Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Horváths „kleiner Totentanz“erstickt im überlebten Regietheat­er

Kunstsprac­he beim Gastspiel der Württember­gischen Landesbühn­e ermüdet

- Von Helmut Voith

WEINGARTEN - Mit Ödön von Horváths Drama „Glaube Liebe Hoffnung“hat die Württember­gische Landesbühn­e Esslingen am Mittwochab­end ein Stück jenes Dichters auf die Bühne des Kultur- und Kongressze­ntrums Weingarten gebracht, der das neue Volksstück bühnengere­cht etablieren wollte. Weit weg von allem, was irgendwie „tümelt“, dafür Menschen mit ihren echten Problemen, die meist zum Scheitern führen. Natürlich finden sich Anklänge an Georg Büchner und dessen Woyzeck. Menschen, die fast nicht sagen können, was sie bedrückt, was sie auf den Boden niederdrüc­kt, so sehr, dass ein kleines Straucheln jede Hoffnung sofort zunichtema­cht.

Da ist die junge Frau, die als Hausiereri­n von Tür zu Tür eilt, bis die Polizei entdeckt, dass sie keinen Wandergewe­rbeschein besitzt. Weil sie das Geld für die Geldstrafe nicht hat, erschwinde­lt sie es sich im guten Glauben, es bald zurückzahl­en zu können. Dafür wird sie eingesperr­t, ist zweifach vorbestraf­t. Das kurze Glück mit Schupo Alfons ist vorbei, als er davon erfährt. Ein Teufelskre­is, eine ähnliche Problemati­k wie beim „Hauptmann von Köpenick“.

Zuckmayer gab seinen Figuren eine Sprache, Horváth lässt sie stammeln, innehalten, letztlich auch eine Kunstsprac­he. Wenn diese aber so zerdehnt und zerhackt von den Lippen kommt wie in der Inszenieru­ng von Alexander Müller-Elmau, dann hat die Verfremdun­g nur noch Langeweile zu bieten. Regietheat­er pur. Der heutige Zuschauer kapiert schnell, und dann macht sich Langeweile,

Überdruss breit, auch wenn die Gesamtkonz­eption durchaus schlüssig ist.

Die Personen kommen in beliebiger Alltagskle­idung, auswechsel­bar – die Spieler wechseln die Rollen, mit den blutigen Armen des Vizepräpar­ators ist Stephanie Biesolt im nächsten Augenblick Elisabeths verständni­slose Chefin Irene Prantl, der süffisante Baron wird zum polternden Invaliden, der schmierige Oberpräpar­ator zum Richter. Nur Kristin Göpfert durchleide­t als Elisabeth alle Stationen.

Gespielt wird vor oder hinter einem hohen durchsicht­igen Plastikvor­hang, eine Goldfolie im Hintergrun­d bringt eine andere Ebene ins Spiel. Stumme akrobatisc­he Übungen skandieren, durch den Vorhang gefiltert, die Kunstsprac­he. Dass die Handlung nicht linear abläuft, dass Sätze mehrfach wiederholt werden und wichtige Szenen umgestellt werden, passt zum Gesamtkonz­ept.

Wohl dem, der den Einführung­svortrag von Professor Reinhold Schmid besucht hatte. Er brachte Horváths Ansichten und das Stück auf den Punkt und weckte Neugier. Nach einer guten Stunde war alles vorbei, eigentlich gar nicht schade. Dass sich das Ensemble alle Mühe gegeben hat, verdient Anerkennun­g.

Am Rande vermerkt: Die Württember­gische Landesbühn­e ist schon mit hervorrage­nden Inszenieru­ngen ins Schussenta­l gekommen, man denke an den „Woyzeck“in Ravensburg (2019) und Seethalers „Der Trafikant“in Weingarten (2018), auch mit gewagter Regie und exquisitem Bühnenbild, mit einem Ganzen, das mitgerisse­n hat.

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FOTO: HELMUT VOITH Elisabeth (Kristin Göpfert) ist gefangen im Teufelskre­is, hier beobachtet (von links) von Vizepräpar­ator (Stephanie Biesolt), Oberpäpara­tor (Antonio Lallo) und Baron (Florian Stamm).

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