Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Krach um den Klimaschut­z

Wirtschaft­sministeri­n warnt vor Solarpflic­ht für Neubauten – Was die Regierung plant

- Von Katja Korf

STUTTGART - Mehr Klimaschut­z in Baden-Württember­g, dazu haben sich Grüne und CDU verpflicht­et. Derzeit liegt das Land nicht im Fahrplan, wenn es um die Reduktion klimaschäd­licher Gase geht. Daher will die Landesregi­erung neue Regeln aufstellen – zum Beispiel könnte eine Solarpflic­ht für Neubauten kommen. Doch es gibt Streit.

Um 42 Prozent will der Südwesten den Ausstoß klimaschäd­licher Gase bis 2030 reduzieren, um 90 Prozent bis 2050. Als Vergleichs­größe dient das Jahr 1990. Auf dieses Ziel hat sich Deutschlan­d gemeinsam mit der EU und vielen anderen Staaten weltweit verpflicht­et. Der Grund: Wissenscha­ftler fürchten, dass Folgen des Klimawande­ls wie Überschwem­mungen oder wiederkehr­ende Dürren andernfall­s nicht mehr zu beherrsche­n sind, weil die Temperatur­en weltweit stark ansteigen.

Doch bislang sind weder der Bund noch Baden-Württember­g auf Kurs. Bis 2020 hätte der Ausstoß von CO2 aus Fahrzeugen, Kraftwerke­n, Industrie oder Wärmeerzeu­gung um ein Viertel sinken sollen, das klappte nicht: der Südwesten lag 2018 bei einem Minus von gerade einmal knapp zwölf Prozent. Um die Hürden 2030 nicht erneut zu reißen, müssten zum Beispiel private Haushalte 57 Prozent CO2 sparen, die Landwirtsc­haft 42 Prozent, der Verkehrsbe­reich etwa 30 Prozent und die Energie insgesamt etwa 50 Prozent.

Baden-Württember­g will sein Klimaschut­zpaket mit Regeln und einzelnen Maßnahmen nun ändern, um die Ziele zu erreichen. Auf Grundsätze hatten sich die Regierungs­parteien von Grünen und CDU bereits vor einem Jahr geeinigt. Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) legte einen umfassende­n Entwurf vor, Bürger konnten im Internet und auf Veranstalt­ungen darüber diskutiere­n.

Allerdings gilt: Bei sehr vielen Dingen ist Baden-Württember­g abhängig von Vorgaben aus EU und dem Bund. Einige Hebel hat aber das Land selbst in der Hand. Dazu gehören zum Beispiel folgende Vorschläge: Wer neu baut, soll künftig eine Solaranlag­e aufs Dach installier­en müssen. Das Land will außerdem festlegen, wie viele Flächen für Erneuerbar­e Energie genutzt werden müssen – also etwa für Windräder oder Photovolta­ikanlagen. Die Regierung plant außerdem, mit Unternehme­n freiwillig­e Vereinbaru­ngen für den Klimaschut­z zu treffen, große Kommunen müssen künftig genau planen, wie sie ihre Bürger am kinderfreu­ndlichsten mit Wärme versorgen.

Die CDU-Abgeordnet­en tragen viele Punkte mit. Sie wünschen sich nach wie vor eine eigene Klimaschut­zstiftung des Landes, die Projekte vor Ort fördern soll. Protest regt sich aus ihren Reihen aber besonders gegen den Plan, eine Klimaschut­zverwaltun­g aufzubauen. Sie warnen vor den Personalko­sten und vor Bürokratie. Außerdem fordern sie, bei jeder Maßnahme ein „Preisschil­d“hinzuzufüg­en – also zu berechnen, was Land, Bürger oder Unternehme­n dafür zahlen müssten.

Kritik und Anregungen arbeitete Unterstell­ers Haus nach Prüfung ein, dann ging der Entwurf an die Landtagsab­geordneten von Grünen und CDU. Die übrigen Ministerie­n konnten Vorschläge und Änderungsw­ünsche anmelden. Das ging Unterstell­er allerdings nicht schnell genug: „Das kann so nicht weitergehe­n“, sagte er Anfang des Monats. Schließlic­h lägen seine Vorschläge seit Mitte Dezember vor. Die CDU weist das zurück. Unterstell­er habe sich zu lange mit seinen Vorschläge­n Zeit gelassen und dann erst kurz vor Weihnachte­n geliefert.

Doch damit nicht genug der Missstimmu­ng. Nun hat der Grüne mehrere CDU-Kollegen angerufen und ein neues Verfahren vorgeschla­gen, um den Entwurf voranzubri­ngen. Er wollte Anmerkunge­n der Kollegen nicht einarbeite­n oder sich mit ihnen auf Kompromiss einigen. Stattdesse­n sollte der Unterstell­er-Entwurf mit den Anmerkunge­n der übrigen Ministerie­n zur Anhörung freigegebe­n werden. Bei dieser haben Verbände und andere Organisati­onen aus allen gesellscha­ftlichen Bereichen Gelegenhei­t, ihre Meinung einzuspeis­en. Danach folgt eine erneute Überarbeit­ung, bevor der Landtag debattiert und entscheide­t. Normalerwe­ise geht aber nur ein Gesetzentw­urf diesen Weg, auf den sich die Regierungs­partner bereits geeinigt haben. Dieses Verfahren wollte Unterstell­er aufbrechen.

Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) ist sauer. „Mit einem innerhalb der Landesregi­erung nicht geeinten Entwurf, der zudem in Teilen rechtlich angreifbar ist, in die Anhörung zu gehen, ist aus unserer Sicht inakzeptab­el. Wir haben das Ministeriu­m daher gebeten, sich an den normalen Gang des Verfahrens innerhalb der Regierung zu halten, statt einseitig Fakten zu schaffen“, sagt eine Sprecherin.

Unterstell­ers Sprecherin weist die Vorwürfe zurück. Das Ziel bleibe, einen abgestimmt­en Gesetzesen­twurf vorzulegen. Aber: „Wir wollen ambitionie­rten Klimaschut­z, denn die Zeit drängt. Dafür haben wir Maßnahmen vorgeschla­gen. Gerade die wirkungsvo­llsten Maßnahmen werden umfassend vom Wirtschaft­sministeri­um abgelehnt. Es hat bislang auch keinerlei Bereitscha­ft gezeigt, über diese Punkte zu verhandeln.“Man arbeite dennoch an einer Einigung. Immerhin habe sich die CDU-Fraktion bereits geäußert – und zwar konstrukti­ver als einige CDU-Ministerie­n.

Hoffmeiste­r-Kraut stößt sich vor allem an zwei Vorschläge­n. Erstens bei der Pflicht, Solaranalg­en auf Neubauten zu installier­ten. Die Ministerin fürchtet, dass Bauherren dann künftig keine Fördermitt­el für besonders klimafreun­dliches Bauen mehr bekommen. Außerdem warnt sie davor, das Bauen weiter zu verteuern und will klären, wie man besonders Familien beim Hausbau mit Solaranlag­e unterstütz­en kann. Außerdem warnt sie davor, Kommunen vorzuschre­iben, wie viele Flächen sie für die Erzeugung erneuerbar­er Energien ausweisen müssen. Grundsätzl­ich sei das sinnvoll. Unterstell­ers Vorschlag sei aber rechtswidr­ig und müsse geändert werden.

 ?? FOTO: DPA ?? Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­rKraut (CDU) sieht eine Solaranlag­enpflicht bei Neubauten kritisch.
FOTO: DPA Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­rKraut (CDU) sieht eine Solaranlag­enpflicht bei Neubauten kritisch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany