage
LONDON - Die Überraschung kam in Rot daher, in einer kleinen roten Box. Als Geschenk verpackt, mit weißer Schleife. Der Adressat: Bayerns Cheftrainer Hansi Flick, der am Montag seinen 55. Geburtstag gefeiert hat. Er bekam nach dem souveränen und rundum überzeugenden 3:0 der Münchner im Achtelfinal-Hinspiel beim FC Chelsea auf dem Vereinsbankett in London einen Stift überreicht. Doch erst die Worte von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, zwanzig Minuten vor Mitternacht während seiner üblichen Rede zur Eröffnung des Büffets ausgesprochen, verliehen dem Präsent das Prädikat „besonders wertvoll“.
„Lieber Hansi, herzlichen Glückwunsch, alles Gute! Für die, die nicht wissen, was da drin ist in dem roten Päckchen: Es ist ein Stift. Und mit Stiften beim FC Bayern unterschreibt man ja manchmal auch Papiere. Ich wünsch' Dir alles Gute!“
Im übertragenen Sinne: Der neue Vertrag, mindestens über zwei Jahre und ab 1. Juli gültig, dürfte demnächst an der Säbener Straße ausgearbeitet werden.
Ein Raunen, das in wohlwollenden, heftigen Applaus überging, machte sich breit im feierlich in den Vereinsfarben geschmückten Festsaal in der Northumberland Avenue unweit des Mannschaftsquartiers Corinthia Hotel am Whitehall Palace. Flick, der im Kreise der Bosse direkt neben Rummenigge stand, musste kurz husten, nickte dankend, wollte sich nicht anmerken lassen, dass er mit der eindeutigen Botschaft, die in den Worten des Vereinschefs steckten, nicht gerechnet hatte. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Das Viertelfinale scheint nach dem 3:0 in London zu 99 Prozent erreicht, doch noch beträgt die Spannweite des Erfolgs dieser Saison zwischen drei Titeln, dem möglichen zweiten Triple nach 2013, und keinem einzigen Titel, was für den FC Bayern ein Desaster wäre. Dass Flicks Zukunft nicht nur an der von ihm frisch renovierten Spielweise und der Kompetenz, dieses Star-Ensemble auf zwischenmenschlicher Ebene geschickt zu führen, liegen würde, war ihm klar. Jeder Bayern-Trainer wird unterm Strich an Titeln gemessen.
Flick ist sich dessen bewusst. Das vermittelte er glaubhaft im persönlichen Gespräch, als er zu etwas späterer Stunde selbst für den Getränkenachschub sorgte und seinen mittlerweile anderen Tischnachbarn Drinks von der Bar holte. Ebenso authentisch sein Wissen darüber, dass eben Ende Februar noch nichts gewonnen sei. Es ist die Pragmatik und Ruhe, die den gebürtigen Heidelberger auszeichnet. Nicht (zu) hoch fliegen, nicht alles zu ernst nehmen. Er geht den gesunden Mittelweg, will sich – anders als Vorgänger Niko Kovac – nicht alles zu sehr zu Herzen nehmen. Schließlich heißt es: Profigeschäft. Mit der Betonung auf beide Teile des Wortes. Und was soll einen ehemaligen Spieler, unter anderem bei Bayern (1985-'90), einen Ex-DFB-Sportdirektor und – mittlerweile stellt er das selbst klar – früheren Co-Trainer in diesem Geschäft, in diesem „guten Alter“, wie der 64jährige Rummenigge sagte, noch überraschen? Kein Pokerface, kein Ablenkungsmanöver. Flick, der sich nicht verstellt, kennt die Mechanismen der Branche. Aber erkennt auch seine Chance, womöglich die Chance seines Lebens.
„Mach es weiter so, mach es gut. Bleib wie du bist“, wandte sich Rummenigge direkt an Flick und betonte: „Wir sind sehr, sehr zufrieden, wie die Mannschaft spielt – auch mit den Ergebnissen und dem Fußball, den sie spielt.“
Karl-Heinz Rummenigge
Geht mehr Lob? Wohl kaum. Und auch kein Zurück mehr. Die Entscheidung scheint intern gefallen: Flick, im Sommer 2018 als Assistent von Kovac nach München geholt, dürfte – wenn nicht noch in allen drei Wettbewerben der große und im Grunde unerwartete Einbruch kommt – zur Dauerbesetzung auf der Trainerbank werden. Rund eine Stunde vor Rummenigges Geschenk samt Hintergedanken hatte Flick am „Sky“-Mikrofon gesagt: „Es geht immer um die Mannschaft, dass sie Erfolg hat. Alles andere liegt nicht in meiner Hand. Das sind Dinge, die die Zukunft bringt.“Der Stift wird bald gut in seinen Fingern liegen.
„Und mit Stiften beim FC Bayern unterschreibt man ja manchmal auch Papiere.“