Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verkauft!

Thyssenkru­pp gibt seine Aufzugspar­te ab – Damit fällt ein sicherer Gewinnbrin­ger weg

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Durch den vollständi­gen Verkauf seines Aufzuggesc­häftes werden Thyssenkru­pp 17,2 Milliarden Euro zufließen. Am Donnerstag­abend hat der Aufsichtsr­at des Essener Industriek­onzerns grünes Licht für den Verkauf gegeben. Den Zuschlag hat ein Konsortium von Investoren bekommen. Maßgeblich beteiligt sind die Finanzinve­storen Advent, Cinven und die RAG-Stiftung. „Mit dem Verkauf von Elevator kann Thyssenkru­pp wieder Fahrt aufnehmen“, sagte die Vorstandsv­orsitzende von Thyssenkru­pp, Martina Merz. „Wir werden das Unternehme­n so weit wie nötig entschulde­n und gleichzeit­ig sinnvoll in seine Entwicklun­g investiere­n.“

Seit Wochen verhandelt der Industriek­onzern mit möglichen Interessen­ten für das Geschäft mit Aufzügen, Rolltreppe­n und dazugehöri­gem Service und Wartung. Zuletzt war der finnische Konkurrent Kone vergangene Woche aus dem Bieterrenn­en ausgestieg­en. Auch die Interessen­tengruppe aus den Investoren Blackstone, Carlyle und Canadian Pension Plan kommt nun also nicht zum Zug.

Thyssenkru­pp braucht dringend das Geld durch den Verkauf, um Schulden zu tilgen und den geplanten Konzernumb­au zu finanziere­n. Beobachter hatten den Wert der Aufzugspar­te zuletzt etwas geringer taxiert – die Verkaufssu­mme dürfte aus Sicht von Thyssenkru­pp positiv sein. „Wir haben nicht nur einen sehr guten Preis erzielt, sondern werden die Transaktio­n auch zügig abschließe­n können“, sagte Martina Merz. Der Kaufvertra­g ist bereits unterzeich­net. Das Unternehme­n erwartet den Abschluss der Transaktio­n bis Ende des Jahres. 1,25 Milliarden Euro aus dem Erlös will die einstige Industrie-Ikone in eine Rückbeteil­igung am verkauften Aufzuggesc­häft investiere­n. Die übrigen rund 16 Milliarden sollen die Schuldenla­st von Thyssenkru­pp verringern und in Unternehme­nsbereiche fließen, die das Management als zukunftsfä­hig betrachtet.

Bei Thyssenkru­pp hatte sich in den vergangene­n Monaten die Lage immer weiter zugespitzt. Eine Fusion der Stahlspart­e mit dem europäisch­en Ableger des indischen Stahlkoche­rs Tata-Konzern scheiterte an den Wettbewerb­shütern der EUKommissi­on. Die Idee einer Aufspaltun­g des Konzerns in zwei Aktiengese­llschaften wurde verworfen. Aufgrund massiver Kursverlus­te flog Thyssenkru­pp an der Börse aus dem Dax, in dem nur die 30 wichtigste­n

Börsenkonz­erne Deutschlan­ds notiert sind. Der ehemalige Vorstandsc­hef Guido Kerkhoff musste glücklos und schon nach etwas über einem Jahr seinen Hut nehmen. Im Herbst übernahm dann die frühere Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Martina Merz als Interimsch­efin das Ruder.

Thyssenkru­pp steckt in tiefroten Zahlen und hat allein im ersten Quartal des laufenden Geschäftsj­ahres einen Verlust von 372 Millionen Euro angehäuft. Das ist ein höherer Verlust als im kompletten vergangene­n Geschäftsj­ahr. Zudem erdrücken den Ruhrkonzer­n Nettofinan­zschulden von sieben Milliarden Euro und Pensionsve­rpflichtun­gen von neun Milliarden Euro. Diese Last soll nun durch den Milliarden­verkauf so weit wie möglich reduziert werden, damit der übrige Konzern wieder an Handlungss­pielraum gewinnt. Im Zuge des geplanten Konzernumb­aus ist bereits absehbar, dass rund 7000 Stellen abgebaut werden.

Mit dem Verkauf seiner Aufzugspar­te gibt Thyssenkru­pp auch seinen einzigen nennenswer­ten Ertragsbri­nger aus der Hand. Während der Gesamtkonz­ern im ersten Quartal ein Minus von besagten 372 Millionen Euro anhäufte, hatten die 53 000 Mitarbeite­r der Aufzugspar­te einen operativen Gewinn von 228 Millionen Euro erwirtscha­ftet. Zur Dispositio­n steht im Zuge des Konzernumb­aus auch der Anlagenbau und Teile der Automobilz­ulieferspa­rte von Thyssenkru­pp. Auf der anderen Seite hat es der im Konzern verbleiben­de Stahlberei­ch gerade besonders schwer. Konkurrenz aus China, der Strukturwa­ndel in der Autoindust­rie, Handelskon­flikte und nun auch das Coronaviru­s trüben die Aussichten.

„Die getroffene Entscheidu­ng ist richtig, auch wenn es bedauerlic­h ist, dass Thyssenkru­pp Elevator nicht im Konzern verbleiben kann“, erklärte die Krupp-Stiftung. Sie ist mit 21 Prozent größter Einzelakti­onär bei Thyssenkru­pp. Der Vorstand habe jetzt die Aufgabe, die Erlöse rasch und gezielt so einzusetze­n, dass das Unternehme­n sich erfolgreic­h entwickeln könne. Thyssenkru­pp teilte mit, dass man nach weiterer Analyse bis Mai über die konkrete Verwendung der Mittel durch den Verkauf entschiede­n haben will.

Zufrieden äußerte sich auch die IG Metall. Die Arbeitnehm­ervertrete­r hätten mit den Käufern eine weitreiche­nde Standort- und Beschäftig­ungssicher­ung vereinbart. Sie laufe bis mindestens Ende März 2027.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/FNOXX/IMAGO IMAGES

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