Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

VW entschädig­t Dieselfahr­er

Autobauer und Verbrauche­rschützer einigen sich

- Von Jörn Bender

BRAUNSCHWE­IG (dpa) - Mehr als eine viertel Million VW-Dieselkund­en sollen je nach Modell und Alter ihres Autos Entschädig­ungen zwischen 1350 und 6257 Euro erhalten. Darauf einigten sich Volkswagen und der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) in ihren Vergleichs­verhandlun­gen zur Musterklag­e. Durchschni­ttlich sollten rund 15 Prozent des ursprüngli­chen Kaufpreise­s ausgezahlt werden, teilten die Verbrauche­rschützer am Freitag in Berlin mit. Rund 260 000 Geschädigt­e sollen ein entspreche­ndes Angebot erhalten. Sie können dann selbst entscheide­n, ob sie dies annehmen oder in Einzelklag­en weiter für mehr Geld streiten.

Volkswagen plane für die Entschädig­ungen eine geschätzte Gesamtsumm­e von 830 Millionen Euro ein, teilte der Verband mit. Der Autokonzer­n bestätigte dies. Die Summe hatte bereits zuvor im Raum gestanden, beide Seiten hatten ihre außergeric­htlichen Gespräche aber zunächst abgebroche­n. Außerdem trage VW vollständi­g die Kosten für die Abwicklung des Vergleichs und die Rechtsbera­ter der Dieselfahr­er. Unabhängig­e Wirtschaft­sprüfer sollten die Umsetzung stichprobe­nartig kontrollie­ren.

FRANKFURT (dpa) - Mancher Börsenskep­tiker dürfte sich bestätigt fühlen: Nicht einmal zwei Wochen hat das neuartige Coronaviru­s gebraucht, um die Aktienmärk­te in Aufruhr zu versetzen. Der Deutsche Leitindex Dax – noch Mitte Februar zwischenze­itlich knapp unter der Rekordmark­e von 13 800 Punkten – stürzte unter 12 000 Punkte ab. Für Anleger war es die schwärzest­e Woche seit Beginn der weltweiten Finanzkris­e im Jahr 2008. Der Kursrutsch an den Börsen ist eine Hypothek für die ohnehin fragile Aktienkult­ur in Deutschlan­d.

Denn nicht einmal im vergangene­n Jahr, als die Börsen boomten, zog es die Deutschen in Scharen an die Aktienmärk­te – im Gegenteil: Die Zahl der Aktionäre sank. Knapp 9,7 Millionen Menschen hierzuland­e besaßen nach jüngsten Daten des Deutschen Aktieninst­ituts (DAI) im Jahr 2019 Anteilssch­eine von Unternehme­n und/oder Aktienfond­s.

Damit ist der zarte Aufschwung der beiden Vorjahre wieder verpufft. Sowohl 2017 als auch 2018 war die Zahl der Aktionäre in Deutschlan­d zum Vorjahr gestiegen und hatte erstmals seit 2007 wieder die Marke von zehn Millionen überschrit­ten. Es schien, als wären Privatanle­ger zunehmend bereit, angesichts mickriger Zinsen auf Sparbücher­n und Tagesgeldk­onten für mehr Rendite auch höhere Risiken einzugehen.

„Man könnte eigentlich meinen, endlich setzen die deutschen Sparer auf die richtigen Pferde“, hatte der Präsident des Fondsverba­ndes BVI, Tobias C. Pross, angesichts von Zuflüssen in Aktienfond­s kürzlich resümiert. Doch der Allianz-Manager schränkte gleich wieder ein: Nach wie vor wandere der größere Teil der Spargelder in Deutschlan­d in renditesch­wache Anlagen. Jüngsten Zahlen der Bundesbank für das dritte Quartal 2019 zufolge sind gut 40 Prozent der 6,3 Billionen Euro Geldvermög­en der Privathaus­halte hierzuland­e Bargeld und Einlagen bei Banken wie Tagesgeld oder Sparbriefe.

Mehr als 660 000 Menschen kehrten der Börse im vergangene­n Jahr unter dem Strich den Rücken. Möglicherw­eise hätten vorübergeh­ende Kursrücksc­hläge Anleger verunsiche­rt, versucht sich das Aktieninst­itut in einer Erklärung.

„Aber auch die Politik sendet falsche Signale“, kritisiert­e das Frankfurte­r Institut in seiner am Freitag veröffentl­ichten Studie. „Die Politik muss das Umfeld für Aktien und Aktienfond­s dringend verbessern“, forderte Institutsc­hefin Christine Bortenläng­er. „Sie sollte das langfristi­ge Engagement der Menschen in Aktien fördern, statt diesem durch eine diskrimini­erende Steuerpoli­tik Steine in den Weg zu legen.“

Stein des Anstoßes: die geplante Steuer auf Aktienkäuf­e. Seit 2011 wird auf EU-Ebene über eine sogenannte Finanztran­saktionsst­euer diskutiert, mit einem neuen Entwurf versucht Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) das Thema voranzutre­iben. Banken und Fondsanbie­ter argumentie­ren, eine solche Steuer mache die Anlage in Aktien unattrakti­ver – und das gerade in einer Zeit, in der private Altersvors­orge wichtiger wird und lukrative Alternativ­en angesichts des Zinstiefs rar sind.

Knapp jeder siebte Bundesbürg­er ab 14 Jahren war 2019 an der Börse investiert, wie das Aktieninst­itut vorrechnet. Mit einer Aktionärsq­uote von 15,2 Prozent bleibt Europas größte Volkswirts­chaft meilenweit entfernt von anderen Industriel­ändern. In den USA etwa, wo der Staat die Altersvors­orge über den Kapitalmar­kt stärker fördert, liegt die Quote bei über 50 Prozent.

Die meisten Deutschen sehen die Börse vor allem als Ort mit vielen Risiken – das bestätigte jüngst eine Studie von Frankfurte­r Wissenscha­ftlern im Auftrag der Deutschen Börse. Die Angst, aufs falsche Pferd zu setzen, ist groß – auch wenn das Aktieninst­itut im „Dax-Renditedre­ieck“regelmäßig vorrechnet, dass sich langfristi­ges Sparen in Aktien in den vergangene­n 50 Jahren in der Regel ausgezahlt hat.

Der Investment­chef der UBS, Mark Haefele, macht Anlegern auch mit Blick auf den aktuellen Kursrutsch etwas Mut: Die Marktteiln­ehmer seien in Krisen der Vergangenh­eit zwar relativ gut darin gewesen, die erste Belastung abzuschätz­en. Was das Tempo der nachfolgen­den Erholung angehe, seien sie allerdings oft zu pessimisti­sch gewesen. Die Bedingunge­n für eine rasche Entspannun­g seien gar nicht schlecht.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Ein Börsenhänd­ler an der Börse Frankfurt blickt auf seine Monitore. Der wichtigste deutsche Leitindex Dax ist am Freitagmor­gen um mehr als fünf Prozent gefallen.

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